Frage an Hubertus Heil von Bernd W. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Heil,
mit welcher Begründung planen sie als Arbeitsminister derzeit die bestehenden Arbeitszeit(schutz)vorschriften für bestimmte Berufsgruppen in auszuweiten?
Mit welcher Begründung glauben sie, dass diese Massnahme in der derzeitigen Situation allgemein und im besonderen den davon betroffenen Menschen helfen soll?
Gibt es keine anderen Möglichkeiten an dieser Stelle mehr Personal einzusetzen?
Gerade diese Berufsgruppen müssen derzeit weit mehr als andere leisten und stehen unter besonderen Anspannungen und da soll ihnen auch noch das letzte bisschen Schutz genommen werden was sie haben?
Sehr geehrter Herr W.,
vielen Dank für Ihre Nachricht und Ihre Nachfrage zum zu den vorübergehenden krisenbedingten Ausnahmen von Arbeitszeitregelungen.
Die Covid-19-Pandemie stellt uns alle vor erhebliche Herausforderungen. Gerade jetzt müssen wir das ordnungsgemäße Funktionieren des Gemeinwesens sicherstellen, für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, des Gesundheitswesens und der pflegerischen Versorgung, der Daseinsvorsorge oder Versorgung der Bevölkerung mit existenziellen Gütern sorgen. In diesen Bereichen sind im Moment Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer besonders gefordert. Die Realität zeigt, dass es derzeit dort kaum möglich ist, die Schutzregelungen des Arbeitszeitgesetzes einzuhalten. Die Bundesländer haben daher bereits zahlreiche Sonderregelungen erlassen, die unterschiedlich ausgestaltet sind. Diese werden mit der befristeten Verordnung zu Abweichungen vom Arbeitszeitgesetz weitgehend vereinheitlicht.
Die in der Verordnung geregelten Ausnahmen gelten nur für eng und klar bestimmte Tätigkeiten, die wegen der Ausbreitung des Coronavirus notwendig sind und nur für die Zeit der Pandemie. Dabei geht es um Ausnahmen von Höchstarbeitszeiten, Mindestruhezeiten sowie vom grundsätzlichen Beschäftigungsverbot an Sonn- und Feiertagen und um notwendige Ausgleichsregelungen. Die Verordnung soll vom 9. April 2020 bis zum 31. Juli 2020 gelten. Damit sichergestellt ist, dass der notwendige und geforderte Ausgleich innerhalb der Laufzeit der Verordnung erfolgt, dürfen die Ausnahmen nur bis zum 30. Juni 2020 in Anspruch genommen werden.
Welche Ausnahmeregelungen gibt es?
Trotz aller Herausforderungen und Einschränkungen aufgrund der aktuellen Situation geht es uns in Deutschland verglichen mit anderen Ländern noch relativ gut. Damit das auch so bleibt, müssen wir jetzt dafür sorgen, dass unser Gesundheitssystem weiterhin gut aufgestellt ist, dass die Menschen pflegerisch und mit existenziellen Gütern versorgt sind und die Daseinsvorsorge funktioniert. Um dieser Ausnahmesituation gerecht zu werden, nehmen wir im Arbeitszeitgesetz Ausnahmeregelungen vor.
Zu diesem Zweck und befristet bis zum 30. Juni 2020 kann die tägliche Arbeitszeit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in systemrelevanten Bereichen auf bis zu
12 Stunden verlängert werden. Dies gilt aber nur dann, wenn der Arbeitgeber nicht in der Lage ist, die Mehrarbeit seiner Beschäftigten durch zusätzliche Einstellungen oder andere personalwirtschaftliche Maßnahmen zu vermeiden. In jedem Fall muss ein Zeitausgleich dieser Mehrarbeit innerhalb von sechs Monaten beziehungsweise innerhalb von 24 Wochen erfolgen. Denn wir machen keine Ausnahme von der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers für seine Beschäftigten. Ganz im Gegenteil: Auch und vor allem Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf Sicherheit und Gesundheit.
Das gilt auch, wenn die tägliche Ruhezeit aufgrund der Ausnahmeregelung um bis zu zwei Stunden verkürzt wird: Eine Mindestruhezeit von neun Stunden darf nicht unterschritten werden und jede Verkürzung der Ruhezeit auf weniger als elf Stunden muss innerhalb von vier Wochen ausgeglichen werden – entweder durch freie Tage oder durch Verlängerung anderer Ruhezeiten auf jeweils mindestens dreizehn Stunden.
Bestimmte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dürfen auch an Sonn- und Feiertagen beschäftigt werden, wenn die Arbeiten aufgrund der außergewöhnlich hohen Belastung nicht werktags erledigt werden konnten. Auf jeden Fall muss es dafür einen Ersatzruhetag geben, der innerhalb von acht Wochen gewährt werden kann, spätestens aber bis zum Außerkrafttreten der Verordnung am 31. Juli 2020 gewährt worden sein muss.
Nur in dringenden Notfällen und wenn sich das durch keinerlei personalwirtschaftliche Maßnahmen des Arbeitgebers vermeiden lässt, darf bei all diesen Ausnahmeregelungen die wöchentliche Arbeitszeit 60 Stunden überschreiten.
Für wen gelten die Ausnahmeregelungen?
Klar ist: Die Ausnahmemöglichkeiten dürfen nur im Notfall genutzt werden und beschränken sich auf eng begrenzte Tätigkeiten:
- Das Herstellen, Verpacken einschließlich Abfüllen, Kommissionieren, Liefern an Unternehmer, Be- und Entladen und Einräumen von
O Waren des täglichen Bedarfs,
o Arzneimitteln, Medizinprodukten, weiteren apothekenüblichen Waren, Hilfsmitteln,
o Produkten, die zur Eingrenzung, Bekämpfung und Bewältigung der COVID-19- Epidemie eingesetzt werden,
o Stoffen, Materialien, Behältnissen und Verpackungsmaterialien, die zur Herstellung und zum Transport der genannten Waren, Mittel und Produkte erforderlich sind,
- Medizinische Behandlung sowie Pflege, Betreuung und Versorgung von Menschen einschließlich Assistenz- und Hilfstätigkeiten,
- Not- und Rettungsdienste, Feuerwehr und Zivilschutz,
- Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie der
- Funktionsfähigkeit von Gerichten und Behörden,
- Energie- und Wasserversorgungsbetrieben sowie Abfall- und Abwasser- entsorgungsbetrieben,
- Landwirtschaft und Tierhaltung sowie Behandlung und Pflege von Tieren,
- Sicherstellung von Geld- und Werttransporten sowie Bewachung von Betriebsanlagen,
- Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit von Datennetzen und Rechnersystemen,
- Apotheken und Sanitätshäuser im Rahmen der zugelassenen Ladenöffnungszeiten und bei erforderlichen Vor- und Nacharbeiten sowie Abhol- und Lieferdienste von Apotheken und Sanitätshäusern.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen.
Mit freundlichen Grüßen
Hubertus Heil