Frage an Jette Waldinger-Thiering von Angela W. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Frage zum Thema SchülerInnenbeförderung
Hallo Frau Waldinger-Thiering,
§114 des Schulgesetzes sieht vor, dass eine Schülerbeförderung nur bis zur Klasse 10 getragen wird. Mir ist das gänzlich unverständlich! Warum nur bis zur 10. Klasse? Ist eine höhere Bildung für Kinder nicht wohlhabender Eltern nicht erwünscht? Ersatzweise wird auf das Bildungs- und Teilhabepaket der Jobcenter verwiesen. Werden diese Kosten dort auch tatsächlich übernommen? Erfahrungen zeigen, dass immer wieder auf das Teilhabepaket verwiesen wird, die Kosten aber oft nicht oder nur unzureichend übernommen werden. Rechnen die Jobcenter z.B. die Pauschalwerte für Beförderungskosten gegen, so dass Betroffene die Auswahl zwischen Familienbesuch und Schule haben? Wird dieser Anspruch auch von Geringverdienern wahrgenommen? Es wäre doch naheliegend, dass gerade Eltern mit einem Einkommen im unteren Sektor keine Unterstützung durch die Jobcenter beanspruchen wollen.
Ist Bildung nicht etwas, das wir uns für alle Kinder leisten sollten? Sehen Sie in der Nichtübernahme der Schülerbeförderung ab der 10. Klasse eine soziale Benachteiligung der Kinder von Eltern, die keinen ausreichenden Verdienst haben? Sind hiervon vornehmlich Alleinerziehende betroffen, die ohnehin schon nicht steuerlich entlastet werden? Sehen Sie diesbezüglich eine Veranlassung zum Handeln?
Mich erfüllt diese Regelung mit absoluter Unverständnis und würde mich freuen, das Gesetz besser nachvollziehen zu können. Falls es Ihnen so gehen sollte wie mir, bitte ich sie von ganzem Herzen, hier schnell eine Änderung herbeizuführen.
Mit freundlichen Grüßen,
Dipl.-Ing. A. Whyte
Sehr geehrte Frau Whyte,
zunächst einmal vielen Dank für Ihre Anfrage und Ihr damit gezeigtes Interesse an der Haltung des SSW im Landtag zum Thema Schülerbeförderung.
Sie haben vom Grundsatz her absolut recht: Wer wie wir keine Bildung will, die in irgendeiner Form vom Geldbeutel der Eltern abhängt, der muss nach Möglichkeit dafür sorgen, dass am besten alle Bildungsangebote und auch der Zugang zu diesen kostenfrei ist. Ein solcher, hoher Anspruch an die Bildungspolitik in einem reichen Land wie Deutschland ist aus der Sicht meiner Partei, aber auch aus meiner ganz persönlichen Sicht, völlig legitim. Wenn wir also einfach mal annehmen, Schleswig-Holstein wäre in einer anderen, finanziell deutlich weniger angespannten Situation, dann hätten wir uns längst hierfür eingesetzt. Und wir würden uns umgehend für eine weitere deutliche Erhöhung der gesamten Bildungsausgaben einsetzen. Es ist doch keine Frage: Im innerdeutschen Vergleich, vor allem aber international gesehen, sind die staatlichen Ausgaben für Bildung zu gering. Dies gilt also für unser Land genau wie für den Bund. Und hier muss sich möglichst zügig etwas Gravierendes ändern.
Glauben Sie mir: Was Ihr besonderes Anliegen der Schülerbeförderung betrifft, so sind wir als langjährige Oppositionspartei der dänischen Minderheit und der Friesen ebenfalls leidgeprüft. Um kaum einen anderen Posten im Bereich Bildung gab und gibt es derart viele Diskussionen und Auseinandersetzungen. Dies liegt daran, dass sowohl Finanzierung wie Zuständigkeiten nicht etwa auf nur einer Ebene liegen - was dieses Thema nicht nur komplex erscheinen lässt, sondern vor allem entsprechende Änderungen im Sinne der Eltern und Kinder von Seiten von z.B. der Landesebene schwierig machen.
Wie Sie sicher wissen, ist die Schülerbeförderung eine pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe der kommunalen Ebene. Die Autonomie der Kommunen steht hier im Vordergrund. Daneben ist Fakt, dass es keinen subjektiv-rechtlichen Anspruch der Eltern und Schüler auf Beförderung gibt. In § 136 SchulG ist ein solcher Anspruch ausdrücklich ausgeschlossen. Der Landtag hat erst vor wenigen Jahren den Kreisen wieder ermöglicht, Schülerbeförderungskosten zu erstatten. In dem erst seit dem 01.08.2014 geltenden Schulgesetz haben wir weder eine Ausweitung noch eine Einschränkung der Regelungen zur Schülerbeförderung vorgenommen. Um die gegenwärtige Rechtslage besser verstehen zu können, muss die historische Entwicklung der Bestimmungen zur Schülerbeförderung betrachtet werden. Erst in den 1970er Jahren ist die Schülerbeförderung im Schleswig-Holsteinischen Schulgesetz verankert worden, als im Zuge von Reformen Schulen im ländlichen Raum zusammengelegt und Kleinstschulen aufgelöst wurden. Der größere Aufwand zum Besuch der nunmehr entfernter gelegenen Schule sollte durch die Schülerbeförderung kompensiert werden. Sinn und Zweck der Einführung einer Schülerbeförderung war es also, den Schulbesuch grundsätzlich sicherzustellen, nicht jedoch in jedem Falle die Beförderungskosten zu übernehmen.
Gemäß des § 114 des Schulgesetzes, auf den Sie ja korrekterweise abheben, sind grundsätzlich die Schulträger der in den Kreisen liegenden öffentlichen Schulen Träger der Schülerbeförderung für Schülerinnen und Schüler, die Grundschulen, Jahrgangsstufen 5 bis 10 der weiterführenden allgemein bildenden Schulen sowie Förderzentren besuchen. Von der schulgesetzlichen Regelung zur Schülerbeförderung sind somit nicht alle Schülerinnen und Schüler in Schleswig-Holstein erfasst. Die Schülerinnen und Schüler, die in einer kreisfreien Stadt zur Schule gehen, erhalten keine entsprechenden Leistungen. Auch für diejenigen, die eine berufsbildende Schule, eine Schule in freier Trägerschaft oder die Jahrgangsstufen 11 bis 13 eines Gymnasiums oder einer Gemeinschaftsschule besuchen, sieht das Schulgesetz keine Schülerbeförderung vor.
Der Umfang der Schülerbeförderungsleistungen ist also vom Grundsatz her begrenzt. Die Kreise bestimmen danach durch Satzung, welche Kosten für die Schülerbeförderung als notwendig anerkannt werden. Die Satzung kann darüber hinaus vorsehen, dass die Eltern oder die volljährige Schülerin oder der volljährige Schüler an den Kosten der Schülerbeförderung beteiligt werden (Satz 3). Der Gesetzgeber hat mit dieser Regelung dem im Grundgesetz verankerten kommunalen Selbstverwaltungsrecht und der Satzungsautonomie der Gemeinden und Gemeindeverbände Rechnung getragen und den Kreisen weitgehende Gestaltungsmöglichkeiten eingeräumt. Unterschiede in der Ausgestaltung der Kreissatzungen zur Eigenbeteiligung sind zudem bewusst ermöglicht worden, um die unterschiedlichen Gegebenheiten vor Ort, wie die Tarif- und Fahrplangestaltung im ÖPNV, in die Entscheidungen einbeziehen zu können.
Wie Sie sehen ist dieses Thema vergleichsweise kompliziert und Änderungen am bestehenden Regelwerk sind leider nicht so ohne weiteres möglich. Sofern es aber konkrete, problematische Einzelfällen gibt (also mit Blick auf die von Ihnen angerissene Thematik der Bewilligungspraxis durch Jobcenter bzw. Bundesagentur), würde ich Ihnen in jedem Fall empfehlen, sich vertrauensvoll an die Bürgerbeauftragte des Landes zu wenden. Ich hoffe dennoch, Ihnen einen Einblick in die Arbeit und Positionen des SSW im Landtag vermittelt zu haben und hoffe, Ihnen geholfen zu haben.
Mit freundlichem Gruß
Jette Waldinger-Thiering und der SSW im Landtag