Frage an Ines Vogel von Markus N. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
In früheren Zeiten vor der HartzIV-Gesetzgebung wurden die Transfereinkommen Sozial- und Arbeitslosenhilfe in der Höhe immer unter Beachtung des Lohnabstandsgebotes festgesetzt. Wer arbeitet, sollte mehr Geld zum Leben haben als wer nicht arbeitet, und das ist im Grunde ja ein ganz sinnvolles Prinzip. Besonders gern wurde dieser Begriff von Regierungen jeglicher Coleur verwendet, um eine Erhöhung der Transfereinkommen abzulehnen. Heute wird dieser Begriff des Lohnabstandsgebotes in der offiziellen Parteiensprache nicht mehr verwendet, und es wird auch nicht mehr beachtet. Wie kann es sonst sein, dass die HartzIV-Sätze höher sind als die Einkommen von 1,5Mio Arbeitnehmern, so dass diese „aufstocken“ müssen, um trotz Beschäftigung überhaupt das HartzIV-Niveau zu erreichen. Das ist quasi eine völlige Verkehrung des Lohnabstandsgebotes: der Lohn hat heute oftmals von unten her Abstand zum Sozialhilfeniveau. Wo bleibt das Eingeständnis, dass die HartzIV-Gesetzgebung Fehlsteuerungen enthält, die dringend nachgebessert werden müssen? Was gedenken Sie in der Zukunft zu unternehmen, um diese Disbalance, die eine enorme Sprengkraft für die Gesellschaft birgt, zu beseitigen?
Sehr geehrte Herr Nick,
vielen Dank für Ihre Frage - ich möchte Sie gern einladen, das Problem von der anderen Seite zu betrachten: Wir haben in Deutschland Löhne, von denen man selbst bei Vollzeitarbeit nicht leben kann. In Sachsen verdienen 23 Prozent aller Beschäftigten weniger als 8,50 Euro pro Stunde, in Dresden allein 80.000.
Mit einem gesetzlichen Mindestlohn wollen wir nach einem Regierungswechsel dafür sorgen, dass man von seiner Arbeit leben kann und nicht zusätzlich staatliche Unterstützung beantragen muss. Mit fairen Löhnen ergibt sich auch wieder ein Lohnabstand zum ALG II und Arbeit lohnt sich. Klar ist dabei: der Mindestlohn ist die untere Grenze und sollte von einer unabhängigen Mindestlohnkommission jährlich überprüft und angepasst werden. Darüber brauchen wir gute Tariflöhne, die auch eingehalten werden: durch verbesserte Möglichkeiten, Tarifabschlüsse für allgemeinverbindlich zu erklären und die Bindung von Auftragsvergaben der öffentlichen Hand an Tariftreue.
Ich bin Ihrer Meinung: Dumpinglöhne haben eine große gesellschaftliche Sprengkraft weil sie einfach ungerecht sind. Sie sind darüber hinaus ökonomisch unvernünftig, weil Wettbewerb nicht um bessere Produkte sondern auf den Rücken der Beschäftigten gemacht wird. Die zusätzliche Kaufkraft, die sich durch die Einführung eines Mindestlohns allein für Dresden ergäbe, beträgt 97,1 Mio. Euro jährlich. Ein echtes Konjunkturprogramm vor Ort.
Mit freundlichen Grüßen
Ines Vogel