Frage an Ilse Aigner von Thomas K. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrte Frau Aigner,
mit entsetzen habe ich vor einigen Tagen in der Online-Ausgabe des Spiegels gelesen, das die EU mittlerweile den Import von gentechnisch veränderten Lebensmittel erlaubt. Genauer gesagt, wird hier wohl deklariert als Futter- und Lebensmittel.
Meines Erachtens bilden die gentechnisch veränderten Lebensmittel eine extreme Gefahr für Deutschland.
- Folgeschäden (siehe Südamerika und Monsatu) können nicht abgeschätzt werden.
- Patente auf Lebensmittel und Gene werden immer mehr in den Mittelpunkt der Wirtschaft rücken und somit auch hier zum Thema werden.
- Die Abhängigkeit der Nahrung eines Landes zur Industrie gekoppelt mit wirtschaftlicher Monopolstellung kann eine ganze Nation erpressbar machen. (So oft schon die Verhandlungsmasse Arbeitsplätze gesehen)
Daher meine Frage: Ist es mit der neuen Regelung auch möglich nach Deutschland gentechnisch veränderte Futter- und Lebensmittel einzuführen?
Wie sollen wir als Bürger vor den oben genannten Risiken geschützt werden?
Und warum wird trotz vieler Alternativen zur besseren weltweiten Hungerbekämpfung den gentechnisch veränderten Futter- und Lebensmittel keine gänzliche Absage gegeben?
Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen!
Mit freundlichem Gruß
Thomas Krieger
Sehr geehrter Herr Krieger,
vielen Dank für Ihre Fragen.
Zu der Frage nach der Gefahr durch gentechnisch veränderte Organismen (GVO) und eventuelle nicht abschätzbare Folgeschäden möchte ich Sie darauf hinweisen, das GVO nach dem Stufenprinzip eingeführt werden. Zunächst werden Tests in Laboren und Gewächshäusern durchgeführt mit anschließenden kleineren, räumlich begrenzten Freisetzungsversuchen, was vor jedem Versuch die Genehmigung der Behörden voraussetzt. Erst nach erfolgreicher Freisetzung kann die Inverkehrbringung beantragt werden. Voraussetzung für die Genehmigung ist, dass von dem fraglichen GVO keine Gefahr für Mensch, Tier und Umwelt ausgeht, was in jedem Einzelfall entsprechend dem Stand der Wissenschaft geprüft wird. Erwähnt werden muss ebenfalls, dass jede Genehmigung zum Inverkehrbringen nach 10 Jahren erneuert werden muss.
Zur Frage der Monopolisierung auf dem Saatgut- und Pflanzenschutzmarkt durch das US-Unternehmen Monsanto möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass der Anteil von gentechnisch verändertem Saatgut laut Angaben des Bundes Deutscher Pflanzenzüchter etwa 10 Prozent des weltweiten Handels mit Saatgut ausmacht. Dabei dominiert in der Tat die Firma Monsanto. Aber auf dem europäischen Markt für konventionelles und gentechnisch verändertes Saatgut ist die Tendenz zur Unternehmenskonzentration bisher nicht stärker ausgeprägt als in vielen anderen Bereichen der Wirtschaft auch. Der große Marktanteil der Firma Monsanto kann dabei auf die individuellen Entscheidungen der Landwirte zurückgeführt werden, die meinen, mit dem Saatgut der Firma die besten Gewinne zu erwirtschaften. Sollte sich die Nachfragesituation verändern, dann werden sich auf unserem funktionierenden europäischen Markt schnell andere Hersteller als Anbieter für konventionelles Saatgut finden. Kein Landwirt wird in Europa gezwungen, gentechnisch verändertes Saatgut zu kaufen.
In der EU gibt es zur Harmonisierung des Patentrechts seit 1998 die Richtlinie 98/44/EG des Rates und des Europäischen Parlaments über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen (Biopatentrichtlinie), die in Deutschland durch Ergänzungen des deutschen Patent-, Sortenschutz- und Gebrauchsmustergesetzes umgesetzt wurde. Die Bestimmungen der Biopatentrichtlinie wurden weitgehend in die Ausführungsordnung zum Europäischen Patentübereinkommen übernommen, dem Deutschland beigetreten ist und auf dessen Grundlage das Europäische Patentamt entscheidet. Auf der vorgenannten gesetzlichen Grundlage können Pflanzen und Tiere, nicht jedoch Pflanzensorten und Tierrassen, unter bestimmten Voraussetzungen, die den allgemeinen Bestimmungen des Patentrechts entsprechen, patentiert werden. Das ist dann der Fall, wenn sie mit Verfahren gewonnen wurden, die nicht im Wesentlichen biologisch sind und die eine Erfindung mit ausreichendem Neuheitswert darstellen. Dies schließt die Möglichkeit der Patentierung von gentechnisch veränderten Pflanzen und Tieren ein. Eine Entwicklung, wie sie Kritiker befürchten, wonach solche Patente negative Konsequenzen für Landwirte haben aufgrund von Abhängigkeiten von internationalen Konzernen, kann ich zumindest für Europa derzeit nicht beobachten.
Zu Ihren Fragen nach der Möglichkeit der Einführung von gentechnisch veränderten Futter- und Lebensmitteln nach Deutschland und dem Schutz der Bürger vor Risiken: Gentechnisch veränderte Lebens- und Futtermittel können nach Deutschland eingeführt werden, soweit es sich dabei um in der EU zugelassene GVO handelt. Um die Bürgerinnen und Bürger vor eventuellen Risiken zu schützen, hängt die Entscheidung über die Zulassung von GVO für jeden Einzelfall an einem Prozess genauer Prüfung aller wissenschaftlichen Erkenntnisse. Daran beteiligt sind eine Vielzahl qualifizierter Wissenschaftler, die in den unterschiedlichen Bewertungsgremien beteiligt sind. Dabei handelt es sich, und das wird in der öffentlichen Debatte leider oftmals übersehen, auch um Wissenschaftler, die der Grünen Gentechnik skeptisch gegenüberstehen. Die Bundesregierung unterstützt den Einsatz von GVO erst dann, wenn die Gefahr für Mensch, Tier und Umwelt auszuschließen ist. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass von keinem heute zugelassenen Lebens- oder Futtermittel, das gentechnisch veränderte Pflanzen enthält oder aus solchen hergestellt wurde, eine Gefahr für die Gesundheit der Verbraucher oder für die Umwelt ausgeht. Darüber hinaus ist die Bewahrung der Wahlfreiheit für Landwirte und Verbraucher ein Kernelement der Arbeit des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Das wollen wir durch die Kennzeichnungspflicht von gentechnisch veränderten Lebensmittelns erreichen. Davon unabhängig müssen Lebens- und Futtermittel, die GVO enthalten, aus ihnen bestehen oder hergestellt wurden, seit dem 18. April 2004 EU-weit gekennzeichnet werden. Das trifft nur dann nicht zu, wenn der Anteil an GVO 0,9 Prozent nicht überschreitet.
Zu Ihrer Frage nach einem (weltweiten) Verbot von gentechnisch veränderten Lebens- und Futtermitteln: Angesichts einer rapide anwachsenden Weltbevölkerung, gleichzeitiger Abnahme der Anbauflächen und zunehmend schwierigeren Lebensbedingungen (Trockenheit, Hitze, salzhaltige und magere Böden) dürfen wir die neuen Chancen der Grünen Gentechnik nicht übersehen. Hinzu kommt, dass die Gentechnik in der Züchtungsforschung mittlerweile nicht mehr wegzudenken ist. So können züchterische Fortschritte, die zunächst nur gentechnisch erreicht wurden, erst im Nachhinein mit Methoden konventioneller Kreuzung nachvollzogen werden. Das dazu nötige Wissen über die Wirkungszusammenhänge lieferte erst die Gentechnik. Vergessen Sie darüber hinaus bitte auch nicht, dass die Forschung im Bereich von Bio- und Gentechnik ein zunehmend wichtigerer Faktor für den Standort Deutschland darstellt. Wir sollten die Forschung zur Grünen Gentechnik voranbringen, allerdings ohne Zugeständnisse in Fragen der Sicherheit. Nur wenn unser Land weiterhin an den internationalen Entwicklungen im Bereich der Erforschung von GVO beteiligt bleibt, können wir diesen Prozess auch mitgestalten. Wenn wir uns da ausklinken, dann berauben wir uns selbst der Möglichkeiten zur Mitgestaltung. Wir brauchen daher eine differenziert Haltung zur Grünen Gentechnik, weder ein bedingungsloses „Ja“ noch ein absolutes „Nein“.
Mit freundlichen Grüßen
Ilse Aigner MdB