Frage an Ingo Gädechens von Jens H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Gädechens,
ich habe Fragen zur EU-Saatgutverordnung (siehe Link unten). Warum greift die EU gegen die Interessen der Bürger in die Saatgutverordnung ein und dient damit einzig der Saatgutlobby? Man kann ein bösartiges Verhalten der EU erkennen, wenn man sich ansieht, wie sie die totale Kontrolle über das Saatgut zu erringt. Mit der sogenannten Saatgutverordnung will die EU vorschreiben, was wir anpflanzen und damit was wir essen dürfen. Nahrung ist lebenswichtig! Wissen Sie, warum die EU will, dass uns Konzerne vorschreiben, was gegessen werden darf? Gibt die EU nicht mit der Saatgutverordnung einigen wenigen Konzernen noch mehr Macht und Kontrolle? Wird sich nicht langfristig die Nahrungskette monopolisieren und das gesamte Saatgut Konzernen gehören und ist dann nicht die Bevölkerung diesen Konzernen ausgeliefert.
Auch wenn für kleinere Saatgutunternehmen vorerst noch Erleichterungen bei der Zulassung geplant sind (die EU behält sich vor, dies jeder Zeit zu ändern), so wird es in Zukunft vermutlich eine minimierte Auswahl von Saatgut geben. Tausende von Jahren durfte die Bevölkerung frei über ihr Saatgut verfügen. Können Sie mir sagen, warum die EU das nun ändern will? Wie stehen Sie zur Saatgutverordnung? Warum wurde die Saatgutverordnung nicht von unseren Volksvertretern gestoppt? Wie kann es sein, dass man sich mit Saatgut strafbar macht, wenn es außerhalb dieses Kontrollsystems verwendet wir?
Sehen Sie einen Sinn darin, dass z. B. Saat für Radieschen durch den Saatguthersteller regelmäßig neu zugelassen (gegen Gebühr und Zeitaufwand) werden muss, auch wenn die Saat schon seit tausenden Jahren angebaut wurde?
Hier der Link:
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/saatgutverordnung-der-eu-tiefschlag-fuer-hobbygaertner-1.1666512
MFG
Jens Helmcke
Sehr geehrter Helmcke,
haben Sie vielen Dank für Ihre erneute Anfrage über das Portal abgeordnetenwatch.de vom 21.Mai 2013. Obwohl ich glaube, dass Sie mit Ihrer EU-spezifischen Frage besser bei einem Mitglied des Europäischen Parlamentes aufgehoben wären, möchte ich Ihnen trotzdem gerne antworten.
Am 6. Mai dieses Jahres hat die EU-Kommission ihren Vorschlag für eine Überarbeitung des EU-Saatgutrechts vorgelegt. Vorausgegangen war ein intensiver Evaluationsprozess der bestehenden Regelungen. In den letzten Wochen haben verschiedene NGOs Behauptungen aufgestellt, wonach es durch die Novellierung des EU-Sortenrechts insbesondere im Bereich der Hobbygärtnerei aber auch bei der wichtigen Erhaltungszucht alter Sorten zu erheblichen Beeinträchtigungen kommen würde. Erlauben Sie mir, nachfolgend Ziel und Ausrichtung des neuen EU-Sortenrechtes kurz darzustellen.
Bislang war das Saatgutrecht in der EU als Richtlinie, also nicht unmittelbar in den Mitgliedstaaten geltend, geregelt. Die deutschen Regelungen haben sich in der Vergangenheit bewährt. Künftig soll das Saatgutrecht EU-einheitlich als Verordnung geregelt und gleichzeitig vereinfacht werden. Eine einheitliche europäische Regelung ist gerade für deutsche Landwirte und Gärtner wünschenswert. Denn auch bei in der EU vermehrtem Saatgut müssen sich Landwirtschaft und Gartenbau auf angemessene Qualitätsstandards verlassen können. Dies gilt im Übrigen in gleichem Maße für den privaten Verbraucher. Ein funktionierendes Saatgutrecht dient also letztlich auch dem Verbraucherschutz.
Wie eingangs erwähnt, gab es bereits vor Veröffentlichung der Kommissions-Vorschläge heftige Kritik von NGOs, die zu erheblicher Verunsicherung bei Hobbygärtnern führte. Kann ich denn künftig noch Saatgut bzw. Vermehrungsmaterial von meinem Nachbarn verwenden, war eine häufig gestellte Frage. Fakt ist: Die Saatgutvorschriften richten sich ausschließlich an professionelle Anwender. Klein- und Hobbygärtner sind hiervon nicht betroffen.
Ein weiterer Kritikpunkt betraf den Anbau alter Sorten. So wurde befürchtet, dass die bislang schon geltenden, vereinfachten Vermarktungsregelungen für alte Sorten (sogenannte Erhaltungssorten) verschärft würden. Auch das ist nicht der Fall. Für alte Sorten, die einerseits wichtig für die Erhaltung von Genressourcen sind, andererseits aber den strengen Ansprüchen der modernen Sortenzulassung nicht entsprechen können, bleiben die vereinfachten Marktzugangsregeln erhalten. Sie werden im Gegenteil nochmals vereinfacht: so soll die Verordnung auch nicht für Vermehrungsmaterial von Erhaltungssorten gelten, wenn sie in Gendatenbanken bzw. von Netzwerken oder Organisationen zum Erhalt genetischer Ressourcen verwendet werden. Darüber hinaus sollen alte Sorten künftig ohne Prüfung auf Unterscheidbarkeit, Homogenität und Beständigkeit registrierbar sein.
Weitere Vereinfachungen im neuen Saatgutrecht betreffen Firmen mit weniger als zehn Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von unter zwei Millionen Euro. Diese sind künftig von der Zahlung der Sortenregistriergebühren befreit. Des Weiteren muss Saatgut, das in sogenannten Nischenmärkten Verwendung findet, keiner zugelassenen Sorte angehören.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion unterstützt die Bundesregierung in dem Ziel, die bestehenden Regelungen zu einem europaweit einheitlich geltenden, vereinfachten Saatgutrecht weiter zu entwickeln. Dabei müssen die in Deutschland bestehenden hohen Qualitätsstandards bei der Vermarktung von modernem Saatgut genauso wie die vereinfachten Regelungen zum Erhalt alter Sorten Bestand haben.
Die Vorstellung der neuen Saatgutregelungen der EU-Kommission bildet den Auftakt für den Abstimmungsprozess zwischen den Mitgliedsstaaten, dem Europäischen Parlament und der EU-Kommission. Aufgrund der Komplexität des Themas ist hier von einem mehrjährigen Verfahren auszugehen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Ingo Gädechens, MdB