Frage an Jan Lüdtke-Reißmann von Mark K. bezüglich Finanzen
Hallo Herr Reissmann,
ich habe Ihre Antwort zum Thema Geldschöpfung von Georg S. gelesen. Da mich das Thema umtreibt interessiert mich Ihre Meinung und der Standpunkt der Piratenpartei. Ich sehe unser aktuelles Geldsystem als sehr problematisch an, auch wenn ich kein Anhänger des sogenannten "Vollgeldes" bin. Ich möchte doch gerne noch einmal nachhaken. Ihre Antwort auf die Frage:
"4. Ist Ihnen bekannt, dass der größte Teil des von uns verwendeten Geldes (das Giral- geld) durch private, gewinnorientierte Banken erzeugt und in Umlauf gebracht wird und nicht wie von den meisten Menschen vermutet durch staatliche Organe und dass diese Praxis auch von der Deutschen Bundesbank so bestätigt wird?"
war:
"Zu 4.) Gestatten Sie mir, dass ich widerspreche. Das Giralgeld wird und kann nicht in den Umlauf gebracht werden. Es ist ein Recht auf Auszahlung zu Gunsten eines Kunden. Es entsteht durch Einlage von Zentralbankgeld und wird (stark vereinfacht) im Rahmen von Kreditvergaben durch die Geschäftsbanken vermehrt. Sie vermengen erneut Geld und Zahlungsmittel."
Hier würde ich gerne mal Ihre Definition von "Geld" und "Zahlungsmittel" hören. Faktisch ist das durch die Kreditvergabe privater Banken entstandene Giralgeld doch ein genau so gültiges Zahlungsmittel wie Geld das direkt von der Zentralbank kommt. Man kann damit im gleichen Maße Dienstleistungen in Anspruch nehmen oder Waren kaufen. Die Geldmenge M1 enthält per Definition genau diese Zahlungsmittel, insofern ist es richtig von einer Vermehrung der Geldmenge zu sprechen. Oder wie sehen Sie das?
Abschließend bleibt bei mir die Frage ob es innerhalb der Piratenpartei Konsens ist dass unser Geldsystem so wie es beschaffen ist gut ist und so weiterhin bestehen soll. Falls es so ist erlauben Sie mir die Frage mit welchen Ansätzen sie sich vorstellen die Finanz- Euro- und Schuldenkrise zu lösen.
Vielen herzlichen Dank,
Mark Kessler
Hallo Herr Kessler,
vielen Dank für Ihre Nach-Frage zu meiner Antwort an Herrn Sohn.
Ich denke nicht, dass es notwendig ist, dass ich Geld und Zahlungsmittel an dieser Stelle definiere, dafür gibt es http://wirtschaftslexikon.gabler.de/ und wenn das nicht hilft, kann man die einschlägigen Suchseiten bemühen.
In der vorangegangenen Frage von Georg Sohn hatte ich, wie beschrieben, den Eindruck gewonnen, dass die beiden Begriffe synonym verwendet wurden und dadurch ein Missverständnis entstanden ist. Es entstand in dieser vorangegangenen Frage der Eindruck, Banken könnten „ihr“ Giralgeld bei einer Zentralbank in physische Zahlungsmittel umwechseln. Dies ist nicht möglich.
Das sich durch die Kreditvergabe der Banken die verschiedenen Geldmengen verändern, ist hinlänglich bekannt.
Mit der Fragestellung des Geldsystems beschäftigen sich unter anderem die Sozialpiraten http://sozialpiraten.piratenpartei.de/ . Von Konsens, dass das ..“unser Geldsystem so wie es beschaffen ist gut ist“.. oder schlecht ist, kann man aus meiner Sicht noch nicht sprechen. Fakt ist, dass sich die Piratenpartei als einzige Partei von der Idee des stetigen Wachstums verabschiedet hat und damit die Möglichkeit der Geldvermehrung über Kreditvergabe zumindest in Frage gestellt hat.
Zu Ihrer Frage zur Finanz- und Schuldenkrise: Ich bin der Auffassung, dass diese Krise nicht gelöst werden kann, es ist allenfalls eine Abmilderung möglich. Es gilt zu erkennen, dass uns die Arbeit ausgeht und wir Wege finden müssen, die Arbeit anders zu verteilen um den Lebensstandart aller halten zu können. Hierbei ist aus meiner Sicht, und auch aus der Sicht der Piratenpartei, dass bedingungslose Grundeinkommen ein möglicher und auch gangbarer Weg. Parallel dazu muss die Möglichkeit der Schuldenaufnahme der verschiedenen Ebenen der Staaten weit stärker begrenzt werden, als es die viel besungene Schuldenbremse kann. Ein Ausschließlicher Blick auf Einsparungen, so wie es heute praktiziert wird, findet ausschließlich auf dem Rücken von Arbeitnehmern und Kleinunternehmern statt und zerstört die Kaufkraft der Masse der Bevölkerung. Die Finanz- und Schuldenkrise ist jedoch mit Nichten eine Eurokrise. Der Geburtsfehler der Währungsunion des Euro ist die nicht vorhandene Sozial- und Fiskalunion. Hier gilt es Änderungen herbei zu führen, und nicht durch einen vergangenheitsorientierten Blick auf historische Währungen in Deutschland. Das ändert nichts. Man könnte auch den Eindruck gewinnen, es handelt sich um dümmlichen Populismus.
Ich hoffe, ich konnte Ihre Frage zu Ihrer Zufriedenheit beantworten
mit freundlichem Gruß
Jan Lüdtke-Reißmann