Wie, denkst du, kann DE aus politischer Sicht dafür sorgen, dass dem Arbeitsmarkt (neben Zuwanderung) genug passend ausgebildete Fachpersonen zur Verfügung stehen?
Sehr geehrte Frau Hamann,
Zuwanderung wird oft als erstes genannt, um den aktuellen Arbeitskräftemangel in DE zu kompensieren.
Nebenher gibt es jedoch aus verschiedensten Gründen eine Fluktuation auf dem "Arbeitsmarkt" (welch menschenverachtender Begriff ist das eigentlich?), es stehen also schon Arbeitskräfte zur Verfügung, jedoch nicht unbedingt in gewünschten Branchen.
Wie lässt sich Ihrer Meinung nach dieser "Markt" sinnvoll und optimal steuern, um Menschen mit den passend günstigeren Vorkenntnissen jeweiliger Branchen für modernere Tätigkeiten fit zu machen?

Als Direktkandidatin der Linken setze ich mich dafür ein, den Fachkräftemangel in Deutschland durch sozial gerechte und langfristige Lösungen zu bekämpfen, die allen Menschen zugutekommen, unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder Alter. Dabei geht es nicht nur um die kurzfristige Deckung des Fachkräftebedarfs, sondern vor allem darum, den Arbeitsmarkt fair, inklusiv und zukunftsfähig zu gestalten.
Ein zentraler Schritt könnte die Einführung staatlich geförderter Weiterbildungsprogramme sein, die es allen Arbeitnehmer:innen ermöglichen, sich für zukunftsfähige Berufe weiterzuqualifizieren. Der Staat muss einen Weiterbildungsfonds schaffen, aus dem Unternehmen unterstützt werden, wenn sie ihre Mitarbeitenden in neuen, digitalen oder nachhaltigen Branchen fort- und weiterbilden. Gleichzeitig sollten Bildungsgutscheine für Arbeitnehmer:innen eingeführt werden, um ihnen zu ermöglichen, sich berufsbegleitend weiterzubilden, ohne Einkommenseinbußen zu erleiden.
Um Unternehmen dazu zu bewegen, stärker in die Qualifizierung ihrer Mitarbeitenden zu investieren, sollte die Politik steuerliche Anreize schaffen. Betriebe, die in die Umschulung oder Weiterbildung von Beschäftigten investieren, sollten von Steuervergünstigungen oder direkten Förderungen profitieren. Im Gegenzug sollten Unternehmen, die ihre Mitarbeitenden nicht weiterqualifizieren und auf prekäre Arbeitsverhältnisse setzen, durch höhere Sozialabgaben stärker belastet werden. Prekäre Arbeitsbedingungen dürfen nicht länger die Grundlage unseres Arbeitsmarktes sein.
Für eine gerechte und zukunftsorientierte Ausbildung muss das Ausbildungssystem neu gestaltet werden. Der Staat sollte insbesondere in Branchen mit akutem Fachkräftemangel investieren, etwa indem er die Ausbildungsvergütungen in diesen Bereichen anhebt und Unternehmen fördert, die überdurchschnittlich viele Auszubildende einstellen. Wir brauchen eine enge Verzahnung von Berufsschulen, Universitäten und Unternehmen, damit Ausbildung und Studium praxisnah und flexibel gestaltet werden, um den Übergang in gefragte Berufsfelder zu erleichtern. Besonders wichtig ist es dabei, dass diese Ausbildungskosten nicht alleine den Unternehmen überlassen werden, sondern der Staat aktiv an der Finanzierung beteiligt wird.
Zudem müssen gezielt die ungenuzten Potenziale auf dem Arbeitsmarkt gefördert werden. Frauen, die in vielen technischen und handwerklichen Berufen noch immer unterrepräsentiert sind, können durch Stipendien und gezielte Programme für MINT-Berufe (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) stärker eingebunden werden. Auch ältere Arbeitnehmer:innen müssen durch steuerfreie Weiterbildungszuschüsse und Rentenboni motiviert werden, sich für neue Tätigkeitsfelder umzuschulen und länger im Berufsleben zu bleiben. Sie sind eine wertvolle Ressource, die nicht verloren gehen darf.
Der Staat muss zudem in Zukunftsbranchen wie erneuerbare Energien, nachhaltige Landwirtschaft und den Pflegebereich investieren, um nicht nur Arbeitsplätze zu schaffen, sondern auch den Fachkräftebedarf in diesen wichtigen Bereichen zu decken. Eine solche öffentliche Investition schafft nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch eine Zukunft für die kommenden Generationen. Die Politik muss als Vorreiterin in Sachen gute Arbeitsbedingungen und faire Entlohnung auftreten und somit Druck auf private Unternehmen ausüben, diese Standards ebenfalls zu erfüllen.