Frage an Hubertus Heil von Sascha S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Heil,
im Kontext der Diskussion um die Zwangsvereinigung von SPD und KPD muss festgestellt werden, dass führende Sozialdemokraten die Vereinigung befürworteten. In diesem Zusammenhang ist zum Beispiel Otto Grotewohl zu nennen, welcher ein führender SPD Funktionär war und die sofortige Vereinigung beider Parteien befürwortete. Es ließe sich hier noch weitere SPD Funktionäre nennen, welche für die sofortige Vereinigung waren.
Wenn nun Herr Lafontaine sagt, dass die SED:"(...) auch freiwillig gegründet worden ist - von vielen SPD Funktionären." entspricht das offensichtlich einer historischen Tatsache. Sie sind, bezogen auf die oben genannte Aussage von Herrn Lafontaine, auf heute.de mit folgendem Zitat wiedergegeben worden: ""Lafontaine betätigt sich als Geschichtsfälscher".
Meine Fragen möchte ich jetzt anschließen:
- Ihre Antwort ist, bezogen auf die öffentlich rechtlichen Sender, nur auf heute.de zitiert worden. Besteht hier ein Zusammenhang zu Ihrer Tätigkeit als Mitglied des ZDF Rundfunkrates?
- Wenn also nun führende SPD Funktionäre freiwillig und 20% der West-Berliner SPD die sofortige Vereinigung von SPD und KPD befürwortet haben, warum nennen Sie Lafontaine einen "Geschichtsfälscher"? Herr Lafontaine betont schließlich das "auch"s.o..
Mit freundlichen Grüßen
Sascha Steffens
Sehr geehrter Herr Steffens,
vielen Dank für Ihre Frage an mich auf abgeordnetenwatch.de, auf die ich Ihnen gerne antworten möchte.
Die von Ihnen zitierte Pressemitteilung mit dem Titel "Lafontaine betätigt sich als Geschichtsfälscher" ist unter der Nummer 477/08 auf der Internetseite der SPD am 03. September veröffentlicht worden. Ich habe keinen Einfluss auf die Art, den Umfang und die Häufigkeit der Veröffentlichung der Pressemitteilungen in Printmedien oder Internet, die vom Parteivorstand der SPD herausgegeben werden. Die Vermutung, die Sie hegen, kann ich nicht bestätigen.
Die deutsche Sozialdemokratie steht seit 1863 für Freiheit, gegen die Bismarck´schen Sozialistengesetze, gegen den Terror der Nazis und gegen die kommunistische Unterdrückung. Auch heute stehen wir in dieser Tradition: für bürgerliche Freiheitsrechte und soziale Bürgerrechte.
Sozialdemokraten sind sich treu geblieben: Wir mussten niemals aus Gründen der politischen Opportunität unseren Namen wechseln.
Oskar Lafontaine, damals SPD-Bundesvorsitzender, hielt am 20. April 1996 eine kämpferische Rede. Von "Zwangsvereinigung" sprach er, von der "Vernichtung der Sozialdemokratie" durch "Verfolgung, Täuschung und Betrug". Die historischen Fakten, so Lafontaine in Berlin, zeigten: "Zu keinem Zeitpunkt gab es eine Mehrheit in der ostdeutschen Sozialdemokratie, die eine Vereinigung mit der KPD zu den von der KPD vorgeschlagenen Bedingungen befürwortet hätte." Die Originalzitate aus der Gedenkveranstaltung bestätigen meine Aussagen.
Zu Ihren Fragen möchte ich auch auf folgendes Buch, indem Sie alle relevanten und inhaltlich korrekten Details nachlesen können, verweisen: Die Zwangsvereinigung und die Folgen. Die erzwungene "Vereinigung" von SPD und KPD 1946. Materialien. Hrsg.: Vorstand der SPD, Historische Kommission. Red.: Heinrich Potthoff. Bonn: SPD, 1996.
Mit freundlichen Grüßen
Hubertus Heil, MdB