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Ingo Gädechens
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Frage von Rainer B. •

Frage an Ingo Gädechens von Rainer B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Gädechens

wie ich gerade einer Tagesschau Meldung entnommen habe hat die Regierung ein Gesetz zum Melderecht im Bundestag beschließen lassen welches den Datenschutz der Bürger extrem verschlechtert:
http://www.tagesschau.de/inland/meldewesen100.html

Der Datenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein, Thilo Weichert, hat dieses Gesetz mit Recht kritisiert.
Mit welcher Begründung wird gewerbsmäßigen Adresshändlern hier Tür und Tor geöffnet alle Daten jederzeit von den Meldeämtern zu beziehen und wieso wird nicht auf die Warnungen und Einwände der Verbraucherverbände und der Datenschützer gehört?
Wenn ich die Diskussionen hierzu im Internet verfolge dann wird hier ein Weg beschritten der dazu führt dass die Menschen zukünftig die Meldepflicht nicht mehr ernst nehmen werden weil sie ihre Daten schützen wollen vor unendlichen Werbefluten.
Können Sie das verstehen?

Auf eine halbwegs sinnvolle Begründung zur Zustimmung bei einem solchen verbraucherfeindlichen Gesetz bin ich gespannt!
Ich werde mich an die Landesregierung wenden um zu erreichen dass dieser Unsinn im Bundesrat noch gestoppt werden kann. Da muss man ja fast froh sein dass jetzt dort die Machtverhältnisse bei rot/grün liegen!

Mit freundlichen Grüßen
Rainer Baack

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Baack,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 4. Juli 2012 über das Portal abgeordnetenwatch.de. Gerne möchte ich Ihnen das Zustandekommen dieses Gesetzes und dessen Intentionen näher erläutern.

Mit dem Gesetz sollte das Meldewesen bundesweit vereinheitlicht und der Datenschutz verbessert werden. Zuvor hatten die Länder in eigener Verantwortung und nach höchst unterschiedlichen Maßstäben das Meldewesen geregelt. Widerspruchsmöglichkeiten gegen die Weitergabe der eigenen Anschrift gab und gibt es bislang nicht in allen Bundesländern - dies sollte fortan durch verschiedene Maßnahmen einheitlich im Bundesmeldegesetz geregelt werden.

Für die künftige Erteilung einer einfachen Melderegierauskunft für Zwecke der Werbung und/oder des Adresshandels sollten folgende Voraussetzungen und Rechtsfolgen gelten:
1. Notwendigkeit der Angabe der Zwecke „Werbung“ und/oder „Adresshandel“, soweit dieser Zweck seitens der die Auskunft begehrenden Stelle verfolgt wird. (§ 44 Absatz 1 Satz 2 BMG).
2. Der betroffenen Person steht ein Widerspruchsrecht zu (§ 44 Absatz 1 Satz 3 1. Halbsatz BMG).
3. Die Meldebehörde hat die Pflicht, die betroffene Person bei ihrer Anmeldung sowie einmal jährlich durch ortsübliche Bekanntmachung auf das Widerspruchsrecht hinzuweisen (§ 44 Absatz 1 Satz 3 2. Halbsatz BMG).
4. Eine Nutzung zu den Zwecken Werbung und Adresshandel ist verboten, wenn dieser Zweck bei der Anfrage nicht angegeben wurde oder wenn die betroffene Person Widerspruch eingelegt hat. Dies gilt nur dann nicht, wenn die Daten ausschließlich zur Bestätigung oder Berichtung vorhandener Daten verwendet werden (§ 44 Absatz 4 BMG). Dabei ist das Merkmal der „Berichtigung“ datenschutzfreundlich auszulegen.
5. Der Verstoß gegen eine solche verbotene Nutzung von Daten aus einer Melderegisterauskunft zum Zwecke der Werbung und des Adresshandels ist bußgeldbewehrt (§ 54 Absatz 2 Nummer 12 i.V.m Absatz 3 BMG).
6. Eine einfache Melderegisterauskunft ist gebührenpflichtig.

Im ursprünglichen Entwurf zum Meldegesetz war eine Einwilligungslösung statt einer Widerspruchslösung vorgeschrieben: Personen, die sich an- oder ummelden hätten einer Weitergabe der Daten ausdrücklich zustimmen müssen. Diese Lösung hätte auch ich als geeigneter empfunden. Allerdings hat mein Kollege Dr. Hans-Peter Uhl als zuständiger Berichterstatter und Innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion diesen Passus verändert, nicht weil er "gewerbsmäßigen Adresshändlern" Tür und Tor öffnen wollte, sondern weil er hohe Bürokratiekosten in den Bürgerämtern befürchtete. (siehe seine Begründung auf http://www.uhl-csu.de )

In der folgenden medialen Berichterstattung zum Meldegesetz wurde daraufhin polemisch über den Mangel an Datenschutz für den einzelnen Bürger berichtet. Und dies obwohl das Gesetz selbst mit der umstrittenen Widerspruchslösung eine deutliche Verbesserung des Datenschutzes im Vergleich zu bereits jetzt gültigen Regelungen darstellt. Fakt ist auch, dass gerade den professionellen Adresshändlern der Gang zum Einwohnermeldeamt viel zu teuer ist. Die einfache Meldeauskunft kostet bisher im Schnitt etwa 8 Euro. Adresshändler und Werber bekommen Ihre Datensätze aber wesentlich günstiger, entweder über gezielte Preisausschreiben oder Sie nutzen Angebote wie „PostAdress“ von der Deutschen Post. Dabei wird über Nachsendeaufträge geprüft, ob und wohin jemand umgezogen ist. Das kostet 1,50 Euro pro neuem Treffer.

Trotz dieser überzogenen Panikmache ist es aus meiner Sicht trotzdem sinnvoll, das Meldegesetz nach dem ursprünglichen Entwurf mit einer ausdrücklichen Einwilligungslösung zu versehen und diesen dahingehend zu überarbeiten. Von medialer Seite hätte ich mir allerdings mehr Sachlichkeit und weniger Panikmache gewünscht.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr

Ingo Gädechens, MdB

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