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Frage von Lina F. •

Frage an Hubertus Heil von Lina F. bezüglich Senioren

Sehr geehrter Herr Heil, warum werden bei der Mütterrente Frauen, die ihre Kinder in einem Land außerhalb der Europäischen Union (EU) geboren haben nicht berücksichtigt?

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Sehr geehrte Frau Friesen,

vielen Dank für Ihre Nachricht und Ihre Frage zur Mütterrente.

Zunächst möchte ich meinem Schreiben vorausschicken, dass die Auslegung der Rentengesetze und ihre Anwendungen im Einzelfall den zuständigen Rentenversicherungsträgern und im Streitfalle den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit obliegen. Ich bin von meiner Aufgabenstellung her nicht befugt, die Entscheidungen dieser Stellen im Einzelfall abzuändern oder aufzuheben. Deshalb möchte ich mich hier auf nachfolgende allgemeine Hinweise zur gesetzlichen Regelung beschränken.

Grundsätzlich wird die Kindererziehungszeit nur dann rentenrechtlich berücksichtigt, wenn das Kind im Inland oder im jeweiligen Geltungsbereich der deutschen Rentenversicherungsgesetze erzogen worden ist. Bei Erziehung außerhalb dieses Gebietes können in aller Regel Erziehungszeiten nicht angerechnet werden. Dabei kommt es weder auf die Staatsangehörigkeit der Erziehungsperson noch da-rauf an, dass das Kind später in Deutschland aufwächst und lebt. Der Ausschluss der rentenrechtlichen Anerkennung von Kindererziehungszeiten im Ausland ist die Konsequenz der Ausgestaltung der Kindererziehungszeit als Pflichtbeitragszeit wie die aus einer Erwerbstätigkeit. Auch ein Beschäftigungsverhältnis im Ausland unterliegt - dem Territorialitätsprinzip entsprechend - grundsätzlich nicht der deutschen Versicherungspflicht.

Von dem Grundsatz, dass Kindererziehung nur im „Inland“ berücksichtigt wird, gibt es allerdings eng begrenzte Ausnahmen, die entsprechend der Zielsetzung des Gesetzes Tatbestände erfassen, in denen auch eine Erwerbstätigkeit im Ausland zum Erwerb von Rentenanwartschaften in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung führen würde. Beispielsweise werden Zeiten der Erziehung im Aus-land dann anerkannt, wenn die erziehende Person oder ein sie begleitender Ehegatte aufgrund einer dort (im Ausland) ausgeübten Beschäftigung (im Rahmen einer Entsendung) weiterhin in einer engen Beziehung zur Arbeits- und Erwerbswelt in Deutschland steht oder wenn durch ein sogenanntes Rumpfarbeitsverhältnis eine fortdauernde Integration ins inländische Arbeitsverhältnis weiterbesteht. Auch das Europarecht sieht unter bestimmten Voraussetzungen weitere Anrechnungsmöglichkeiten für Erziehungszeiten vor, die Nachteile ausgleichen sollen, die dadurch entstehen können, dass Personen von ihrem europarechtlich garantierten Recht Gebrauch machen, ihren Wohnsitz oder Tätigkeitsort in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen. Daneben werden nach dem Fremdrentenrecht die durch den zweiten Weltkrieg betroffenen, anerkannten Vertriebenen, Aussiedler und Spätaus-siedler in die gesetzliche Rentenversicherung integriert, indem diese Personen so gestellt werden, als ob sie ihr Erwerbsleben in Deutschland zurückgelegt hätten; ihnen werden folgerichtig auch Kindererziehungszeiten in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung angerechnet.

Die geltende Regelung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch verfassungsrechtlich unbedenklich. Das BSG hat mehrfach entschieden, dass die vom Gesetzgeber getroffene Unterscheidung zwischen der Erziehung im Inland und im Ausland nicht willkürlich, sondern durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist. Diese Auffassung wurde vom Bundesverfassungsgericht bestätigt. Danach hat sich der Gesetzgeber bei der territorialen Begrenzung der Anrechnung von Kindererziehungszeiten in sachgerechter Weise an dem historisch gewachsenen Schutzbereich der Sozialversicherung orientiert.

Die Voraussetzungen für die Anerkennung von Kindererziehungszeiten bei Auslandserziehung gelten auch für die sogenannte Mütterrente. Bei der sogenannten Mütterrente handelt es sich nicht um eine neue Rentenart, sondern vielmehr um die Ausweitung der schon bestehenden Kindererziehungszeitenregelung um ein Jahr. Seit 1. Juli 2014 werden für die Erziehung von vor 1992 geborenen Kindern 24 statt früher zwölf Kalendermonate nach dem Geburtsmonat des Kindes als Pflichtbeitragszeit in der gesetzlichen Rentenversicherung angerechnet. Die Mütterrente wird auch nicht als eigenständige Rente ausgezahlt.

Allerdings erhalten Mütter oder ggf. Väter, die bereits Rente beziehen, die sogenannte Mütterrente in vereinfachter und pauschaler Form als einen Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten, wenn ihnen der 12. Kalendermonat der Kindererziehungszeit angerechnet wurde. Diese Form der Umsetzung der neuen Regelung wurde aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungspraktikabilität gewählt, da eine individuelle Prüfung bzw. Neuberechnung der etwa 9,5 Mio. Bestandsrenten in denen Kindererziehung berücksichtigt ist, unmöglich gewesen wäre.

Ich hoffe ich konnte Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen und wünsche Ihnen für die Zukunft alles Gute.

Mit freundlichen Grüßen
Hubertus Heil

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