Frage an Hubertus Heil von Thomas S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Heil,
ich hab eine Frage zu Art. 146 GG.
"Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist."
Wann glauben Sie, dass das deutsche Volk selber in freier Entscheidung über eine entsprechende Verfassung entscheiden "darf".
Vielen Dank
Sehr geehrter Herr Siebert,
vielen Dank für Ihre Frage vom 7. Mai 2012 auf der Internetplattform abgeordnetenwatch.de. Gerne verweise ich auf meine Antwort vom 11.08. 2010, Anfrage von Herrn R. zum gleichen Thema, in der ich ausführlich den Sinn und Zweck von Artikel 146 GG erkläre:
„Nach Art. 3 des Einigungsvertrages (EV) ist mit dem Wirksamwerden des Beitritts der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland am 3. Oktober 1990 das Grundgesetz (GG) in den neuen Ländern mit den sich aus Art. 4 ergebenden Änderungen in Kraft getreten.
Im Zuge der Wiedervereinigung ist Art. 23 GG a.F. (alte Fassung) zunächst aufgehoben und später als Europaartikel wiederbelebt worden. Wiedervereinigungsbedingt wurde auch Art. 146 GG a.F. geändert, der einen alternativen Weg zur Wiedervereinigung aufgezeigt hatte. Der Artikel lautet heute:
>>Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.<<
Das Bundesinnen- und Bundesjustizministerium hatten zunächst eine Streichung des Art. 146 a.F. vorgeschlagen, weil bei einer modifizierten Fortgeltung erhebliche Unsicherheiten, möglicherweise eine permanente Verfassungsdiskussion befürchtet wurde. Die SPD hat damals eine Streichung des Artikels abgelehnt.
Art. 146 GG n.F. (neue Fassung) ist also als politischer Kompromiss zu verstehen und lässt grundsätzlich die Möglichkeit einer Volksabstimmung offen, der aber eine Verfassungsänderung nach Art. 790 Abs. 2 GG vorausgehen müsste. Ein derartiges Vorhaben ist derzeit nicht absehbar.“
Mit freundlichen Grüßen
Hubertus Heil