Frage an Hubertus Heil von Jürgen M. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Heil,
wie der Name schon sagt, sollen die von uns gewählten "Volksvertreter", die Meinung des Volkes vertreten.
Lt. Einer Umfrage der „RP“ vom 10.09. sind 64 % der Bevölkerung mit der Flüchtlingspolitik unzufrieden. In der „Freien Presse“ vom 26.09. meinten 39 % „Das Boot ist voll". Dieser Meinung widersprachen nur 32 %. Ebenso sind die Aussagen der 34 Unionspolitiker in ihrem Brandbrief sehr bürgernah!
Ein weiteres Thema ist die spätere Abschiebung bei Nichtanerkennung. Wenn bei (nur) 1 Mio. Flüchtlingen pro Jahr 50 % abgeschoben werden, bedeutet dieses: 5 volle Flugzeuge pro Tag, an 365 Tagen im Jahr! Wie soll das, finanziell und logistich, gelöst werden?
Was gedenke Sie, bzw. ihre Partei, in sehr naher Zukunft zu unternehmen?
Noch ein Jahr "so weiter" und wir haben in Deurschland ein durch die Politik geschaffenens Problem, das nicht mehr beherrschbar ist.
mit freundlichen Grüßen
J. Müller
Sehr geehrter Herr Müller,
tatsächlich stehen Deutschland und Europa aufgrund des Flüchtlingsstroms vor einer historischen Herausforderung. Sie fragen was die SPD plant, um mit dieser Herausforderung umzugehen. Gemeinsam mit unserem Koalitionspartner, der CDU/CSU, haben wir auf verschiedenen Ebenen Ansätze entwickelt, um diese Aufgabe zu bewältigen. Seit dem letztem Jahr hat der Bund schon zahlreiche Maßnahmen beschlossen, um Fluchtursachen zu bekämpfen, mehr Ordnung in die Aufnahme der Hilfesuchenden zu bringen, Asylverfahren zu verkürzen, Länder und Kommunen bei der Versorgung und Unterbringung zu unterstützen und die rasche Integration von Flüchtlingen mit Bleibeperspektive durch Spracherwerb und Arbeit zu fördern.
Gerne gehe ich auf diese Punkte näher ein:
Um den Zuzug von Menschen verringern zu können, müssen wir zum einen die Fluchtursachen bekämpfen. Deutschland stellt in den kommenden drei Jahren 2,3 Milliarden Euro für die Versorgung von Flüchtlingen in Syrien zur Verfügung, davon 1,2 Milliarden 2016. Das Geld fließt vor allem an das UN-Flüchtlingshilfswerk und das Welternährungsprogramm. Um die Dynamik der Flüchtlingsbewegung in den Griff zu bekommen, müssen auf internationaler Ebene die Bedingungen für eine bessere Kontrolle und Steuerung geschaffen werden. So setzen wir uns für eine wirksame Kontrolle der EU-Außengrenzen und ein wirksames europäisches System der Registrierung und Verteilung von Flüchtlingen ein. Sehr wichtig ist es weiterhin die Asylverfahren zu ordnen und zu beschleunigen. Geordnete und schnelle Asylverfahren sind die Voraussetzung dafür, dass wir die Ankommenden gut versorgen, diejenigen, die bleiben werden, schnell integrieren und diejenigen, die nicht bleiben können, rasch in ihre Heimatländer zurückführen können. Zur besseren Steuerung übernimmt der Bund die Verteilung der Asylbewerber auf die Bundesländer. Zur Umsetzung dieser Ziele erhält die Bundespolizei in den nächsten drei Jahren 3000 zusätzliche Stellen und das Personal beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wurde 2015 bereits um 40% erhöht und dieses Jahr werden im BAMF mehr als 3000 weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingestellt. Der Bund unterstützt die Länder bei der Rückführung abgelehnter Asylbewerber, u.a. indem er bei der Passersatzbeschaffung hilft. Wenn Menschen in Deutschland bleiben dürfen, dann müssen wir helfen und versorgen. Der Bund unterstützt dabei die Länder und Kommunen. Für 2015 haben Länder und Kommunen eine Soforthilfe von 2 Milliarden Euro für die Aufnahme und Unterbringung erhalten. Seit 2016 beteiligt sich der Bund mit einer monatlichen Pauschale von 670 Euro pro Asylbewerber. Außerdem erhalten Länder und Kommunen 350 Millionen Euro jährlich für die Versorgung von unbegleiteten Kindern und Jugendlichen. Die Länder erhalten in den kommenden vier Jahren 2 Milliarden Euro zusätzlich für den sozialen Wohnungsbau.
Um auch perspektivisch den Zusammenhalt der gesamten Gesellschaft zu ermöglichen müssen wir die Integration fördern. Integrationskurse wurden für Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive und bestimmte Geduldete geöffnet und mehr Geld dafür bereitgestellt. Anerkannten Asylberechtigten, Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten steht der Arbeitsmarkt uneingeschränkt offen. Die SPD-Bundestagsfraktion hat für den Haushalt 2016 durchgesetzt, dass die Leistungen zur Eingliederung in Arbeit um 250 Millionen Euro erhöht werden, die Verwaltungsmittel in der Grundsicherung um 325 Millionen Euro. Damit können bundesweit rund 3800 Stellen in den Jobcentern geschaffen werden. Für die SPD bedeutet Integration sowohl Fördern als auch Fordern. Schon letztes Jahr konnten viele dieser Punkte schnell umgesetzt werden. Heute, Mitte des Jahres 2016, können wir schon zahlreiche Erfolge dieser Maßnahmen sehen.
Gestatten Sie mir noch eine Anmerkung. Es gibt offensichtlich einen Punkt an dem wir unterschiedlicher Meinung sind: Wenn ich der Logik Ihrer Nachricht folgen würde, wären nur diejenigen Abgeordneten Volksvertreter, die Auffassungen vertreten, die der Mehrheit der aktuellen Meinungsumfragen entsprechen. Das ist nicht mein Verständnis unserer parlamentarischen Demokratie. Ganz unabhängig davon, dass viele Umfragen politische Momentaufnahmen sind und auch Minderheitsmeinungen zum politischen Diskurs gehören: Niemand sollte in unserer Demokratie die Legitimation absprechen, die sich aus freien und gleichen Wahlen ergibt.
Mit freundlichen Grüßen
Hubertus Heil