Frage an Hubertus Heil von Siegfried E. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Heil,
warum wollen Sie bei der Grundrente auf eine Bedürftigkeitsprüfung verzichten?
Mit freundlichen Grüßen
Siegfried Ebert
Sehr geehrter Herr E.,
vielen Dank für Ihre Nachricht und Ihre Nachfrage zur Bedürftigkeitsprüfung bei der geplanten Grundrente.
Ich bin der festen Überzeugung, dass es bei der Grundrente um Anerkennung und Respekt für die erbrachte Leistung eines langen Arbeitslebens geht – so steht es auch im Koalitionsvertrag.
Die Grundrente ist eine Leistung der gesetzlichen Rentenversicherung und die kennt keine Bedürftigkeitsprüfung wie in der Grundsicherung. Wer sich die Grundrente erarbeitet hat, soll sie auch bekommen. Falls sie mit anderen Einkünften zusammentrifft, wird sie dann gerechterweise auch dem Gesamteinkommen entsprechend besteuert. Das ist bei der Mütterrente auch so. Die Einführung einer Bedürftigkeitsprüfung in der Rentenversicherung, die dieses System bisher nicht kennt, würde erhebliche zusätzliche Bürokratie bedeuten.
Wenn man das mal praktisch sieht: Jemand hat sein Leben lang als Maler gearbeitet, dessen Frau ihr Leben lang als Verkäuferin. Als ihre drei Kinder klein waren, hat sie reduziert, hat auch mal für zwei oder drei Jahre ganz ausgesetzt. Jetzt kommen sie so über die Runden, die Rente des Mannes ist nicht groß, die Rente der Frau nur klein. Und durch die Bedürftigkeitsprüfung würde die Rente auch klein bleiben, denn gemeinsam liegen sie gerade etwas über dem Grundsicherungsbedarf. Für diese Menschen, besonders für die Frau, wäre die Grundrente ein großer Schritt, weil ihre Rente deutlich steigen würde und sie so auch mal wegfahren oder ihren Enkeln ein größeres Geschenk machen könnten.
Menschen, die jahrzehntelang gearbeitet haben sollen nicht ergänzende/zusätzliche staatliche Hilfen beantragen müssen, und ihre gesamten Einkommens- und Vermögensverhältnisse und die ihres Lebenspartners oder ihrer Lebenspartnerin offenlegen müssen. Und dann bekommen sie im Ergebnis nicht mehr Geld vom Staat als jemand, der nie gearbeitet hat. Es gibt zudem eine gewisse Anzahl von Menschen, die trotz möglichen Anspruchs aus den verschiedensten Gründen keine Fürsorgeleistungen des Staates beantragen. Dies haben zuletzt am 6. Mai 2019 auch mehrere Sachverständige in der Sachverständigenanhörung zum Thema „Bekämpfung von Altersarmut bei Rentnern“ im Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages bestätigt.
Bei den meisten langjährigen Versicherten ist die Rente höher als der Regelbedarf zum Lebensunterhalt. Bedürftigkeit kann insbesondere aber auch durch relativ hohe Wohnkosten oder Sonderbedarfe (etwa wegen einer Behinderung) entstehen. Würde man die Gewährung einer Grundrente von einer Bedürftigkeitsprüfung abhängig machen, bekämen daher auch diejenigen eher eine „Grundrente“, die wegen (relativ) hoher Wohnkosten bedürftig sind. Mit Anerkennung von Lebensleistung hätte das nicht viel zu tun. Gleichzeitig müsste bei einer vollständigen Bedürftigkeitsprüfung auch Vermögen angerechnet werden.
Insgesamt geht es darum, dass diese Menschen ihre Ansprüche durch Arbeit und Leistung erworben haben, nicht weil sie bedürftig sind. Und bei einem höheren Haushaltseinkommen von Ehepaaren müssen auch mehr Steuern gezahlt werden. Damit findet bei der Steuererhebung praktisch eine Einkommensprüfung durch das Finanzamt statt.
Ich hoffe ich konnte Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen.
Mit freundlichen Grüßen
Hubertus Heil