Frage an Jens Kerstan von Andre P. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Kerstan,
nach den heutigen Pressemeldungen sollen Eltern nach der 6.Klasse entscheiden können, ob sie ihr Kind auf ein Gymnasium schicken, auch wenn es keine Empfehlung für ein Gymnasium hat. Allerdings sollen diese Kinder ein Probejahr auf dem Gymnasium absolvieren und bei nicht entsprechender Leistung wieder abgeschult werden. Im Extremfall kann es dazu kommen, dass Kinder mit gleichen Leistungen, aber unterschiedlichen Empfehlungen, ungleich behandelt werden und damit eine Zweiklassengesellschaft in den Gymnasien installiert wird.
Wie gedenken sie diese Ungleichbehandlung als Mitglied einer Partei, die gleiches Recht für alle fordert, zu verhindern?
Wieso muten sie gerade den Eltern und Kindern ein Jahr der Ungewissheit und Ungleichbehandlung zu, die den Mut haben, trotz fehlender Empfehlung auf ein Gymnasium zu gehen, obwohl bisher eindeutig nachgewiesen wurde, das ein großer Teil der Empfehlungen von Grundschulen falsch sind?
Wie sollen Eltern dieser Kinder abschätzen könne, welche Leistungen ihr Kind hat, da ja die Zensuren in Klasse 7 abgeschafft werden sollen, andererseits aber eine 5 in einem Hauptfach eine Abschulung nach sich zieht?
Desgleichen würde mich interessieren, wie sie zur beachsichtigten Abschaffung der Vorschulen stehen, die ursprünglich als ein wesentlicher Bestandteil der Primarschulen propagiert wurden?
Sehr geehrter Herr Prange,
vielen Dank für Ihre Frage. Bitte entschuldigen Sie die verzögerte Antwort.
Am 3. März 2010 wurde über die Änderung des Hamburgischen Schulgesetzes abgestimmt. Danach sieht das neue Gesetz für das Elternwahlrecht Folgendes vor:
Das Elternwahlrecht, das bisher nach der vierten Klasse gilt, wird für die Primarschule in gleicher Form nach der sechsten Klasse eingeführt. Die Sorgeberechtigten entscheiden nach der Laufbahnempfehlung der Primarschule und nach eingehender fachlich-pädagogischer Beratung, welche Schulform das Kind anschließend besuchen soll.
Am Ende der siebten Klasse des Gymnasiums entscheidet dann - entsprechend der bisherigen Praxis am Ende der sechsten Klasse - die Zeugniskonferenz über den Verbleib auf dem Gymnasium. Die Entscheidung erfolgt ohne Unterschied zwischen Schülerinnen und Schülern mit und ohne Gymnasialempfehlung. Die flächendeckende Einführung der Primarschule erfolgt verbindlich in drei Schritten: 2010 beginnen die Starterschulen, 2011 folgen alle Schulen, deren Gremien der Einführung nicht widersprechen und 2012 folgen alle übrigen Primarschulen. Insofern haben die Sorgeberechtigten bis zum Schuljahr 2011/12 auch das Wahlrecht nach der vierten Klasse über den Besuch der weiterführenden Schule. Bis dahin werden nach Bedarf an Gymnasien und Stadtteilschulen fünfte Klassen eingerichtet werden.
Die Vorschulen werden nicht abgeschafft. Im Gegenteil: Im Schuljahr 2009/10 werden rund 800 Kinder mehr als im Vorjahr eine Vorschulklasse besuchen, was gut zur Hamburger Schuloffensive passt. Und auch die Noten in der siebten Klasse werden nicht abgeschafft.
Mit freundlichen Grüßen,
Jens Kerstan