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Hubertus Heil
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Frage von Christian K. •

Frage an Hubertus Heil von Christian K. bezüglich Verbraucherschutz

Sehr geehrter Herr Heil,

in der letzten Zeit sehe ich insbesondere im Zuge des zweiten Korbs der Urheberrechtsnovelle eine erhebliche Einschränkung im Bezug auf die Rechte der Bürger. Als Beispiel seien hier nur MusikCDs genannt, die nicht mehr in allen Geräten lauffähig sind (aufgrund einer technischen Kopierschutzmaßnahme) und das Übertragen dieser Musik auf andere Medien aber strafbar ist, da hierzu der technische Kopierschutz umgangen werden muss. Gleiches gilt in Kürze für digital ausgestrahlte TV-Sendungen, welche nur noch in Geräten abspielbar sind, die eine regelrechte "Mauer" um den Inhalt ziehen.
Faktisch wird damit die Privatkopie, seit jeher ein ungeliebtes Kind der sog. "Urheber und Rechteinhaber", abgeschafft. Der Konsument erwirbt nicht mehr Daten, sondern nur noch das Recht, Daten nach dem Gutdünken des Rechteinhabers zu verwenden, welches aber oftmals sogar die prinzipiell legale Verwendung aufgrund technischer Probleme untersagt.

Meine Frage ist nun, wie Sie und ihre Partei hier in Zukunft weiter agieren werden. Wird weiterhin das Recht des Urhebers über das des Konsumenten gestellt, oder wird es hier gar eine Korrektur der bisherigen Gesetzeslage geben?

Mit besten Grüßen

Christian König

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Sehr geehrter Herr König,

vielen Dank für Ihre Anfrage zur Novellierung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft. Gerne möchte ich die Gelegenheit ergreifen zu einigen von Ihnen genannten Punkten Stellung zu beziehen.

Die aktuelle Novelle des Urheberrechtgesetzes dient der Umsetzung der europäischen Richtlinie „Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft“. Sie hat zum Ziel, das Urheberrecht an die neuen technologischen, durch Digitalisierung und internationale Vernetzung geprägten Bedingungen der Informationsgesellschaft anzupassen. Diese Richtlinie wird in zwei Schritten umgesetzt. Den Gesetzentwurf zum „ersten Korb“ hat der Deutsche Bundestag nach intensiven Beratungen am 11. April 2003 beschlossen. Der Bundesrat hat auf seiner Sitzung vom am 23. Mai 2003 den Vermittlungsausschuss angerufen, in dem nach kurzer Zeit ein Kompromiss erzielt werden konnte. Dieser Neufassung stimmten schließlich der Deutsche Bundestag am 3. Juli 2003 und der Bundesrat am 11. Juli 2003 endgültig zu.

Die Notwendigkeit, das Urheberrecht an die dynamische technologische Entwicklung anzupassen, bestreitet niemand mehr. Die parlamentarische Beratungen sowie die Anhörung des Rechtsausschusses vom 29. Januar 2003 konzentrierten sich daher auf die schwierige politische Kompromisssuche zwischen den Interessen der Urheber und Rechteinhabern einerseits und den Anforderungen der Informations- und Wissensgesellschaft andererseits. Nur so ist verständlich, dass auch die von ihnen angesprochene Regelung zur so genannten „digitalen Privatkopie“ ebenfalls nur als Kompromiss durchsetzbar war, bei dem beide Seiten Abstriche machen mussten. Insbesondere die Inhalteanbieter (Musik, Film, Verlage usw.) forderten wiederholt weitergehende Einschränkungen oder gar ein Verbot der digitalen Privatkopie.

Grundsätzlich stellt die Novelle in § 53 Absatz 1 dem entgegen aber klar, dass die Vervielfältigungsschranke zum privaten Gebrauch für analoge wie digitale Träger gilt. Ausgangspunkt dieser Regelung ist die von uns geteilte Überzeugung, dass erstens individuelle Lizenzierungssysteme wie „Digital Rights Management“ (DRM) technisch noch nicht in der Lage sind, das bewährte Pauschalsystem vollständig zu ersetzen. Da zweitens zudem private erstellte Digitalkopien weiterhin kaum oder nur mit hohen Eingriffen in die Privatsphäre effektiv kontrollierbar sind, stellt ihre Zulassung zum privaten Gebrauch derzeit die geringere Eingriffsintensität und sachangemessenere Lösung dar. Ein anderer Punkt ist selbstverständlich, dass diese Nutzung keinesfalls kostenlos erfolgen kann, sondern über die pauschale Geräte- und Leermedienabgabe an die Verwertungsgesellschaften vergütet werden muss und die allen Urhebern zugute kommen. Besonders kontrovers werden hier gegenwärtig die sogenannte PC- und CD-Brenner-Abgabe diskutiert, da die daraus entstehenden Mehrkosten für digitale Endgeräte aller Voraussicht nach letztlich vom Verbraucher zu tragen sein werden. Aber ohne pauschale Geräteabgaben ist die digitale Privatkopie letztlich nicht realisierbar.

Zugegebenermaßen kollidiert die Zulässigkeit der digitalen Privatkopie mit dem Umgehungsverbot technischer Schutzmaßnahmen, das die Urheberrechts-Novelle zeitgleich in § 95a einführt. In der Tat stehen auch der im Rahmen dieser Schranke zulässigen Nutzung zunehmend Kopierschutzmaßnahmen beispielsweise der Musik- oder Filmindustrie entgegen. Der zugegebenermaßen schwierige Kompromiss sieht hier vor, dass die Umgehung dieser technischen Schutzmaßnahmen straffrei gestellt wird, sofern sie zum Zwecke der digitalen Privatkopie vorgenommen wird. Vergleichbar war auch im bisherigen Urheberrecht die Selbsthilfe ebenso möglich, wie das unentgeltliche Anfertigen lassen von Kopien durch andere, persönlich verbundene Personen. Neu ist allerdings, dass unter Umständen Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche bestehen, so dass eine gewisse Widersprüchlichkeit nicht zu leugnen ist.

Auch deshalb stellte der Kompromiss zur digitalen Privatkopie nur einen Zwischenstand der Diskussion dar. Im „zweiten Korb“ wurde über diese Frage nochmals intensiv beraten, wobei wir uns dann eine eindeutigere Entscheidung und Umsetzung erhoffen, die die Nutzerinnen und Nutzer auf keinen Fall schlechter stellt. Da der Gesetzesentwurf jedoch noch nicht im parlamentarischen Verfahren war, kann ich an dieser Stelle nicht sagen, ob bei einem Regierungswechsel nochmals Änderungen, und wenn ja in welcher Form, vorgenommen werden.

Sollten Sie weitere Informationen benötigen stehe ich Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Hubertus Heil

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