Frage an Jens Kerstan von Christoph M. bezüglich Energie
Sehr geehrter Herr Kerstan,
wie stellt sich ein Politiker der GAL-Fraktion die Energieversorgung in 20 oder 30 Jahren vor? Aus dem Wahlprogramm geht hervor, dass Subventionen für Kohle eingefroren und auf Atomkraft, wie bekannt, ganz verzichtet werden soll. Die Förderung regenerativer Energien (hier: Windkraft) hat in den letzten Jahren eher dazu geführt, dass sich ganze Landstriche im Land radikal verändert haben. Steht Ihre Politik auch weiterhin für diese massiv negative Beeinflussung von Umwelt, Raum und Mensch?
In einem Land, welches mit die höchsten Enegerie-Verbrauswerte weltweit verzeichnet und dessen Volkswirtschaft gerade in wirtschaftlich schwachen Zeiten auf günstige Energiequellen angewiesen ist, wollen Sie Energieunternehmen den Import von Atomstrom bis 2012 untersagen? Wie wollen Sie dann verhindern, dass die wirtschaftliche Attraktivität des Standortes Deutschland nicht noch weiter absinkt? Gerade Ihnen als Hamburger Bürgerschaftsabgeordneter sollte doch bekannt sein, was passieren kann, wenn Energie teurer und teurer wird.
Sehr geehrter Christoph Menke,
vielen Dank für Ihre Frage.
Die Energiepreise sind eine sehr wichtige wirtschaftspolitische Frage. Wie Sie zurzeit täglich erleben können, steigen die Preise für Öl, Kohle und Gas rasant an. Da die Milliardenvölker in Indien und China erst am Anfang ihrer wirtschaftlichen Entwicklung stehen, wird deren zusätzliche Nachfrage bei begrenztem Angebot zu weiterhin stark steigenden Preisen führen. Um dieser Preisspirale entkommen zu können, sind Erneuerbare Energien aber auch Energieeinsparung und neue Techniken, die die Energieeffizienz von elektrischen Geräten steigern, unverzichtbar. Im Gegensatz zu den fossilen Energien sinken die Preise für Erneuerbare Energien seit Jahren kontinuierlich, so dass sie in wenigen Jahren billiger sein werden als die kontinuierlich ansteigenden Kosten fossiler Energien.
Wir Grünen stehen deshalb auch weiterhin hinter der Förderung regenerativer Energiequellen und unter anderem auch durch Windkraftanlagen. Windenergie ist sauber, unbegrenzt verfügbar und derzeit die billigste und effektivste der erneuerbaren Energien. Etwa 7,5 Millionen Haushalte können mit den 23 Milliarden Kilowattstunden, die diese WKA produzieren, versorgt werden. Das Ziel der rot-grünen Bundesregierung ist es, den Beitrag der sauberen Energien aus Wind, Wasser, Sonne, Biomasse und Erdwärme zu unserer Energieversorgung bis zum Jahr 2010 zu verdoppeln. 2050 sollten die erneuerbaren Energien dann mindestens die Hälfte des gesamten deutschen Energiebedarfs stellen. Auch die Arbeitsplatzentwicklung im Bereich der erneuerbaren Energien ist positiv: mehr als 130.000 neue Arbeitsplätze, rund 40.000 allein bei der Windenergie, sind entstanden. Von dieser Entwicklung profitieren vor allem die Bundesländer an der Nord- und Ostseeküste und die neuen Bundesländer. Auch der volkswirtschaftliche Nutzen der Windkraft ist enorm. Man kann diese eingesparten Kosten auch auf den einzelnen Haushalt umrechnen, denn für Umweltschäden muss ja letztlich immer der Steuerzahler aufkommen. Der Ökokostrom kostet einen Haushalt durchschnittlich einen Euro im Monat, also 12 Euro im Jahr. Dafür spart jeder Haushalt 65 Euro jährlich, weil Windenergie Schäden vermeiden hilft.
Die aktuell steigenden Strompreise werden nicht durch den Ausbau Erneuerbarer Energien oder die Ökosteuer verursacht, sondern von den großen Stromkonzernen, die ihr örtliches Netzmonopol durch ungerechtfertigte Preiserhöhungen ausnutzen. Die Hamburger Aluminiumwerke sind von der Ökosteuer ausgenommen und müssen pro Jahr nur 2 Mio. Euro EEG-Umlage zahlen. Dagegen will Vattenfall/HEW plötzlich von den Hamburger Aluminiumwerken jedes Jahr 20 Mio. Euro mehr für die Stromlieferungen haben. Die neue Wettbewerbsbehörde wird zukünftig durch Regulierungen diese ungerechtfertigten Preiserhöhungen durch die Konzerne unterbinden und damit unsere Wirtschaft vor zu hohen Energiepreisen schützen.
Die Industrieländer verfeuern weiterhin ungeheure Mengen von Kohle, Erdöl und Erdgas. Dabei werden bekannter weise Gase freigesetzt, die langfristig dafür verantwortlich sind, dass die Durchschnittstemperatur der Erde erhöht. Ergebnis ist dann der Klimawandel mit Naturkatastrophen, wie wir sie immer häufiger und gerade dramatisch in New Orleans erleben. Erneuerbare Energien haben das Potenzial, unseren enormen Energiebedarf zu befriedigen. Dass sie noch so wenig genützt werden, liegt nur daran, dass sie bislang teurer sind als Energie aus Uran, Kohle, Öl und Erdgas. Langfristig wird es umgekehrt sein, denn nach heutigen Schätzungen sind in wenigen Jahrzehnten alle diese Vorräte aufgebraucht. Deshalb ist es so wichtig, schon jetzt auf ihren Ersatz hinzuarbeiten. Generell ist ein Energie-Mix aus Windrädern, Wasserkraft, Solaranlagen, Biomasse-Kraftwerken mit Kraft-Wärme-Kopplung und Erdwärme anzustreben.
Auch wir wollen keine radikale Veränderung von Landstrichen. Eine Möglichkeit, Windkraftanlagen auszulagern, ist die Offshore-Windenergie. Grundsätzlich müssen Windenergieanlagen mindestens einen halben Kilometer von ländlichen Siedlungen entfernt stehen. Die Bundesländer und die Landkreise können außerdem in ihren Raumordnungsplänen festlegen, welche Gebiete für Windparks geeignet sind und welche nicht. Außerdem können die Gemeinden Pläne aufstellen und so bestimmen, wo Windenergieanlagen gebaut werden dürfen und wo nicht. Das so genannte Repowering, bei dem viele kleine Windräder durch wenige moderne mit größerer Leistung ersetzt werden, wird zukünftig die Anzahl der Windräder an Land reduzieren.
Den Wiedereinstieg in die Atomenergie, wie ihn Union und FDP als Wahlkampfthema und "Lösung" für hohe Energiepreise propagieren, lehnen wir strikt ab. Längere Laufzeiten erhöhen die Risiken und den Atommüll, verhindern dabei die notwendigen Investitionen in erneuerbare Energien, in effiziente Technologien und innovative Energieleistungen. Das schadet dem Klimaschutz und auch dem Arbeitsmarkt, denn die voll abgeschriebenen Atomkraftwerke sind praktisch Gelddruckmaschinen, mit der die anderen Energieformen nicht konkurrieren könnten. Eine Verlängerung der Laufzeit bedeutet dabei keinesfalls geringere Preise für die Kunden, sondern ein Milliardengeschenk an die großen Stromkonzerne, die schon längst angekündigt haben, nach einer Laufzeitverlängerung für AKW die Strompreise nicht zu senken. Die CDU-Pläne sind damit schon jetzt gescheitert. Die Atomenergie ist und bleibt eine Risikotechnologie, die sich unser Land und die Welt nicht leisten kann. Darum muss es beim Atomausstieg und der Energiewende - Weg vom Öl und hin zu Erneuerbaren Energien - bleiben.
Mit freundlichen Grüßen
Jens Kerstan