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Hubertus Heil
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Frage von Sabine M. •

Warum wird Bürgergeld eingeführt – in einer Zeit, wo die Lage am Arbeitsmarkt gut ist und überall händeringend Personal gesucht wird?

Die Lange am Arbeitsmarkt ist z.Z. gut. Überall werden Arbeitskräfte gesucht. Vor allem im Helferbereich. Der Briefträger kommt nur noch 1 x pro Woche zu uns, da dort Arbeitskräfte fehlen. Bürgergeld ist ein falsches Signal zum Zeitpunkt. Den fleißigen Arbeitnehmern im Niedriglohnsektor wird gesagt, sie könnten ja zum Amt gehen und aufstocken um auf das gleiche Einkommen wie ALG II-Empfänger bzw. um auf mehr Arbeitseinkommen zu kommen. Damit werden diese Menschen ja quasi gleichgestellt mit Langzeitarbeitslosen, die eben nicht arbeiten und oftmals schon viele Jahre von ALG II leben. Das kann doch nicht mit der Verfassung zu vereinbaren sein. Müsste nicht mehr Druck auf Langzeitarbeitslose ausgeübt werden, insbesondere wenn offenbar in vielen Fällen die Motivation zur Arbeitsaufnahme fehlt? Ist es Langzeitarbeitslosen nicht zuzumuten, selbstverantwortlich jede Tätigkeit anzunehmen, auch wenn es nicht der Traumjob ist, um nicht auf Kosten der Gesellschaft zu leben?

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau M.,

vielen Dank für Ihre Nachricht.

Die Grundsicherung für Arbeitsuchende – und damit das Bürgergeld – ist eine Leistung des Sozialstaats zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums für diejenigen, die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen und Vermögen decken können. Sei es, weil jemand seine Arbeit verliert oder sein Geschäft schließen muss. Oder sei es, weil aus anderen Umständen eine regelmäßige Beschäftigung nicht möglich ist, z. B. durch lange oder chronische Krankheit. Wie schnell Menschen unverschuldet in Not geraten können, haben wir in der Corona-Zeit erlebt.

Für uns alle – als Bürger*innen unseres Landes – gilt also: Wenn es hart auf hart kommt, ist der Sozialstaat an unserer Seite. Niemand braucht also Sorge zu haben, alleine gelassen zu werden. Dies ist gerade in den aktuellen Krisenzeiten wichtig.

Das Bürgergeld sichert das wirtschaftliche Existenzminimum und ermöglicht eine Teilhabe am kulturellen und sozialen Leben unserer Gesellschaft. Dieser Grundsatz ist nicht verhandelbar, sondern entspringt – vom Bundesverfassungsgericht bestätigt – direkt dem ersten Artikel unseres Grundgesetzes: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Der Sozialstaat ist für jene da, die ihn brauchen. Das gilt für Bürgergeld-Empfänger*innen ebenso, wie für alle anderen – auch Beschäftigte.

Wer ein geringes Einkommen bezieht, kann einkommensabhängige Sozialleistungen erhalten. Dazu gehört etwa das Wohngeld, von dem 2023 noch mehr Haushalte profitieren. Oder der Kinderzuschlag, der zum 1. Januar 2023 erneut angehoben wird. Und wer unter 2.000 Euro brutto verdient, zahlt weniger Steuern und Sozialabgaben, ohne an sozialer Sicherung einzubüßen. Das sind nur wenige Beispiele.

Außerdem unterstützt die Bundesregierung mit den Entlastungspaketen insbesondere Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen durch Steuersenkungen und Einmalzahlungen.

Das Bürgergeld ist kein bedingungsloses Grundeinkommen, sondern eine Leistung für diejenigen, die eine Arbeit suchen. Es stellt sicher, dass sie ihren Lebensbedarf decken können. Ebenso wichtig ist es aber, Menschen dabei zu helfen, wieder eine Arbeit zu finden. Das ist auch immer das Ziel, besonders beim Bürgergeld: Menschen aus der Hilfebedürftigkeit herauszuführen in gute, sozialversicherungspflichtige Arbeit. Deshalb gilt beim Bürgergeld: Ausbildung vor Aushilfsjob. Dies ist gerade in Zeiten des Fachkräftemangels wichtig. Wir brauchen mehr und besser ausgebildete Menschen.

Das soll mit dem Bürgergeld noch besser gelingen. Es geht um eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Jobcenter-Mitarbeiter*innen und Leistungsempfänger*innen. Um mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch bessere Weiterbildungsangebote. Darum, dass Menschen in Not sich um ihre Arbeitssuche kümmern können – und nicht um Wohnungssuche. Und auch darum, dass Menschen nicht ihr hart erarbeitetes Vermögen aufbrauchen müssen, bloß, weil sie vorübergehend staatliche Unterstützung brauchen.

Aber Arbeit muss sich immer lohnen, denn Arbeit ist mehr als Broterwerb. Sie lässt uns an der Gesellschaft teilhaben, bedeutet Austausch mit anderen Menschen und soziale Anerkennung. Zugleich muss man von seiner Arbeit gut leben können. Deshalb haben wir bereits zum 1. Oktober 2022 den Mindestlohn deutlich auf 12 Euro pro Stunde erhöht. Das übergeordnete Ziel bleibt jedoch, ein angemessenes Lohnniveau sicherzustellen, in erster Linie mit Tarifverträgen. Hierfür ist eine solide Sozialpartnerschaft zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften wichtig.

Mit freundlichen Grüßen
Hubertus Heil

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