Wann wird im Verfassungsschutzbericht zu Rechten Straftaten zwischen Gewalttaten, Tragen und Zeigen von Verfassungsfeindlichen Symbolen sowie Leugnung unterschieden und dementsprechend veröffentlicht?
Sehr geehrter Herr Lehmann,
bei den jährlich veröffentlichen Verfassungsschutzberichten zu Rechten Straftaten werden alle Straftaten als Gesamtergebnis aufgeführt. Dabei wird nicht unterschieden das eben nicht alle Straftaten Gewalttaten sind. Das Tragen und Zeigen verfassungsfeindlicher Symbole, darunter befinden sich selbst Zahlenkombinationen, fließen in das Gesamtergebnis ein. Wo hingegen bei Linken Straftaten nur Gewalttaten aufgeführt werden. Somit wird der Bürger meines Erachtens getäuscht und diese Verfassungsschutzberichte stellen ein falsches Bild dar.
Mit freundlichem Gruss
Ingo H.
Sehr geehrter Herr H.,
vielen Dank für die Frage. Das Thema "politisch motivierte Kriminalität" ist auch immer wieder Thema im Verfassungsschutzausschuss. Unter anderem hier: https://www.youtube.com/watch?v=Q9kBHTbAScM und hier https://www.youtube.com/watch?v=swGmwX8PMU8
Der Verfassungsschutz führt keine explizite Statistik über Gewalttaten, sondern gibt nur Schätzungen über die Personen im jeweiligen Spektrum ab. Zudem versucht er im Bericht eine Einschätzung über die Gefahr zu geben, die für unsere freiheitlich demokratische Grundordnung besteht. Dabei kann Gewalt eine Rolle spielen, muss aber nicht. Es gibt Kräfte, wie der nicht gewaltorientierte sogenannte legalistische Islamismus, die unseren Grundwerten feindlich gegenüberstehen und gegen diese vorgehen, ohne dabei auf Gewalt zu setzen. Einschätzung des Berliner Verfassungsschutzes ist es dabei, dass vom Rechtsextremismus die größte Gefahr für unsere Demokratie ausgeht. Was natürlich nicht bedeutet, dass man bei anderen Arten von Extremismus weniger wachsam sein sollte.
Ein anderer Blickwinkel ist die Betrachtung der Kriminalität: Politisch motivierte Gewalttaten werden von der Polizei in der Kriminalstatistik erfasst (https://www.berlin.de/polizei/verschiedenes/polizeiliche-kriminalstatistik/). Lassen Sie mich dazu etwas ausführen (da auch bei uns im Ausschuss darüber sehr kontrovers gestritten wurde).
Zuerst muss einem bewusst sein, dass hier naturgemäß nur Straftaten erfasst werden, von denen die Polizei erfährt und sie politisch zu ordnen kann – die Wirklichkeit wird damit nicht perfekt abgebildet.
Die aktuellsten Zahlen aus dem Jahr 2022 sind:
- für Straftaten allgemein aus dem linksextremen Spektrum gefallen (von 1525 auf 958); 308 waren dabei Fälle im Kontext der „Letzten Generation“
- im rechtsextremen Spektrum leicht gestiegen (2089 auf 2189)
- für Gewaltdelikte von links stark gefallen (von 394 auf 124) und sind jetzt geringer als die von rechts – die Jahre zuvor war es andersherum
- für Gewaltdelikte von rechts ebenfalls leicht gesunken (von 155 auf 138)
- Dazu gab es zwei Fälle im Bereich Terrorismus von rechts
Jetzt ist das noch nicht das ganze Bild. Denn, wie sie richtigerweise fragen, kommt es für die Bewertung natürlich auch drauf an, welche Straftaten das genau sind.
Von den 124 Gewaltdelikten mit linker Motivation waren 56 Körperverletzungen und 43 sogenannte Widerstandsdelikte. Letztere sind dabei unter anderem der „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ – das könnte zum Beispiel bedeuten, dass sich jemand gegen die Verhaftung wehrt, in dem er sich irgendwo festhält oder auch die Beamten bedroht oder angreift. Dazu kommen 11x Landfriedensbruch, 8x Brandstiftung und 6 Verkehrsgefährdungen.
Von den 138 rechten Gewalttaten fielen 119 auf den Straftatbestand Körperverletzung und 12 auf Widerstandsdelikte. Dazu kamen 5 Brandstiftungen und 2 Erpressungen.
Für das letzte Jahr gab es also mehr Gewaltdelikte und darunter mehr Körperverletzungen von rechts als von links in Berlin.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen helfen, auf Basis der aktuellen Zahlen sich ein eigenes Bild zu machen.
Meine Meinung ist klar: Die Polizei muss gegen jede Gewalt vorgehen, egal ob von Links oder Rechts. Der Verfassungsschutz muss jede Bedrohung für unsere Demokratie beobachten und vor Gefahren warnen. Momentan geht die größte Gefahr vom Rechtsextremismus aus. Da sich in der AfD selbst auch zunehmend rechtsextreme Kräfte ausbreiten und an Kraft gewinnen, sind diese auch politisch am gefährlichsten und am nächsten dran, ihre verfassungsfeindlichen Ziele zu verwirklichen. Während der Berliner AfD-Landesverband lange Zeit als moderat galt, setzen sich auch hier zunehmende extremistische Kräfte durch.
Melden Sie gerne bei weiteren Fragen bei mir.
Mit freundlichen Grüßen
Jan Lehmann