Frage an Ingo Gädechens von Manfred E. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Sehr geehrter Herr Gädechens!
Ich beziehe mich auf meine Frage vom 18. Februar 2020, auf die sie mir freundlicherweise sehr ausführlich geantwortet haben.
Schon von anderen Abgeordneten habe ich ähnlich klingende Antworten bekommen, aus dem Mund betroffener Forsche klingt das aber ganz anders.
So schrieb mir, mit der Erlaubnis der Weiterleitung
Prof. Dr. Volker Quaschning - Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Berlin
Lieber Herr Ehmke,
danke für die Mail und das Engagement.
Es ist in der Tat so, dass die Regierung Gelder für "Reallabore" erweitert hat. Das sind sehr teure Vorzeigeobjekte, bei denen das Geld auch zu größeren Teilen an große Industrieunternehmen geht. Hier wird das Geld meist nicht sonderlich effektiv eingesetzt. Auf der anderen Seite wurden die Gelder für die bislang sehr erfolgreiche Energiewende-Projektforschung massiv zusammengestrichen. Diese Gelder gingen in der Vergangenheit zu großen Teilen an Hochschulen und Forschungseinrichtungen, also genau die Stellen, an denen sich der Protest von Scientists For Future formiert hat. Nach außen kann die Regierung sich in der Tat hinstellen und sagen, die Summen haben sich doch gar nicht so groß verändert. In der Praxis wird den aktiven Energiewendeforschern aber das Wasser abgegraben und die Qualität der Energiewendeforschung in Deutschland so massiv gesenkt.
Viele sonnige Grüße
Volker Quaschning
und Herr Dr. Harald Drück vom Institut für Gebäudeenergetik, Thermotechnik und Energiespeicherung – Uni Stuttgart schreibt mir dazu:
Wir kritisieren, dass die „Finanzmittel für die angewandte Energieforschung für die nächsten drei Jahre drastisch gekürzt" wurden.
Richtig ist, dass die Finanzmittel für die Reallabore deutlich erhöht wurden.
Allerdings sind „angewandte Energieforschung" und „Reallabore" sowohl vom Forschungscharakter her als auch von der Art der Administration der Fördermittel zwei völlig verschiedene Dinge!
Forschungscharakter: Reallabore dienen primär der Demonstration bereits verfügbarer Technologien. Wenn hier überhaupt noch Forschung stattfindet, dann im Hinblick auf Systemintegration, Nutzerverhalten und ähnliches. Die Entwicklung neuer Technologien findet in Reallabor-Projekten (fast) nicht statt.
Administration der Fördermittel: Für die Reallabore gab es bisher etwa einmal im Jahr eine Ausschreibung. Diese hatte jeweils einen speziellen Fokus. Bei der letzten Ausschreibung z. B. „Sektorkopplung und Wasserstofftechnologien", „Großskalige Energiespeicher im Stromsektor" und „Energieoptimierte Quartiere".
Eine Förderung für ein Unternehmen oder eine Uni bzw. Hochschule war nur dann möglich, wenn man Teilnehmer eines großen Konsortiums war, dass einen entsprechende Antrag gestellt hat.
D. h. so wie die Reallabor-Förderung bisher konzipiert ist, die Durchführung eines angewandten Forschungsprojekts nur dann möglich, wenn folgende zwei Voraussetzungen erfüllt sind: Das Thema des Forschungsprojekts muss in der Ausschreibung für die Reallabore explizit genannt sein und der potenzielle Fördermittelempfänger muss Mitglied des Konsortiums sein, dass ich um das RealLabor-Projekt bewirbt.
Die insbesondere für den Mittelstand (MKUs) und Unis bzw. Hochschulen wichtige Förderung von „kleinen" Projekten zur Technologieentwicklung ist somit im Rahmen von Reallaboren quasi unmöglich. Denn es wird nur immer ein sehr kleiner Bruchteil der insgesamt im 7. Energieforschungsprogramm bzw. der entsprechenden Förderbekanntmachung des BMWi erwähnten Themen bei den RealLabor-Calls aufgerufen.
Außerdem gibt es gegenwärtig z. B. auch gar keinen RealLabor-Call!!
D. h. eine Beantragung von Förderprojekten im Rahmen von RealLaboren ist gegenwärtig gar nicht möglich. Im Gegensatz dazu können auf Basis der Förderbekanntmachung des BMWi zum 7. EFP kontinuierlich Anträge bzw. Skizzen eingereicht werden – nur sind jetzt eben fast keine Projektförderungen aufgrund der stark gekürzten Verpflichtungsermächtigungen möglich.
Fazit: Wichtig ist, dass die Verpflichtungsermächtigungen zumindest wieder auf das ursprüngliche Niveau angehoben werden, so dass wieder eine Vielzahl von angewandten Forschungsprojekten zwischen der Industrie, insbesondere KMUs und Unis bzw. Hochschulen gefördert werden können. Denn insbesondere die Ergebnisse dieser Projekte haben die globale Technologieführerschafts Deutschlands im Bereich der Energietechnik ermöglicht. Außerdem sind die Ergebnisse dieser Projekte auch zwingend notwendig, damit die Energiewende unter technologischen Aspekten gelingen kann.
Soweit meine Stellungnahme. Gerne kannst du die auch weiterleiten.
Viele Grüße,
Harald
Und so, die Fragen:
"Warum werden in Zeiten des Klimawandels die Gelder für angewandte Forschung gekürzt?"
"Warum wird die Industrie großzügig bedacht, und den Universitäten das Wasser abgegraben?"
Liebe Grüße
Manfred Ehmke
für Parents for future Eutin
Sehr geehrter Herr E.,
gerne beantworte ich auch Ihre erneute Nachfrage zum Thema Energieforschung.
Dass die Personen, die von einer Mittelumschichtung negativ betroffen sind, diese Umschichtung nicht gutheißen, ist nach meinem Empfinden nicht verwunderlich. Es bleibt allerdings bei meiner Aussage der vorherigen Antwort: Entscheidend ist, die Systematik des Bundeshaushaltes zu verstehen und sich nicht auf einen einzigen Titel des Haushaltes zu fokussieren. Bei richtiger Interpretation der Beratungsergebnisse gab es keine Kürzung bei der Energieforschung. In den kommenden Jahren werden die diesbezüglichen Mittel auf hohem Niveau, so die aktuelle Planung, verstetigt.
Mit dem Klimaschutzpaket ist eine ungeheure finanzielle Kraftanstrengung des Bundes einhergegangen. Die Mittel - insbesondere im einschlägigen sogenannten Energie- und Klimafonds (EKF) - sind in hoher Milliardenhöhe gestiegen. Der Bund kommt damit seiner Verantwortung gerade auch im Bereich der Energieforschung nach.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Ingo Gädechens