Finden Sie die aktuellen Regeln zum Elternunterhalt wirklich vollumfänglich gerecht?
Sehr geehrter Herr Heil,
ich beziehe mich auf Ihre Antwort vom 13.06.2022 auf die Frage zur Bevorteilung von Beamten beim Elternunterhalt.
Sie äußern sich darin als zufrieden mit der aktuellen Regelung des Elternunterhalts.
Bei genauerem Hinsehen ergeben sich daraus schreiende Ungerechtigkeiten, die dringend durch den Gesetzgeber verhindert werden sollten. Diese werden durch die rasante Inflation und gleichzeitig Alterung der Elterngeneration bald deutlich mehr Bürger*innen betreffen.
Bei der Festlegung der Einkommensgrenze wurde der Selbstbehalt der Unterhaltspflichtigen nur geringfügig angepasst. Das führt zu der Absurdität, dass jemand mit exakt 100.000 Euro brutto seine rund 4500 € netto behält, jemand mit nur 1 € brutto mehr bei 2000 Euro Selbstbehalt nach Abzug des Unterhalts aber nur 3250 Euro netto zur Verfügung hat. Sie bestrafen Bürger*innen, die kein Erbe zu erwarten haben, damit doppelt. Der zur Altersvorsorge hier besonders wichtige Vermögensaufbau wird damit gehemmt.
Sehr geehrter Herr F.,
vielen Dank für Ihre Nachricht.
Tatsächlich wurde die 100.000 Euro Grenze mit Bedacht gewählt: Schließlich besteht eine 100.000 Euro Grenze bereits seit ihrer Schaffung am 1. Januar 2005 im Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII), § 43 Abs. 5 SGB XII a.F.
Zuvor gab es diese Grenze bereits im damaligen Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (GSiG). Sie hat sich über diesen langen Zeitraum nachweislich bewährt und wurde daher auch im Rahmen des Angehörigen-Entlastungsgesetzes vom Gesetzgeber nicht in ihrem Regelungskern verändert, sondern lediglich zugunsten der anderen Unterhaltsverpflichteten von leistungsberechtigten Personen im SGB XII ausgeweitet. Die 100.000 Euro-Grenze ist somit kein neues Instrument.
Darüber hinaus ist die Grenze auch sozialpolitisch geboten: Das Angehörigenentlastungsgesetz und die 100.000 Euro-Grenze ist auf die Entlastung der gesamten Mittelschicht ausgerichtet. Dies gilt für Familien und gleichermaßen für auch für Einpersonenhaushalte. Ein Einkommen über dieser Grenze stellt insgesamt sowohl für Familien als auch für Einpersonenhaushalte die Ausnahme und nicht die Regel dar. Wer über ein Einkommen von 100.000 Euro verfügt, verdient weit überdurchschnittlich mehr als die restliche Bevölkerung in Deutschland. Nach dem Grundsatz, dass starke Schultern auch gesamtgesellschaftlich mehr tragen können und sollen, ist eine solche Grenze daher durchaus gerecht. Personen mit einem so hohen Einkommen kann zugemutet werden, die Kosten für die eigenen Eltern selbst zu tragen, und diese nicht auf die (weit weniger verdienende) Solidargemeinschaft zu übertragen.
Insofern besteht kein Anlass zu einer Änderung.
Mit freundlichen Grüßen
Hubertus Heil