Frage an Ilse Aigner von Marcus N. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrte Frau Aigner!
Ich habe eine Frage bezüglich des Umgangs mit der EHEC-Problematik
Wie ist es möglich, dass die Verursacher entschädigt werden, aber nicht die Opfer? Ich habe mehrfach recherchiert, aber kein Indiz dafür gefunden. Bei allem Verständnis für die selbstverschuldeten Wirtschaftsprobleme der Bauern hat sich offenbar noch nie jemand Gedanken darüber gemacht, dass diese Seuche Menschenleben gekostet hat.
Wie erklären Sie den Eltern der kürzlich verstorbenen Kindern, dass die industriellen Verursacher entschädigt werden, aber die Leidtragenden davon ausgeschlossen sind?
Warum werden die Gesetze der Marktwirtschaft nicht einfach mal auch auf den Agrarsektor ausgeweitet? Wer Schäden verursacht ist haftbar, wenn kein konkreter Verursacher gefunden wird, muss die Allgemeinheit haften und zwar für den Schaden, aber nicht für den Verursacher.
Wie kann es sein, daß man trotz besseren Wissens das Vieh mit Mais und Antibiotika füttert, obwohl man seit langem genau weiß, dass dabei immer resistentere Bakterien in unser Ökosystem gelangen? Warum wird dagegen nichts unternommen?
Vielen Dank und mit recht freundlichen Grüßen,
M Noerder-Tuitje
Sehr geehrter Herr Noerder-Tuitje,
herzlichen Dank für Ihre Frage via abgeordnetenwatch.de.
Ihren Eindruck, man habe nicht der Opfer und Erkrankten des EHEC-Ausbruchs gedacht, kann ich nicht bestätigen. Bundesministerin Aigner hat mehrfach zum Ausdruck gebracht, wie sehr ihr das Leid, welches viele Menschen durch diese schwere Krankheit erdulden mussten und müssen, nahe geht.
Den Verlust von Menschenleben kann niemand ersetzen. Es liegt jedoch in der Verantwortung des Staates über funktionierende Infrastrukturen eine bestmögliche medizinische Versorgung der Betroffenen sicherzustellen. Den Erkrankten wurde alle medizinische Hilfe, sowohl in den Notaufnahmen als auch bei der Behandlung auf den Intensivstationen und in der Nachsorge, zuteil. Die materiellen Kosten, die damit auf die Betroffenen zukommen, werden grundsätzlich durch die Versicherungsleistungen der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung gedeckt.
Anders als von Ihnen dargestellt sind die im Zusammenhang mit dem EHEC-Geschehen aufgetretenen Wirtschaftsprobleme nicht auf das Verschulden der Landwirte zurückzuführen. Es war den zuständigen Behörden bewusst, dass die Landwirte bedingt durch die Kaufzurückhaltung der Verbraucher unter finanziellen Einbußen leiden werden, obwohl sie hochwertige Ware produzieren. Insofern oblag es auch staatlicher Verantwortung, den betroffenen Landwirten finanzielle Hilfen für solche wirtschaftlichen Einbußen zukommen zu lassen, die Folge der Verzehrswarnung waren, die später wieder zurückgenommen wurde.
Zudem ist das Sortiment der Landwirte meist auf wenige Erzeugnisse beschränkt und bedarf im Rahmen von Anbau und Ernte einer langfristigen Planung. So können Landwirte kaum flexibel auf eine plötzlich einbrechende Nachfrage für bestimmte Erzeugnisse reagieren, indem sie beispielsweise wie der Handel auf andere Produkte ausweichen. Sie hatten deshalb im Rahmen des EHEC-Geschehens auch deutlich höhere Einbußen zu verzeichnen. Hierbei handelt es sich um ein EU-weites Problem für das eine EU-einheitliche Lösung gefunden werden konnte. Aber auch die vorgesehenen Zuwendungen bleiben deutlich hinter den tatsächlichen wirtschaftlichen Einbußen zurück.
Sie hatten sich in Ihren Anmerkungen auch kritisch zur Abgabe von Antibiotika an Tiere geäußert. In diesem Zusammenhang weise ich darauf hin, dass nach einer DNA-Analyse des als Ausbruchsstamm eindeutig identifizierten Serotyps O104:H4 festgestellt worden ist, dass dieser nicht den herkömmlichen Shigatoxin bildenden (STEC) bzw. enterohämorrhagischen Kolibakterien (EHEC), wie sie bei Rindern vorkommen, ähnelt. Der Erreger hat vielmehr Ähnlichkeit mit einem humanen E.coli-Stamm und wurde bisher nicht bei Tieren gefunden.
Im Übrigen ist es das Ziel der Bundesregierung, dass antibiotisch wirksame Tierarzneimittel nur dann eingesetzt werden, wenn sie wirklich erforderlich sind, wenn also Tiere erkrankt sind. Dabei ist die Minimierung des Einsatzes von Antibiotika bei Tieren, die der Lebensmittelgewinnung dienen, ein wichtiges Anliegen des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.
Es wurde daher eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, die dazu beitragen sollen, dass Antibiotika verantwortlich eingesetzt werden. So gibt es strenge rechtliche Vorgaben im Arzneimittelgesetz für die Antibiotikaabgabe und -anwendung. Sie dürfen entsprechend den arzneimittelrechtlichen Vorschriften insbesondere nach dem Arzneimittelgesetz nur eingesetzt werden, wenn ihre Anwendung nach dem Stand der tierärztlichen Wissenschaft gerechtfertigt ist, um das Behandlungsziel zu erreichen.
Außerdem möchte ich auf die Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie des Bundesgesundheitsministeriums und des BMELV hinweisen, in der Maßnahmen zur Minimierung der Ausbreitung von Resistenzen dargelegt sind. Informationen dazu können Sie z.B. auch auf der Homepage des BMELV abrufen unter:
http://www.bmelv.de/SharedDocs/Standardartikel/Landwirtschaft/Tier/Tiergesundheit/Veterinaerdienst/DART.html
Allgemein darf ich Sie in Fragen der Ernährung, der Landwirtschaft sowie des Verbraucherschutzes an das BMELV und dessen Internetauftritt unter http://www.bmelv.de verweisen.
Mit freundlichen Grüßen,
Ihre
Ilse Aigner, MdB