Bundestagsdirektkandidat Jens Palandt
Jens Palandt
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Helge R. •

Setzen Sie sich für E-mobilität ein, oder für Zukunftstechnologien wie Wasserstoff?

Thema E-mobilität: der Abbau seltener Erden ist unökologisch, die Rohstoffe=endlich, werden unter katastrophalen Förderungsbedingungen geschürft. Das Recycling von Akkus ist unausgegoren. Steuererhöhungen in Deutschland helfen dem Klima nicht, wenn China 600 Kohlekraftwerke neu in Betrieb nimmt! Bei Produktion der E-Autos wird Umwelt zusätzlich geschädigt, denn die "alten" Verbrenner fahren in Exportländer weiter. Es gibt keinerlei Bestandschutz. Setzen Sie sich für zukunftsträchtige Wasserstofftechnologie ein?

Bundestagsdirektkandidat Jens Palandt
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Zur Beantwortung der Frage, ob ich mich für die E-Mobilität einsetze oder für Zukunftstechnologien wie Wasserstoff gehört für mich kein „ODER“ – ich setze mich für beides ein. Außerdem hängt beides eng miteinander zusammen.

Ich möchte meiner Beantwortung voranstellen, dass ich im derzeit SPD-geführten Niedersächsischen Umweltministerium als stellvertretender Leiter der Energie- und Klimaschutzabteilung u.a. mit der Umsetzung der Energiewende in Nds., mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien, der Betrachtung zukünftiger Mobilitätskonzepte (bei der die Elektromobilität eine entscheidende Rolle spielt) sowie mit dem Aufbau einer niedersächsischen Wasserstoffwirtschaft und der Transformation der niedersächsischen Wirtschaft hin zur Klimaneutralität befasse. An vielen Stellen erfolgt eine enge Zusammenarbeit mit dem derzeit CDU-geführten Nds. Wirtschaftsministerium.

Kurz zur Ausgangslage: In Deutschland gibt es derzeit rund 45 Millionen Pkw. Diese hohe Zahl schlägt sich in Staus auf Autobahnen, verstopften Innenstädten und mit parkenden Autos blockiertem, öffentlichem Raum nieder. Auch das Klima wird belastet: Etwa ein Viertel der europäischen Treibhausgasemissionen werden vom Verkehrssektor produziert. Neben dem Treibhausgasausstoß sind auch die Luftschadstoff- und Lärmemissionen ein großes Problem insbesondere für viele Städte geworden. Vor allem Dieselmotoren verursachen giftige Feinstaub-, Ruß- und Stickstoffdioxidemissionen und tragen zur Bildung des ebenfalls gesundheitsgefährdenden bodennahen Ozons bei. Um die gesteckten Klimaziele erreichen zu können, müssen die Emissionen in hohem Maße reduziert werden. Zielführend ist es, bei zukünftigen modernen Mobilitätskonzepten grundsätzlich weniger auf das Auto zu setzen. Aber auch die Elektromobilität kann und muss bei der Mobilität der Zukunft – neben dem Aufbau neuer Verkehrsinfrastrukturen (Busse, Bahnen, Fahrradinfrastruktur) insbesondere im ländlichen Raum natürlich einen wesentlichen Beitrag leisten.

Elektromotoren sind nicht nur energieeffizienter als Verbrennungsmotoren, weil sie einen größeren Teil der eingesetzten Energie in Vortrieb umwandeln, sie sind auch deutlich leiser und schadstoffärmer unterwegs. Dies gilt sowohl für Fahrzeuge, die von einer Batterie angetrieben werden, als auch für solche, die mit der Brennstoffzellentechnologie unterwegs sind.

Elektromobilität macht grundsätzlich nur dann Sinn, wenn die eingesetzte Energie aus erneuerbaren Quellen stammt und nicht etwa aus einem Kohlkraftwerk gespeist wird, das die Emissionen lediglich verlagern würde. Für mich ist daher klar: Wir brauchen den weltweiten Umstieg auf Elektrofahrzeugtechnik, um den CO2-Ausstoß im Verkehrsbereich bis zum Jahr 2050 (oder besser früher) fast vollständig reduzieren zu können. In Deutschland können wir - wie viele andere europäische Länder auch – absehbar deutlich schneller umsteigen.

Zu batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen und deren von Ihnen angesprochenen Umweltbilanz: Wie umweltfreundlich Verkehrsmittel sind, hängt von einer Vielzahl an Faktoren ab. Treibhausgase, Luftschadstoffe und der Energieaufwand für Produktion, Nutzung und Recycling eines Fahrzeuges fließen mit ein. Generell gilt: Je kleiner das Auto und je sauberer der Strom umso besser die Umweltbilanz. E-Autos schneiden jedoch deutlich besser ab als Fahrzeuge mit Verbrennermotor. Ein aktuelles E-Auto im Golf-Format, Batterie in Nordeuropa produziert und mit Sonnenstrom betrieben, spart über seine Lebenszeit gegenüber einem vergleichbaren Benziner 80 Prozent der CO2-Emissionen ein. Und dies lässt sich bei der derzeit festzustellenden Technologieentwicklung – dank hoher Ingenieurskunst - weiter steigern.

Sie haben des Weiteren den notwendigen Abbau von Rohstoffen für Batterien angesprochen. Die Herstellung von Batterien, ob nun für Laptops, Smartphones oder E-Autos verbraucht eine Reihe an Rohstoffen: vor allem Aluminium, Kobalt, Nickel, Mangan, Kupfer, Lithium und Graphit. Deren Abbau hat in der Tat weitreichende soziale und ökologische Konsequenzen. In Chile etwa erfolgt der Lithiumabbau unter starkem Wassereinsatz (Verdunstung) in ohnehin sehr trockenen Gebieten und das oft in Konflikt mit und zu Lasten der lokalen Bevölkerung. Fast die Hälfte der globalen Kobaltproduktion stammt aus der politisch instabilen Demokratischen Republik Kongo. Schlechte Arbeitsbedingungen, Kinderarbeit und saure Grubenwasser sind nur ein paar der dort auftretenden Probleme. Der Nickelabbau führt in Kanada und Russland zu saurem Regen und Biodiversitätsverlust. Der Grafitabbau in China belastet mit Staubemissionen die Gesundheit der Bevölkerung und Gewässer.

Eine Rohstoffproblematik bei Elektroautos ist also gegeben. Allerdings führt auch die Erdöl- und Platinförderung für Verbrenner zu massiven sozialen und ökologischen Problemen. Für die Ressourcengewinnung und die Produktion der Batterien müssen daher sehr hohe Umwelt- und Arbeitsstandards gelten. Dabei sind insbesondere der Gesetzgeber und die Automobilindustrie gefragt. Kombiniert mit einem guten Recyclingsystem lässt sich der ökologische Fußabdruck zunehmend minimieren. Im Gegensatz zum Rohöl, haben oben genannte Materialien den Vorteil, zu einem Großteil recycelbar zu sein. Irgendwann ist für den weltweiten Bedarf und dem zukünftigen Rohstoffkreislauf ausreichend Rohstoff abgebaut. Schon heute gibt es Verfahren, mit denen sich über 90 Prozent einer Lithium-Ionen Batterie recyclen lassen, wodurch sich der Bedarf an Rohstoffen für die Batterieproduktion deutlich reduziert. Dass Recyclingverfahren für Lithium-Ionen-Akkus bisher nur selten großtechnisch eingesetzt werden, liegt an der relativ geringen Menge von Batterieschrott. Entsprechende Vorgaben seitens der Politik vorausgesetzt, wird es zu einer besseren Infrastruktur für das Recycling von gebrauchten Elektroauto-Batterien kommen, sobald Elektroautos einen höheren Marktanteil haben. Und der ist – da werden Sie mir zustimmen – in den nächsten Jahren absehbar. Die Möglichkeiten des Batterierecyclings machen die Vorteile des E-Autos besonders deutlich. Über die Lebenszeit eines Autos verbraucht ein Verbrenner etwa 17.000 Liter Treibstoff. Übereinandergestapelt wären Ölfässer mit dieser Menge 25 Stockwerke hoch. Bei einem E-Auto bei dem die Recyclingmöglichkeiten vollausgeschöpft werden, gehen gerade einmal 30 Kilogramm an Rohstoffen verloren.

Noch einmal zu den Brennstoffzellen: Brennstoffzellen wandeln Wasserstoff durch chemische Reaktion mit Sauerstoff zu Wasser um. Dabei wird elektrische Energie frei, die – wie gesagt - einen Elektromotor antreibt. Die von den Autobauern seit vielen Jahren als Zukunftstechnologie angepriesene Brennstoffzelle erzeugt daher beim Autofahren keine Emissionen. Während deutsche Hersteller nach wie vor funktionierende Prototypen in Pkw-, Transporter- und Busflotten testen, haben Toyota und Hyundai in 2015 jeweils ein Brennstoffzellenauto in den Markt gebracht. Doch insbesondere die Technik, um Wasserstoff herzustellen, ist heute noch sehr aufwendig und teuer. Auch ist unklar, mit Hilfe welcher Energie Wasserstoff in großen Mengen aus Wasser hergestellt werden soll. Aus Umweltsicht macht auch hier nur regenerativ erzeugter Strom Sinn. Der Ausbau der erneuerbaren Energie muss auch aus diesem Grunde weltweit vorangetrieben werden. Zudem müsste ein völlig neuartiges Tankstellennetz aufgebaut werden. Die Bundesregierung plant aktuell, zusammen mit der Wirtschaft bis 2025 400 Wasserstofftankstellen zu installieren. Dennoch ist es – wie gesagt - fraglich, ob angesichts der aufwändigen Herstellung von Wasserstoff und der hohen Kosten für Infrastruktur und Brennstoffzelle die Technik kurz- bis mittelfristig marktfähig wird. Werden zur Gewinnung von Wasserstoff fossile Brennstoffe eingesetzt und CO2 ausgestoßen, ist die CO2-Bilanz allemal dahin. Da derzeit noch nicht genügend erneuerbare Energien für Wasserstoff, welches zur flächendeckenden Mobilität eingesetzt werden würde, zur Verfügung stehen, muss der heute und in den nächsten Jahren produzierte knappe „grüne“ Wasserstoff in erster Linie für wichtige industrielle Produktionsverfahren, bei der Stahlherstellung und als Kraftstoff insbesondere dort, wo eine Elektrifizierung nicht sinnvoll oder nicht möglich ist, eingesetzt werden. Zusammen mit CO2 lässt er sich zudem in andere klimafreundliche Kraftstoffe umwandeln, die LKWs, Schiffe und Flugzeuge antreiben.