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Hubertus Heil
SPD
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Frage von Joachim S. •

Frage an Hubertus Heil von Joachim S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Heil,

ich schreibe Sie an, weil mir bei allen getroffenen Massnahmen immer noch ein Zirkelschluss und eine klare Ansage fehlt, der die Arbeit und Familie in Zeiten von Corona ganzheitlich als jetzt erweiterten Rahmen umschliesst.
In CC hätte ich gerne ihre Kollegen Giffey, Spahn und Scholz gesetzt, deren Aussagen ihre zentrale Aufgabe Arbeit immer wieder für die ganzheitliche Umsetzung treffen.

Es besteht der Anspruch auf Kurzarbeitergeld mit entsprechenden Erhöhungen. Dieses lässt den Unternehmen einen Spielraum. Das Kurzarbeitergeld kann für die Sicherung von Arbeitsplätzen genutzt werden oder als Lohnersatz für Mütter und Väter, deren Kinder im Kindergarten und in der Schule nicht betreut werden können. Dies wird bis zum Ende der Sommerferien je nach Alter des Kindes und Bundesland keine oder wenig Änderung ergeben. Diese Handlungsweise unetrstütze ich beide. Mir und meinem persönlichen Umfeld fehlen Antworten auf folgende Fragen:

Welche Anweisung gibt es für Arbeitslose, die eine ähnliche Situation haben und eine neue Arbeit wegen der Kinderbetreuung nicht aufnehmen können?

Dürfen Arbeitslose in dem Fall überhaupt und immer eine Arbeit aufnehmen?

Im Falle einer Jain-Antwort: Haben diese Arbeitslose dann auch Anspruch auf erhöhtes Arbeitslosengeld wie die Kurzarbeiter, die wegen ihrer Familienrolle in Kurzarbeit sind?

Wir das ALG 1 fliessend nach hinten über die normlae Bezugsdauer verlängert, wenn die Krise und die politische Einbremsung der Pandemie wie erwartet länger dauert oder ist dann mit ALG 2 zu rechnen?
(die Finanzierung ist laut ihrem Kollegen Scholz ja kein Problem, da der Steuersäckel für ALLE gut gefüllt ist)

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Laut Minister Spahn ist Homeoffice und Homeschooling parallel nicht möglich und dazu kommt bei Alleinerziehenden ja noch Haushalting und Mitbewohnerbespassing dazu.
Homeoffic für die einen ein Gewinn und für die anderen ein unzumutbarer Zustand, besonders weil wechselseitige Fremdbetreuung mehrerer Kinder mit anderen Eltern immer noch nicht gemacht werden dürfen.

Wie sieht die Leistungsgerechtigkeit aus zwischen Homeoffice von nicht betreuenden zu betreuenden? Welche Aussichten, Vorgaben und Massnahmen gibt es dort von Seiten der Politik?

Wie wird die Bereitstellung und der Unterhalt des Heimarbeitsplatzes durch den Arbeitnehmer verpflichtend vom Arbeitgeber getragen?

Ich bin auf ihre Antwort gespannt und danke ihnen und ihren Kollegen herzlich für die Zeit und die Lösungen, die erarbeitet werden, damit die Lasten der Arbeit und die Lasten der Corona-Krise solidarisch getragen werden ohne dass einzelnde Härtefälle irgendwo durchs Sieb fallen.

Herzliche Grüsse

Joachim Scherger

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr S.,
vielen Dank für Ihre Nachricht und Ihre Nachfragen, die ich gerne im Folgenden beantworte.
1) Sie fragen welche Möglichkeiten es für Arbeitslose gibt, die keine neue Arbeit wegen der Kinderbetreuung aufnehmen können?
Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld setzt unter anderem voraus, dass der oder die Arbeitslose sich selbst um Arbeit bemüht und den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht. Dies bedeutet aber nicht, dass es Arbeitslosen verwehrt ist, ihre Kinder selbst zu betreuen. Die für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erforderliche Verfügbarkeit wird von den Agenturen für Arbeit immer dann angenommen, wenn die Betroffenen gegenüber der Agentur für Arbeit glaubhaft erklären, dass die Kinderbetreuung für den Fall der Arbeitsaufnahme oder die Teilnahme an einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme sichergestellt ist.
Dies wird von der Bundesagentur für Arbeit bereits seit Langem so praktiziert. Mit der Bundesagentur für Arbeit ist abgeklärt, dass dies auch in der gegenwärtigen Krisensituation so gehandhabt wird. Das bedeutet konkret: Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld scheitert nicht grundsätzlich daran, dass Kitas und Schulen in Folge der Infektionsschutzmaßnahmen aktuell noch teilweise geschlossen sind. Die Agenturen für Arbeit akzeptieren auch weiterhin eine Erklärung des oder der Arbeitslosen, dass die Kinderbetreuung für den Fall der Arbeitsaufnahme sichergestellt ist. Dies ist und war vielfach durch die Notbetreuungen in Kitas oder Grundschulen möglich, wenn keine andere Betreuungsmöglichkeit bestehen oder bestanden. Zudem ist unter bestimmten Bedingungen für Erwerbstätige auch eine Kinderbetreuung durch Personen, die nicht Angehörige des eigenen Hausstandes sind, möglich. Wichtig für die Betroffenen ist, dass die Agenturen für Arbeit von ihnen keinen konkreten Nachweis darüber verlangen, wie die Betreuung der Kinder sichergestellt ist.

2) Wird das ALG 1 über die normale Bezugsdauer verlängert?
Das Arbeitslosengeld hat die Aufgabe das Arbeitsentgelt zu ersetzen, das die Antragsteller wegen ihrer Arbeitslosigkeit aktuell nicht erzielen können. Der Gesetzgeber geht regelmäßig davon aus, dass dies dem zuletzt erzielten Arbeitsentgelt entspricht, das die Arbeitslosen im Falle einer Arbeitsaufnahme auf der Grundlage ihres zuletzt erzielten Bruttoarbeitsentgelts als Nettoentgelt erzielen könnten. Bei der Festsetzung der Höhe des Arbeitslosengeldes hat sich der Gesetzgeber davon leiten lassen, dass einerseits die Basis zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht zu stark sinken darf und andererseits die Aufnahme einer neuen Arbeit für den Arbeitslosen noch wirtschaftlich vernünftig sein muss. Mit einem Arbeitslosengeld nach einem Leistungssatz von 60 Prozent des letzten pauschalierten Nettoentgelts ist beiden Zielen Rechnung getragen. Arbeitslose mit Kindern im Sinne des Steuerrechts erhalten Arbeitslosengeld nach einem erhöhten Leistungssatz von 67 Prozent. Damit wird ihre besondere Belastung berücksichtigt.
Die Bundesregierung und der Gesetzgeber haben versucht, so schnell wie möglich auf die Covid-19-Pandemie zu reagieren, um die gravierenden akuten Folgen der Krise am Arbeitsmarkt für viele Betroffene zumindest abzumildern. Eine dieser Maßnahmen ist die von Ihnen angesprochene Verlängerung der Anspruchsdauer des Arbeitslosengeldes um einmalig drei Monate. Die Begrenzung dieser Sonderregelung auf Sachverhalte, in denen sich der Leistungsanspruch bis zum 31. Dezember 2020 erschöpft, berücksichtigt insbesondere die hohen finanziellen Belastungen, die die Bundesagentur für Arbeit im Bereich der Arbeitsförderung inklusive der Arbeitslosenversicherung in der kommenden Zeit zu schultern hat. Insoweit bestehen weitergehende Überlegungen derzeit nicht.
Die Sorgen um eine weiterhin schwierige Lage am Arbeitsmarkt sind gut nachvollziehbar. Auch auf diese Situation haben die Koalitionsparteien sehr schnell reagiert und ein beispielloses und umfassendes Konjunkturpaket mit zahlreichen Maßnahmen und Hilfen in einem Volumen von rund 130 Milliarden Euro vereinbart. Zu den Kernzielen dieses Konjunkturpaketes gehört es, die Nachfrage zu stärken, Beschäftigung zu sichern und zu stabilisieren und damit so schnell wie möglich zu einer positiven Trendwende am Arbeitsmarkt zu kommen.
Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen kann ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II bestehen. Der Anspruch ist u.a. davon abhängig, ob Leistungsberechtigte hilfebedürftig sind. Das bedeutet, dass Arbeitslosengeld II nach Auslaufen eines Anspruches auf Arbeitslosengeld gezahlt werden kann, aber auch bereits während des Bezuges von Arbeitslosengeld als ergänzende Leistung.

3) Sie fragen weiterhin welche Schritte für Bürgerinnen und Bürger geplant sind, die neben dem Homeoffice auch Homeschooling leisten müssen.
Im Ergebnis des Koalitionsausschusses vom 3. Juni 2020 haben sich die Koalitionsparteien darauf verständigt, auch Familien im Rahmen eines Konjunktur- und Krisenbewältigungspakets zu unterstützen. Mit einem einmaligen Kinderbonus von 300 Euro pro Kind für jedes kindergeldberechtigte Kind werden die besonders von den Einschränkungen betroffenen Familien unterstützt. Dieser Bonus wird mit dem steuerlichen Kinderfreibetrag vergleichbar dem Kindergeld verrechnet. Er wird nicht auf die Grundsicherung angerechnet.

4) Zuletzt fragen Sie danach inwieweit der Arbeitgeber verpflichtet ist einen Homeoffice Arbeitsplatz auszustatten.
Die Arbeitsstättenverordnung enthält in § 2 Abs. 7 Bestimmungen zur Einrichtung für Telearbeitsplätze durch den Arbeitgeber, die jedoch an eine auf freiwilliger Basis abzuschließende vertragliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber bzw. entsprechende Betriebs- oder Tarifvereinbarungen gekoppelt sind. Im Arbeitsschutzrecht werden ansonsten keine Bedingungen formuliert, die den Arbeitgeber verpflichten, eine solche Vereinbarung abzuschließen.
Ansonsten ist der Arbeitgeber gem. §§ 5 und 6 Betriebssicherheitsverordnung verpflichtet, geeignete Arbeitsmittel zur Verfügung zu stellen und für deren Prüfung, Wartung und Instandhaltung zu sorgen. Allerdings können auch die Arbeitnehmer Arbeitsmittel bereitstellen, die Pflicht zur Prüfung (insbesondere vor der Verwendung für die Arbeit), Wartung und Instandhaltung obliegt aber auch in diesen Fällen dem Arbeitgeber.

Sie sprechen damit in der Tat wichtige Fragen an, die es zu regeln gilt, insbesondere im Bereich Arbeits- und Gesundheitsschutz: Wie schützen wir vor Unfällen? Welche Sicherheit hat man am häuslichen Arbeitsplatz? Wie sichern wir die technische Infrastruktur und den Zugang zum Betrieb? Wie kann man sicher mit eigenem Computer dienstlich arbeiten? Wie wird Arbeitszeit erfasst? Wie steht es um die Erreichbarkeit?
Dies wollen wir mit einem Homeoffice-Standard sicherstellen. Deshalb erarbeite ich aktuell einen Gesetzesentwurf.
Ich hoffe Ihnen mit meiner Antwort weitergeholfen zu haben.

Mit freundlichen Grüßen

Hubertus Heil

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