Frage an Ilse Aigner von Sandra W. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrte Frau Bundesministerin Aigner,
beim Pasteurisieren von Milch wird in der Praxis zwischen Kurzzeiterhitzung (72-75 °C, 15-30 Sekunden), das Hocherhitzen (85 °C) und die Dauererhitzung (62-65°C, 30-32 Minuten) unterschieden. Ich nehme an, dass jedes dieser Verfahren unterschiedliche Ergebnisse bezüglich Erhaltung oder Zerstörung wichtiger und gesunder Bestandteile der Milch mit sich bringt. Doch leider werde ich als Verbraucher darüber in Unkenntnis gelassen, welches Verfahren angewendet wurde. Stattdessen muss ich mich mit der allgemeinen Deklarierung "pasteurisiert" zufrieden geben.
Nun ist aber seit geraumer Zeit die ebenso pasteurisierte, sogenannte ESL-Milch im Handel und hat die nahezu "echte" Frischmilch aus den regalen verdrängt - zum ausschließlichen Vorteil für den Handel (da länger haltbar), jedoch zum Nachteil der VerbraucherInnen. Der eigentliche Skandal ist jedoch, dass der Begriff "extended shelf life" (ESL) gesetzlich nicht definiert ist, sprich: laut Gesetz keiner speziellen Deklaration bedarf - seit August 2007 ist diese Deklarationspflicht entfallen. Solche Milch darf seitdem genau wie Frischmilch als lediglich "pasteurisiert" deklariert sein und wird meistens auf den Verpackungen als „länger frisch“, „längerfrische Milch“ oder ähnlich bezeichnet und beworben - aus meiner Sicht eine Verbrauchertäuschung ohnegleichen.
Nun ist es der Milchindustrie nicht zu verübeln, dass sie solche Gesetzeslücken ausnutzt, doch im Sinne der Verbraucher ist dies ganz sicher nicht! Aufgrund der ungenauen Bezeichnungen ist nur schwer zu erkennen, ob es sich um pasteurisierte und mikrofiltrierte oder höher erhitzte ESL-Milch, oder um nur pasteurisierte Milch handelt.
Richtigerweise forderte der Verbraucherzentrale Bundesverband anlässlich einer Bundestagsdebatte zum Thema am 13. Februar 2009 eine klare gesetzliche Definition von Frischmilch. Werden Sie dieser Forderung im Sinne der VerbraucherInnen nachkommen?
Vielen Dank für Ihre Antwort.
Sehr geehrte Frau Wolter,
vielen Dank für Ihre Fragen.
Zunächst möchte ich Ihnen einige Informationen zu den Behandlungsverfahren bei Konsummilch geben: Beim Angebot von Konsummilch standen früher die kurzzeiterhitzte pasteurisierte Milch (vielfach angewandtes Verfahren: 72 °C bis 75 °C, 15 bis 30 Sekunden) und die ultrahocherhitzte Milch (H-Milch - vielfach angewandtes Verfahren: 135 °C, wenige Sekunden) im Vordergrund. Daneben wird zunehmend ESL-Milch im Kühlregal angeboten. ESL steht für Extended Shelf Life, d. h. verlängerte Haltbarkeit im Regal.
Bei der Herstellung von ESL-Milch werden zwei Verfahren unterschieden:
Bei der Hocherhitzung wird das Produkt auf bis zu 127 °C für bis zu zwei Sekunden erhitzt (höhere Pasteurisierung). Dies hat eine gegenüber der klassisch pasteurisierten Milch eine bis auf das Dreifache verlängerte Haltbarkeit zur Folge.
Beim Mikrofiltrationsverfahren wird die Milch - mit Ausnahme des Fettanteils - mit Spezialfiltern zur Bakterienentfernung gereinigt und kurzzeiterhitzt. Nur der Fettanteil wird bei diesem Verfahren in aller Regel hocherhitzt (rund 105 °C). Das Produkt hat gegenüber der klassisch pasteurisierten Milch eine etwa doppelt so lange Haltbarkeit.
Die Verbraucherinnen und Verbraucher sollten vor ihrer Kaufentscheidung einfach erkennen können, für welches Produkt sie sich entscheiden. Sie sollten demgemäß beim Milcheinkauf die Möglichkeit haben, leicht zu sehen, ob sie zu einer klassisch pasteurisierten Konsummilch greifen oder zu einer länger haltbaren ESL-Milch (ESL = Extended Shelf Life). Die Selbstverpflichtung der Konsummilchhersteller, die Anfang Februar 2009 veröffentlicht wurde, sieht hier eine differenzierte Kennzeichnung vor. Demnach wird die klassisch pasteurisierte Trinkmilch mit den Worten „traditionell hergestellt“ gekennzeichnet und ESL-Milch mit den Worten „länger haltbar“. Die Angaben sollen deutlich in Zusammenhang mit der Verkehrsbezeichnung auf die Milchverpackung aufgedruckt werden.
Zur Qualität von Trinkmilch möchte ich anmerken, dass das zuständige Institut der Ressortforschung (Max Rubner-Institut - MRI) hat im Jahr 2009 eine Studie über die Qualität von ESL-Milch einschließlich ihrer sensorischen Eigenschaften im Vergleich zur klassisch pasteurisierten Trinkmilch erarbeitet. Die Ergebnisse, die kürzlich veröffentlicht wurden, lassen sich so zusammenfassen, dass die Qualität der ESL-Milch grundsätzlich nicht gegenüber derjenigen von klassisch pasteurisierter Trinkmilch zurücksteht. Sensorisch schneidet die traditionell pasteurisierte Milch tendenziell etwas besser ab; die Unterschiede können jedoch nicht als maßgeblich bezeichnet werden. Diese Forschungsergebnisse stehen in Einklang mit den Ergebnissen anderer Untersuchungen zu dieser Thematik. Ich schließe aus den Forschungsergebnissen, dass es sich bei ESL-Milch ebenso wie bei der traditionell pasteurisierten Milch um ein qualitativ hochwertiges Produkt handelt.
Falls Sie weitere Fragen zum Thema haben, dann können Sie zusätzliche Informationen im Internet unter http://www.bmelv.de abrufen oder wenden Sie sich damit bitte an mein Ministerium. Auf der Plattform "Abgeordnetenwatch" können interessierte Bürgerinnen und Bürger Fragen stellen, die mein Abgeordnetenmandat betreffen. Ich bitte Sie, zukünftig darauf Rücksicht zu nehmen.
Mit freundlichen Grüßen
Ilse Aigner MdB