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Hubertus Heil
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Frage von Christina W. •

Frage an Hubertus Heil von Christina W. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Heil,

2014 und auch jetzt soll die Erwerbsminderungsrente verbessert werden. Leider bleibt der Bestand mal wieder außen vor (1,6 Millionen).
Auf die Frage, warum der Bestand wieder nicht berücksichtigt wird, hört und liest man immer wieder, dass die Stichtagsregelung schon immer gegolten hat (Bestandsschutz). Verschlechterungen würden schließlich auch nur für die Zukunft gelten. Sicherlich gäbe es Möglichkeiten auch uns Verbesserungen zukommen zu lassen. Wenn nicht die Politik das kann, wer dann?

Als neuer Bundesminister für Arbeit und Soziales habe ich folgende Fragen an Sie:

- Finden Sie es sozial gerecht, dass mehrere Jahre Zurechnungszeit zwischen Neu- und Altfällen liegen (in meinem Fall Hochrechnung bis zum 60. Lebensjahr)?

- Sind die Bestandsrentner nicht von Altersarmut bedroht? Im Zuge der Leistungsverbesserungsgesetze wurde immer davon gesprochen, dass gerade Erwerbsminderungsrentner von Altersarmut bedroht sind.

- Was planen Sie für uns Bestandsrentner, die das Schicksal eher getroffen? Oder gehen wir wieder leer aus?

Mit freundlichen Grüßen

C. W.

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau W.,

herzlichen Dank für Ihr Schreiben.

Von der aktuell geplanten Verbesserung profitiert, wer ab dem 1. Januar 2019 als Neurentnerin oder Neurentner eine Erwerbsminderungs (EM) -Rente bezieht. Insgesamt werden so jedes Jahr mehr als 170.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erfasst, die eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit in Anspruch nehmen müssen.
Es wäre wünschenswert gewesen, auch die bereits laufenden EM-Renten zu verbessern. Der Koalitionsvertrag sieht eine solche Ausweitung jedoch nicht vor. Diese Entscheidung ist jedoch nicht leichtfertig getroffen worden. Die Einbeziehung des Rentenbestands hätte die Kosten - insbesondere in der Anfangszeit - um ein Vielfaches erhöht. Dies wäre vor dem Hintergrund der Finanzierbarkeit der gesetzlichen Rentenversicherung schwierig darzustellen gewesen. Außerdem ist zu beachten, dass das Recht in der gesetzlichen Rentenversicherung grundsätzlich nur für die Zukunft geändert wird - im positiven wie negativen Fall. Denn auch im umgekehrten Fall von Leistungseinschränkungen, die es in der Vergangenheit auch schon geben musste, blieben bestehende Renten aus Vertrauensschutzgründen grundsätzlich unangetastet.

Der Blick auf einzelne rentenrechtliche Zeiten, wie etwa die isolierte Betrachtung des Endes der Zurechnungszeit, oder einzelne Elemente der Rentenberechnung ist insoweit auch nicht zielführend. Nur als ein Beispiel möchte ich hier etwa die Anerkennung von Zeiten der Ausbildung an allgemeinbildenden Schulen und Hochschulen bei der Rente nennen. So gibt es etwa unter den Menschen, die wie Sie eine Zurechnungszeit bis zum Alter 60 angerechnet bekommen haben, solche, deren Schul- und Hochschulausbildung sich noch wirklich rentensteigernd ausgewirkt haben, und andere, meist aus jüngeren Jahrgängen, bei denen diese Zeiten nur noch als unbewertete Anrechnungszeit berücksichtigt wurden. Die zwischenzeitlich erfolgte Anhebung der Regelaltersgrenze und der Wegfall von Möglichkeiten eine Altersrente deutlich vor dem Alter 63 zu beziehen (z.B. Altersrente für Frauen, Altersrente nach Arbeitslosigkeit), seien hier nur am Rande erwähnt.

Die Rentenversicherung erbringt nur Leistungen, die zu ihrem gesetzlich geregelten Leistungskatalog gehören. Es werden keine finanziellen Mittel der Rentenversicherung zweckentfremdet. Die angesprochenen nicht beitragsgedeckten („versicherungsfremden“) Leistungen lassen sich nicht exakt beziffern, denn es existiert in Wissenschaft und Praxis keine eindeutige und konsensfähige Abgrenzung dieser Leistungen. Damit lässt sich auch deren Volumen nicht eindeutig bestimmen.

Es lassen sich jedoch mit Hilfe von Modellrechnungen Orientierungsgrößen abschätzen. Im Jahr 2004 wurde auf Anfrage des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages der „Bericht der Bundesregierung zur Entwicklung der nicht beitragsgedeckten Leistungen und der Bundesleistungen an die Rentenversicherung“ vorgelegt (Drucksache 1799 des Haushaltsausschusses aus der 15. Wahlperiode). Der Bericht enthält Orientierungsgrößen zur voraussichtlichen Höhe der nicht beitragsgedeckten Leistungen auf Grundlage einer engen und einer weiter gefassten Abgrenzung. Diese Modellrechnungen sind auch vor dem Hintergrund der veränderten Rechtslage nach wie vor aussagekräftig. Zentrale Aussage des Berichts ist, dass angesichts aller Bundesleistungen sowie der geschilderten Abgrenzungsschwierigkeiten davon ausgegangen werden kann, dass durch die Bundesmittel die versicherungsfremden Leistungen in etwa abgedeckt sein dürften. Diese Aussage hat weiterhin Bestand.

Die Leistungen des Bundes haben nicht allein das Ziel einer „Erstattung“ nicht beitragsgedeckter Leistungen, sondern sind multifunktional. Der Bund beteiligt sich in erheblichen Umfang an der Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung, im Jahr 2018 mit insgesamt rd. 93 Mrd.€ bestehend aus den Bundeszuschüssen zur allgemeinen Rentenversicherung, dem Zuschuss an die knappschaftliche Rentenversicherung sowie der Erstattung der Renten aus Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem der DDR. Mit dieser Bundesbeteiligung werden nicht nur nicht beitragsgedeckte Leistungen finanziert, sondern mit der allgemeinen Sicherungsfunktion der Bundeszuschüsse auch die Funktions- und Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung insgesamt gewährleistet.

Ich hoffe ich konnte Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen.

Herzliche Grüße

Hubertus Heil

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