Frage an Hubertus Heil von Michael S. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Heil,
als Generalsekretär der SPD können Sie mir sicherlich die Position Ihrer Partei näher bringen oder zumindest verständlich machen.
Wie ich derzeit höre, plant die SPD nach den neuesten Steuerhinterziehungsfällen eine drastische Erhöhung der Höchststrafe.
Kann man machen...
Was ich nicht verstehe ist allerdings, dass die gleiche SPD vehement eine Verschärfung des Strafrechts bei Gewalttaten (z.B. Jugendgewalt) oder ähnliches ablehnt.
Ist nun das Außerlandschaffen von Geld (Steuerhinterziehung ist ja dank unseres Steuerrechts sowieso Volkssport) so viel gravierender und schlimmer als Gewalttaten? Ist Leben und Gesundheit unserer Bürger (egal welche Nationalität Opfer und Täter haben) weniger wert als die Einkommensquelle des Staates?
Sie erlauben, dass - vielleicht ein wenig überspitzt - der Eindruck entsteht, auch der SPD geht es nur ums Geldraffen (zwecks Umverteilung) anstatt um den Schutz der Bürger...
Oder meinen Sie nicht, dass auch hier ein wenig mehr psychologische Betreuung die Steuerhinterzieher (von klein bis groß) der Resozialisierung näher bringen könnte als Haftstrafen?
Sehr geehrter Herr Silberhagen,
vielen Dank für Ihre Anfrage, auf die ich Ihnen sehr gerne antworten möchte.
Wenn man möchte, dass die Demokratie und der Rechtsstaat funktionieren, muss man Lösungen anbieten. Das hat die SPD in den beiden von Ihnen angesprochenen Fällen auch getan. Da gibt es keinen Gegensatz. Das möchte ich Ihnen gerne aufzeigen: Steuerbetrug ist kein Einzelfall, offenbar ist bislang nur die Spitze eines Eisberges bekannt. Wer sich selbst als "Wirtschaftselite" bezeichnet, muss seine Verantwortung für das Gemeinwohl unter Beweis stellen. Deshalb habe ich mich so deutlich zu den laufenden Steuerfahndungen geäußert. Bei vielen Managern ist eine Praxis eingerissen, die man nur unanständig nennen kann. Wahre Leistungsträger sind die, die sich an die Regeln halten. Niemand darf sich -- auch wenn es um das Steuern zahlen geht -- über Recht und Gesetz stellen.
Es war richtig, dass die SPD in den letzen Jahren die Ermittlungsmöglichkeiten der Finanz- und Strafverfolgungsbehörden verbessert hat. Jetzt kommt es darauf an, dass die entdeckten Fälle nicht mit Verfahrenseinstellungen gegen Geldbuße enden. Hier muss tatsächlich Anklage erhoben werden, auch um andere potentielle Täter abzuschrecken. Wir werden prüfen, ob das Strafmaß für Steuerhinterziehung in dieser Größenordnung verschärft werden muss. Es reicht schon heute bis zu einer Höchststrafe von 10 Jahren Freiheitsentzug. Dieser Strafrahmen wird aber in den seltensten Fällen ausgeschöpft. Hier muss künftig deutlicher werden, dass Steuerhinterziehung kein Kavaliersdelikt ist.
Das Geld, das Straftäter der Gemeinschaft entziehen, fehlt für Schulen, für Sicherheit und für Infrastruktur. Die solidarische Mehrheit in Deutschland darf sich dieses Verhalten nicht gefallen lassen. Der demokratische Rechtsstaat muss Konsequenzen zeigen.
Nicht anders hat die SPD zum Thema Jugendkriminalität Stellung genommen. Die SPD ist ganz klar bereit, über die Ursachen und die Bekämpfung von Jugendkriminalität zu diskutieren. Denn die gewalttätigen Übergriffe von Jugendlichen auf Bürgerinnen und Bürger sind erschreckender Anlass genug. Strafe UND Vorbeugung, eine Politik die Bürgerinnen und Bürger wirksam vor Gewalt und Kriminalität schützt -- das sind die Ziele sozialdemokratischer Politik.
Die bereits jetzt bestehenden rechtlichen Möglichkeiten, kriminelle Taten zu bestrafen, reichen aus. Sie müssen aber konsequent von den Gerichten genutzt werden. Es darf keine Toleranz gegenüber Gewalttätern geben. Weil eine Medaille auch immer zwei Seiten hat, weisen wir im selben Moment auf die Bekämpfung der Ursachen hin. Jugendgewalt ist letztlich auch ein Ergebnis von sozialer Ausgrenzung und fehlenden Bildungs- und Aufstiegschancen.
Mit freundlichen Grüßen
Hubertus Heil, MdB