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Hubertus Heil
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Frage von Christian N. •

Frage an Hubertus Heil von Christian N. bezüglich Finanzen

Guten Tag Herr Heil,

wie kann es sozialdenokratisch sein eine Finanztransaktionssteuer auf Aktienhandel erheben zu wollen, welcher immer essentieller für die private Vorsorge wird, aber den Hochfrquenzhandel, welcher den größten Beitrag zur Destabilisesrung des Finanzsystems beiträgt, unangetastet zu lassen? Meiner Meinung nach stemmt auch hier wieder der Mittelstand alleine die Kosten.

Ich würde gerne verstehen welche langfristige Strategie dahinter steckt diese Fianaztransaktionsteuer zu planen? In meinen Augen wird die Steuer weiter dazu beitragen, dass sich Wähler nicht von der SPD verstanden fühlen. Außer vielleicht Wähler, welche im dereguierten Hochfrequenzhandel ein gutes Geschäft machen.

Vielleicht verstehe ich nach ihrer Antwort worum es geht.

Ansonsten hoffe ich, dass Sie sich innerparteilich gegen diese Idee stellen.

Danke

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr N.,

vielen Dank für Ihre Nachfrage bezüglich der Finanztransaktionssteuer (FTT).

Wir, die Mitglieder der SPD Fraktion, setzen uns für die Einführung der FTT ein, um für eine faire Besteuerung des Finanzsektors zu sorgen und dazu beizutragen, dass sich alle Teile der Wirtschaft angemessen an der Finanzierung unseres Gemeinwesens beteiligen. Bislang unterliegen Finanzdienstleistungen – anders als sonstige Güter und Dienstleistungen – ganz überwiegend nicht der Umsatzsteuer. Dies führt dazu, dass für den Finanzsektor im Unterschied zu den meisten Sektoren der Realwirtschaft, etwa dem Einzelhandel, keine durchgängige allgemeine Verbrauchsteuer oder eine besondere Verkehrsteuer greift. Auf dieses grundlegende strukturelle Problem weisen auch europäische und internationale Organisationen wie die Europäische Kommission und der Internationale Währungsfonds hin. Eine faire Besteuerung des Finanzsektors ist uns deshalb besonders wichtig. Die FTT ist dabei ein weiterer Baustein unserer Maßnahmen für ein gerechtes Steuersystem.

Das bereits vorgeschlagene Modell orientiert sich an der FTT wie sie bereits in Frankreich existiert. Danach wird die FTT auf den Erwerb von Aktien von börsennotierten Unternehmen erhoben werden, die ihren Hauptsitz im Inland haben. Dabei werden nur Unternehmen einbezogen, deren Marktkapitalisierung am 1. Dezember des jeweils vorangegangenen Jahres 1 Mrd. Euro übersteigt. Der Steuersatz soll bei 0,2 Prozent liegen. Besteuerungsgegenstand wird der Erwerb von Anteilen dieser Unternehmen sein. Für Deutschland rechnen wir mit jährlichen Steuereinnahmen von rund 1,5 Mrd. Euro. Einen erheblichen Teil dieser Einnahmen werden wir für die Finanzierung der Grundrente verwenden. Damit wird ein zentrales Vorhaben für mehr Gerechtigkeit in unserem Land durch eine faire Steuer finanziert.

Die Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit ist eines der wichtigsten Anliegen der SPD. Deshalb ist es uns ebenso wichtig, dass die FTT nicht zu Lasten der Kleinanleger und Mittelständler ausfällt. Nach dem aktuellen Vorschlag wird dies auch nicht der Fall sein. Wichtig ist hier die Unterscheidung zwischen dem Aktienhandel und dem Aktienbesitz. Besteuert wird lediglich der Handel. Einkommensschwächere Kleinanleger sind keine Aktienhändler und auch keine Spekulanten. Menschen, die für ihr Alter vorsorgen, sind an langfristigen Anlagen interessiert, nicht an kurzfristigen Kursgewinnen. Sie sparen langfristig, kaufen die Aktien und lassen sie dann über einen längeren Zeitraum im Depot liegen. Die Steuer wird nur einmal beim Kauf der Aktie fällig. Durchschnittliche Privatanleger zahlen also weitaus weniger Steuer als solche, die auf kurzfristige Kursgewinne spekulieren und eine Vielzahl von Transaktionen in kurzer Zeit durchführen. In der Praxis wird die Steuer insbesondere von Banken, Finanzdienstleistern und anderen institutionellen Anlegern gezahlt werden.

Zusätzlich haben wir uns für einen Steuersatz eingesetzt, der die Kosten für Privatanleger gering hält. Der niedrige Steuersatz in Höhe von 0,2 Prozent hält die Kosten für Privatanleger in engen Grenzen. Wir haben uns dabei an den Positivbeispielen aus Frankreich und England orientiert. In beiden Ländern wurde nach der Einführung einer FTT keine nennenswerten Auswirkungen auf das Anlage- und Sparverhalten festgestellt.

Ich freue mich über den Erfolg einer maßvoll ausgestalteten FTT, bei der trotzdem zusätzliche Kosten für Privatanleger begrenzt sind.

Ich kann Ihre Unverständnis bezüglich der fehlenden Besteuerung weiterer Finanzprodukte des Hochfrequenzhandels verstehen. Es ist richtig, dass die FTT in der derzeit diskutierten engen Ausgestaltung nicht darauf ausgerichtet ist, jedes kurzfristige „Spekulieren“ auf den Finanzmärkten zu unterbinden.

Allerdings ist eine FTT mit breiter Bemessungsgrundlage, die dann auch das Spekulieren einschränken würde, nur international abgestimmt möglich. Finanzhändler können ansonsten sehr leicht die Handelsplätze, an denen sie handeln, wechseln. Eine breit angelegte FTT ist derzeit leider nicht durchsetzbar, weder auf G20- noch auf EU-Ebene. Gleichzeitig ist bei einer Einführung einer breiten FTT nur in Deutschland eine starke Ausweichreaktion zu erwarten. Die Auswirkungen wären nicht nur für den Finanzstandort Deutschland und die deutsche Volkswirtschaft insgesamt nachteilig, sondern es wären auch nur geringe Mehreinnahmen zu erzielen.

Wie auch Sie halte ich eine umfassendere Besteuerung unter Einbeziehung von Derivaten und anderen Finanzprodukten vielfach aus guten Gründen für zweckmäßiger. Wir arbeiten deshalb daran, einen internationalen Konsens herzustellen, damit für eine weitergehende Lösung gearbeitet werden kann. Dennoch schaffen wir mit der nun vorgesehenen FTT immerhin ganz konkret den Einstieg in eine fairere Besteuerung des Finanzsektors, der bisher keiner Verkehrsteuer unterliegt. Somit ist die aktuell vorgesehene Lösung ein erster Schritt, der eine weiterreichende FTT definitiv nicht ausschließt.

Mit freundlichen Grüßen

Hubertus Heil

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