Keine Kürzungen von Bezügen beim Bürgergeld, aber die Arbeitslosen erhalten eine dreimonatige Sperre. Wie ist es zu vereinbaren?
Wenn das Bürgergeld eingeführt wird, ist es geplant das die Anspruchsberechtigte keine Kürzungen im Falle einer Pflichtverletzung befürchten müssen. Wenn z.B. keine zumutbare Arbeit aufgenommen wird, oder die Bewerbungen nicht geschrieben werden.
Doch wenn ich als langjähriger beschäftigter meine Stelle „ohne einen wichtigen Grund" Kündige, erhalten ich eine bis zu dreimonatige Sperre für das Arbeitslosengeld I mit der Begründung, ich sei selber daran Schuld das ich gekündigt habe.
In meinen Augen werden die Arbeitnehmende, die monatlich Beiträge an die Arbeitslosenversicherung abführen, schlechter behandelt als die zukünftige Bezieher von Bürgergeld.
Wie steht das Arbeitsministerium zu einer Reform von Arbeitslosengeld I.
Sehr geehrter Herr R.,
vielen Dank für Ihre Nachricht.
Der Staat ist aufgrund des Sozialstaatsprinzips verpflichtet, seinen mittellosen Bürgerinnen und Bürgern die Mindestvoraussetzungen zur Führung eines menschenwürdigen Lebens erforderlichenfalls durch Sozialleistungen zu sichern (Existenzminimum).
Das heißt: Wer hilfebedürftig ist, dem gewährleistet der Staat ein menschenwürdiges Existenzminimum. Dies ist und bleibt ein Kernversprechen unseres Sozialstaats. Erwerbsfähige Leistungsberechtigte sollen jedoch nicht nur mit staatlichen Fürsorgeleistungen versorgt werden. Sie sollen gleichzeitig in ihrer Eigenverantwortung so gestärkt und unterstützt werden, dass ihre Hilfebedürftigkeit möglichst vermieden, überwunden oder verringert wird. An Mitwirkungspflichten wird im Bürgergeld-Gesetz festgehalten. Ihnen kommt eine eine nicht unbedeutende Rolle zu.
Grundgedanke beim neuen Bürgergeld ist jedoch eine kooperative Beziehung zwischen den Leistungsberechtigten und Jobcentern auf Augenhöhe. Mit der Reform werden die Potenziale der Menschen und die Unterstützung für eine nachhaltige Integration in den Arbeitsmarkt in den Mittelpunkt gestellt. In diesem Sinne wurden auch die Leistungsminderungen auf Basis des Urteils des Bundesverfassungsgerichts aus dem November 2019 neu geregelt. Leistungsminderungen sind seit Jahresbeginn 2023 möglich, wenn leistungsberechtigte Menschen ihren Mitwirkungspflichten nicht nachkommen oder nicht zu Terminen erscheinen.
Das Arbeitslosengeld wiederum ist eine Leistung der Arbeitslosenversicherung. Die Mittel dieser Versicherung werden durch die Beiträge der beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und ihrer Arbeitgeber aufgebracht. Die Sperrzeit ist ein Ausfluss dieses Versicherungsprinzips. Sie dient dem Schutz der Versichertengemeinschaft vor einer ungerechtfertigten Inanspruchnahme und ist vergleichbar den Rechtsfolgen von Obliegenheitsverletzungen im privaten Versicherungsrecht. Wer den Versicherungsfall schuldhaft herbeiführt oder seine Beendigung vereitelt, kann grundsätzlich nicht erwarten, dass die Gemeinschaft der Beitragszahler*innen für ihn eintritt.
Das Gesetz bestimmt deshalb, dass eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer, die ihr bzw. der sein Beschäftigungsverhältnis löst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig Arbeitslosigkeit herbeiführt, in der Regel für eine begrenzte Zeit kein Arbeitslosengeld erhält. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer aus wichtigem Grund gehandelt hat.
Was als wichtiger Grund im Sinne der Sperrzeitregelung anzusehen ist, hat der Gesetzgeber bewusst in Form eines unbestimmten Rechtsbegriffs geregelt. Grundgedanke ist, dass die Vielzahl der Lebensverhältnisse, die ein dem Grunde nach versicherungsschädliches Verhalten rechtfertigen, nicht durch eine abschließende gesetzliche Aufzählung erfassbar ist. An die Stelle einer Aufzählung bestimmter Tatbestände tritt ein Abwägungsgebot. Danach soll eine Sperrzeit dann nicht eintreten, wenn der oder dem Arbeitslosen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung ihrer bzw. seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten nicht zugemutet werden kann.
Bei der Beurteilung, ob ein solcher Grund vorliegt, ist das Interesse der oder des Arbeitslosen, aus dem Beschäftigungsverhältnis auszuscheiden und das Interesse der Gemeinschaft der Beitragszahler*innen, die Leistungsverpflichtung zu vermeiden, gegeneinander abzuwägen. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen.
Die Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit der Leistungsminderung im SGB II lassen sich nicht auf das Arbeitslosengeld übertragen. Beim Arbeitslosengeld handelt es sich nicht um eine existenzsichernde Leistung, sondern um eine Versicherungsleistung, die dem teilweisen Ausgleich des mit der Arbeitslosigkeit verbundenen Entgeltausfalls dient. Anders als die Leistungsminderungen im SGB II ist die Sperrzeit im SGB III ein pauschalierter Schadensausgleich für die Versichertengemeinschaft, die durch ihre Beiträge auch die Ausgaben für das Arbeitslosengeld finanziert.
Mit freundlichen Grüßen
Hubertus Heil