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Hubertus Heil
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Frage von Christian B. •

Frage an Hubertus Heil von Christian B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Heil,

wie Sie in Ihrer
Antwort am 23.07.08 an Herrn Diestel schreiben, hat sich das Grundgesetz für die repräsentative Demokratie entschieden.

Allerdings gebe ich Ihnen zu bedenken, daß viele Deutsche – und es ist die Mehrheit unseres Volkes, die nicht in Parteien organisiert ist - ein Interesse daran haben, über Wahlen hinaus an der politischen Willensbildung teilzuhaben, und zwar nicht nur auf regionaler, sondern auch auf nationaler Ebene.

Wie Sie sicher wissen, ist es dem Deutschen Volk auch nach der Wiedervereinigung versagt geblieben, über seine Verfassung abzustimmen. Sicher wäre auch in diesem Falle das Grundgesetz gute Basis unseres Gemeinwesens geblieben, eine vom Volk beschlossene Verfassung beinhaltete aber sicher die direktdemokratischen Elemente, die Ihre Partei, die Grünen, Linken und FDP mit mehr oder weniger Herz und parlamentarischen Anläufen bisher vergeblich einführen wollten. Ganz zu schweigen von grundlegenden Entscheidungen des Staatsaufbaus, wie für und wider Föderalismus, Verfassungsorgane und deren Zusammenwirken (Gewaltenteilung! ), Wehrverfassung u.s.w. …, die das Volk in seiner Verfassung treffen muß. Gut – das ist erstmal Geschichte, aber wie geht’s weiter?

Ich halte direktdemokratische Elemente als Korrektiv zur rein-repräsentativen Demokratie, wie sie unsere Verfassung grundsätzlich (!) vorsieht mittlerweile als unverzichtbar.

Meine Frage: Im Koalitionsvertrag über die Große Koalition wurde vereinbart, die Einführung direktdemokratischer Elemente mindestens zu prüfen. Wie ist denn da der Stand der Dinge?

Täte die SPD nicht gut daran, die Verweigerung der Union auch öffentlich zu machen? Die Union in diesem Zusammenhang als konservativ zu bezeichnen ist beschönigend formuliert. Man muß klar herausstellen, daß diese Partei Bürgerbeteiligung nicht will und fadenscheinige Argumente dagegen vorbringt.

Ich denke, diese Tatsache offen ausgesprochen würde viele Bürger zum Nachdenken bringen.

Mit freundlichen Grüßen
Christian Borz

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Sehr geehrter Herr Borz,

vielen Dank für Ihre Frage an mich auf abgeordnetenwatch.de, die ich Ihnen gerne beantworten möchte.

Die SPD-Bundestagsfraktion hatte bereits 1993, im Anschluss an die Beratungen der Gemeinsamen Verfassungskommission, einen Gesetzentwurf eingebracht, mit dem ein Volksentscheid auf Bundesebene ermöglicht werden sollte. Im Jahr 2002 hatten wir zusammen mit dem Koalitionspartner erneut einen Gesetzentwurf zur Einführung von Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid eingebracht. Da es sich um eine Verfassungsänderung handeln würde, bedürfte es aber einer Mehrheit von zwei Dritteln in Bundestag und Bundesrat, die nicht zustande kommt, solange die CDU/CSU-Fraktion das Vorhaben ablehnt.

Im Jahr 2004 haben wir deshalb nochmals versucht, die CDU/CSU-Fraktion umzustimmen, was damals leider nicht gelungen ist. Wir haben das Vorhaben trotzdem weiter verfolgt. Daher stand im Wahlmanifest der SPD zur Bundestagswahl 2005: "Wir brauchen mehr direkte Demokratie und damit den Volksentscheid." Im Koalitionsvertrag der 16. Wahlperiode ist jetzt vereinbart: "Die Einführung von Elementen der direkten Demokratie werden wir prüfen." Der Prüfauftrag bedeutet im Klartext, dass man sich in dieser Sache in der Koalitionsvereinbarung nicht einigen konnte und dementsprechend geht es auch in dieser Sache daher leider nicht entscheidend voran.

Der Verbindung von aktivierendem Staat und aktiver Zivilgesellschaft dient auch die direkte Mitsprache der Bürgerinnen und Bürger durch Volksbegehren und Volksentscheide. In gesetzlich festzulegenden Grenzen sollen sie die parlamentarische Demokratie ergänzen, und zwar nicht nur in Gemeinden und Ländern, sondern auch im Bund.

Mit freundlichen Grüßen

Hubertus Heil, MdB

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