Sehen Sie in den neuen Vertragswerken der WHO mit den Ländern und insbesondere der Bundesrepublik keine Gefahren? Sind Ihnen die entsprechenden Artikel aus diesen Werken inzwischen bekannt?
» Wann gedenken unsere Parlamentarier die Debatte
über diese weitreichenden Pläne zu eröffnen?
» Wer wird für Deutschland mit seiner Unterschrift
diesen Vertrag verhandeln und zeichnen?
» Wie sind diese Pläne der WHO mit unserem Grund-
gesetz vereinbar? Sollen Pharmakonzerne und Stiftungen
über unser Leben und unsere Gesundheit bestimmen
und nicht mehr wir selbst?
Sehr geehrter Herr H.,
vielen Dank für Ihre Nachricht.
Die Covid-19-Pandemie hat sehr deutlich gemacht, dass Viren nicht an Grenzen halt machen und wie wichtig es ist, grenzüberschreitenden Gesundheitsrisiken gemeinsam und global zu begegnen. Denn in einer Pandemie ist niemand sicher ist, solange nicht alle sicher sind. Das internationale Gesundheitskrisenmanagement muss daher dringend gestärkt werden, um künftig besser auf internationale Krankheitsausbrüche mit pandemischem Potenzial reagieren zu können.
Aus Perspektive der SPD-Bundestagsfraktion ist es das Ziel der aktuellen Verhandlungen bei der WHO, die Lücken in der internationalen Pandemievorsorge zu schließen. Es sind wichtige Schritte erforderlich, um sicherzustellen, dass die WHO ihre Mitgliedsstaaten etwa noch schneller als bisher vor Gefahren warnen oder sie noch besser bei der Vorbereitung auf Gesundheitskrisen unterstützen kann, z.B. durch die Verbesserung von Meldeketten und den optimierten Austausch von Informationen und Daten. Es geht zudem darum, dass globale Lieferketten auch in einer Krise funktionieren und u.a. Impfstoffe, Therapeutika und Diagnostika weltweit gerecht verteilt werden. Menschen müssen überall auf der Welt die besten Möglichkeiten der Vorbeugung, des Schutzes und die bestmögliche Gesundheitsversorgung haben. Dazu gehört auch, Mechanismen zu vereinbaren, die zielgerichtete Forschung und Entwicklung global stärken.
In den aktuellen Verhandlungen sind insoweit zwei Prozesse zu unterscheiden: Die Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) adressieren sämtliche Gesundheitsgefahren (z.B. auch chemische und radiologische) und sind als sog. „Regulations“ der WHO ein eigenes völkerrechtliches Instrument, das durch die Weltgesundheitsversammlung (WHA) erlassen und angepasst werden kann. Staaten, die gegen Änderungen sind, können bei einer Annahme durch die WHA aktiv ihre Nichtteilnahme vorbringen (vgl. Art. 21 ff. WHO-Verfassung). Da der Anwendungsbereich der IGV jedoch begrenzt ist, lassen sich nicht alle Lehren aus der Pandemie in den IGV adressieren.
Das Pandemieabkommen, das nach aktuellem Stand als ein völkerrechtlicher Vertrag ausgestaltet werden soll, kann dagegen durch einen pandemiespezifischen Fokus und Anwendungsbereich den bestehen Herausforderungen besser gerecht werden. Dies schließt weitergehende Bestimmungen zur Prävention und zur Verhinderung von Pandemien ebenso mit ein wie die Reaktion auf bestehende Pandemien und die damit zusammenhängenden Fragen zum Zugang zu medizinischen Gegenmaßnahmen. Wichtig ist, dass einem solchen völkerrechtlichen Vertrag in allen parlamentarischen Demokratien wie Deutschland durch das nationale Parlament ausdrücklich zugestimmt werden muss. Insoweit verlangt das Grundgesetz, dass Hoheitsrechte nur gesetzlich auf zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen werden können. Es besteht also eine weitreichende demokratische Kontrolle für das völkerrechtliche Handeln der Bundesregierung. Zudem bleibt es nach anerkannten völkerrechtlichen Grundsätzen dabei, dass Staaten auch von völkerrechtlichen Verpflichtungen zurücktreten können, wenn es geboten ist – dies ist Ausdruck ihrer nationalstaatlichen Souveränität.
Vor diesem Hintergrund habe ich keine Sorge, dass durch die Reform der IGV oder einen künftigen Pandemievertrag unsere nationale Souveränität eingeschränkt werden könnte. In beiden Konstellationen treffen völkerrechtlich letztlich immer allein die einzelnen Mitgliedsstaaten bzw. deren nationalen Parlamente die Entscheidung, ob sie die in den Verhandlungen geeinten Punkte per Selbstverpflichtung einhalten wollen oder nicht. Grundsätzlich besteht in praktisch allen Mitgliedstaaten eine große Sensibilität und Zurückhaltung, nationale Befugnisse auf internationale Organisationen zu übertragen. Insoweit bleibt abzuwarten, ob die Verhandlungen tatsächlich bereits bis Mai 2024 abgeschlossen werden können.
Die SPD-Bundestagsfraktion hat die Bundesregierung außerdem aufgefordert, die Anhebung der Pflichtbeiträge zur Finanzierung der WHO auf einen Anteil von 50 Prozent des Kernbudgets der WHO bis spätestens 2030/2031 aktiv zu unterstützen und bei allen Partnern für diese Erhöhung zu werben. Damit bestimmen wir die Debatte auf nationaler Ebene proaktiv mit.
Mit freundlichen Grüßen
Hubertus Heil