Frage an Hubertus Heil von Konrad S. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Minister
Warum werden bei der geplanten Finanztransaktionsteuer,nur die Aktien käufer herangezogen,während hochspekulative Anlageformen wie Derivate bzw. Hochfrequenzhandel(die massgeblich an der Finanzkrise beteiligt waren)aussen vor bleiben?
Mit freundlichen Grüssen Summerer Konrad
Sehr geehrter Herr S.,
viele Dank für Ihre Nachfrage bezüglich der Finanztransaktionssteuer (FTT).
Wir, die Mitglieder der SPD, setzen uns für die Einführung der FTT ein, um für eine faire Besteuerung des Finanzsektors zu sorgen und dazu beizutragen, dass sich alle Teile der Wirtschaft angemessen an der Finanzierung unseres Gemeinwesens beteiligen. Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, dass die Bundesregierung zum Ziel hat, die FTT im „europäischen Kontext“ einzuführen. Diese europäische Lösung treiben wir mit Hochdruck voran.
Bislang unterliegen Finanzdienstleistungen – anders als sonstige Güter und Dienstleistungen – ganz überwiegend nicht der Umsatzsteuer. Dies führt dazu, dass für den Finanzsektor im Unterschied zu den meisten Sektoren der Realwirtschaft, etwa dem Einzelhandel, keine durchgängige allgemeine Verbrauchsteuer oder eine besondere Verkehrsteuer greift. Auf dieses grundlegende strukturelle Problem weisen auch europäische und internationale Organisationen wie die Europäische Kommission und der Internationale Währungsfonds hin. Eine faire Besteuerung des Finanzsektors ist schon aufgrund der enormen direkten und indirekten Kosten der Finanzkrise von 2008/2009 angezeigt. Die FTT ist somit ein weiterer Baustein unserer Maßnahmen für ein gerechtes Steuersystem.
Das bereits vorgeschlagene Modell orientiert sich an der FTT wie sie bereits in Frankreich existiert. Danach wird die FTT auf den Erwerb von Aktien von börsennotierten Unternehmen erhoben werden, die ihren Hauptsitz im Inland haben. Dabei werden nur Unternehmen einbezogen, deren Marktkapitalisierung am 1. Dezember des vorangegangenen Jahres 1 Mrd. Euro übersteigt. Der Steuersatz soll bei 0,2 Prozent liegen. Besteuerungsgegenstand wird der Erwerb von Anteilen dieser Unternehmen sein. Nicht besteuert werden Erstemissionen, Market-Making und Intraday-Handel. Mit diesen Ausnahmen wird sichergestellt, dass die für die Realwirtschaft wichtige Kapitalaufnahme von Unternehmen nicht erschwert und andererseits die Marktliquidität nicht eingeschränkt wird.
Insbesondere aufgrund der Geschehnisse im Zusammenhang mit der Finanzkrise 2008/2009 kann ich Ihre Verwunderung drüber, dass nach aktuellem Vorschlag Derivate und weitere Finanzprodukte nicht unter die Besteuerung fallen, verstehen. Es ist richtig, dass die FTT in der derzeit diskutierten engen Ausgestaltung nicht darauf ausgerichtet ist, jedes kurzfristige „Spekulieren“ auf den Finanzmärkten zu unterbinden. Sie dürfte jedoch die Haltefristen von Aktien tendenziell verlängern.
Eine FTT mit breiter Bemessungsgrundlage, die dann auch das Spekulieren einschränken würde, ist nur international abgestimmt möglich. Finanzhändler können ansonsten sehr leicht die Handelsplätze, an denen sie handeln, wechseln. Eine breit angelegte FTT war aber derzeit nicht durchsetzbar, weder auf G20- noch auf EU-Ebene. Gleichzeitig ist bei einer Einführung einer breiten FTT nur in Deutschland eine starke Ausweichreaktion zu erwarten. Die Auswirkungen wären nicht nur für den Finanzstandort Deutschland und die deutsche Volkswirtschaft insgesamt nachteilig, sondern es wären auch nur geringe Mehreinnahmen zu erzielen.
Wie auch Sie hält die SPD eine umfassendere Besteuerung unter Einbeziehung von Derivaten und anderen Finanzprodukten vielfach aus guten Gründen für zweckmäßiger. Wir arbeiten deshalb daran, einen internationalen Konsens herzustellen, damit für eine weitergehende Lösung weitgearbeitet werden kann. Dennoch schaffen wir mit der nun vorgesehenen FTT immerhin ganz konkret den Einstieg in eine fairere Besteuerung des Finanzsektors, der bisher keiner Verkehrsteuer unterliegt. Somit ist die aktuell vorgesehene Lösung ein erster Schritt, der eine weiterreichende FTT definitiv nicht ausschließt.
Mit freundlichen Grüßen
Hubertus Heil