Holger Mrosek
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Gerhard Z. •

Frage an Holger Mrosek von Gerhard Z. bezüglich Familie

Die jüngere Generation ( 20 – 40 Jahre alt ) hat kaum noch die Möglichkeit von Ihrem Lohn Geld zu sparen um es für schlechtere Zeiten zurück zulegen. Heute ist es Mode geworden und auch politisch gewollt, dass Überstunden nicht mehr bezahlt werden. Es gibt Zeitkonten etc. Gezahlt wird nur der nackte Grundlohn. Die meisten der 20 bis 40 jährigen sind deshalb sehr schnell von einem sozialen Abstieg bedroht wenn Sie arbeitslos geworden sind. Wie wollen die Grünen verhindern, dass in Zukunft nicht Mio. von Familien immer mit einem Bein vor dem finanziellen Ruin stehen? Denn eines ist ja wohl ganz klar. Wohlstand kann es nur geben, wenn man den Menschen die Möglichkeit gibt, Geld für schlechte Zeiten zu sparen. Oder sind die Grünen der Meinung, dass Zeitarbeiter mit einem Lohn von 6 - 8 Euro die Chance haben sich ein finanzielles Polster anzulegen.

Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Hallo Herr Zelle,

vielen Dank für Ihre Frage.

Unseres Erachtens ist eine Lohnuntergrenze dringend notwendig, um Lohndumping eine klare Absage zu erteilen, auch und gerade wegen des Wettbewerbsdrucks auf dem Arbeitsmarkt. Eine Gesellschaft, die den Anspruch hat, sozial und gerecht zu sein, sollte Beschäftigungsverhältnisse unterhalb eines bestimmten Lohnniveaus nicht tolerieren.

Uns ist es nicht egal, unter welchen Bedingungen die Menschen arbeiten müssen. Gemeinsam mit den Gewerkschaften und Unternehmen wollen wir gute Arbeit schaffen, also Arbeit, die nicht krank macht, den Menschen Zufriedenheit gibt, die sie anspornt, die ihnen Raum lässt für Familie und Privatleben oder Weiterbildung und freiwilliges Engagement und sie angemessen entlohnt. Das umfasst viele Maßnahmen: mehr Weiterbildung im Beruf, flexible Arbeitszeitmodelle, zum Beispiel durch die Einführung von Lebensarbeitszeitkonten, Unterstützung bei der Vereinbarkeit von Kindern und Beruf oder Beteiligungen am Unternehmensgewinn. Darüber hinaus müssen sich Berufstätige für die Organisation der familiären Pflege zeitlich begrenzt frei nehmen können. Dazu gehört auch, dass Frauen für gleichwertige Arbeit den gleichen Lohn erhalten wie Männer.

Um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gerade in unsicheren Arbeitsverhältnissen zu stärken, ist in der Arbeitswelt ein Verbandsklagerecht für Gewerkschaften überfällig. Sie können damit zum Beispiel für die Durchsetzung von Mindestlöhnen sorgen. Der Trend sinkender Reallöhne muss gestoppt werden. Die schleppende Binnenkonjunktur ist für die Wirtschaftskrise mitverantwortlich. Jahrelang sind in den oberen Etagen der Gesellschaft die Einkommen aus Unternehmensgewinnen und Kapital rapide gestiegen, während in den Mittelschichten die Reallöhne stagnierten oder sanken und die Armen weiter verarmten. Wir wollen kleine Einkommen entlasten. Geringverdiener sollen wieder mehr Geld in der Tasche haben. Das schaffen wir nicht mit leeren Versprechungen über Steuersenkungen, die Geringverdiener gar nicht erreichen, weil sie überhaupt keine Einkommensteuer zahlen. Das schaffen wir nur mit einem Vorschlag, der auch tatsächlich diejenigen entlastet, die arbeiten und die sich mit ihren Löhnen in den letzten Jahren immer weniger leisten konnten.

Das grüne Progressiv-Modell verringert gezielt die Lohnnebenkosten für diejenigen, deren Einkommen vor allem von hohen Sozialversicherungsbeiträgen aufgezehrt werden. Damit bekommen nicht nur Geringverdiener netto mehr Geld für ihre Arbeit. Weil wir die Lohnnebenkosten für Arbeitnehmer und für Arbeitgeber senken, ebnen wir auch den Weg für viele neue Jobs. Für Jobs, zum Beispiel im Dienstleistungssektor, die bisher aufgrund der hohen Kosten nur schwarz oder gar nicht entstehen konnten.

Die Minijobs, in denen vor allem Frauen zu geringen Löhnen und ohne eigene soziale Absicherung arbeiten, wollen wir im Rahmen des Progressiv-Modells abschaffen und alle Beschäftigten in die Sozialversicherungen aufnehmen.

Wir wollen den Trend zu schrumpfenden Nettoeinkommen umkehren und die Schere zwischen Geringverdienern und Besserverdienern ein Stück schließen. Wir wollen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass im Handwerk, bei Dienstleistungen und in vielen anderen Bereichen neue Arbeitsplätze entstehen können und die Schwarzarbeit zurückgeht. Wir schlagen mit dem Progressivmodell die Senkung der Lohnnebenkosten im unteren Einkommensbereich vor. So steigen die Nettoeinkommen von Geringverdienern, und es entstehen neue Chancen für die, die bisher dauerhaft vom Arbeitsmarkt ausgegrenzt waren.

Zugleich sind niedrigere Lohnnebenkosten bei einfachen Tätigkeiten ein geeignetes Mittel gegen Schwarzarbeit, durch die unserer Volkswirtschaft Milliardeneinahmen entzogen werden.

Das Grundkonzept: Die Sozialabgabensätze für Arbeitnehmer und Arbeitgeber sollen – wie bei der Einkommensteuer – progressiv mit dem Einkommen ansteigen und der entstehende Differenzbetrag durch zusätzliche Steuermittel finanziert werden, die den Sozialversicherungsträgern zufließen.

Der Tarifverlauf: Erst ab einem Bruttoeinkommen oberhalb von 2.000 Euro tritt die volle Last der Sozialversicherungsabgaben von gegenwärtig zusammen rund 40 Prozent (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) ein. Für Einkommen bis 400 Euro soll ein einheitlicher Beitragssatz von zusammen 20 Prozent gelten, ab 400 Euro bis 2.000 Euro sollen die Beitragssätze langsam und stufenlos ansteigen.

So bleibt gerade den Jungverdienern /-innen mehr vom Brutto in der Tasche. Hinzukommt, dass wir Kinderbetreuungsangebote kostenlos anbieten wollen. Menschen zwischen 20 und 40 Jahren sind skeptisch, ob sie (in diesen Zeiten) eine Familie gründen wollen. Neben der Stärkung der Einkommenssituation von Haushalten mit geringem Einkommen wollen wir, dass wichtige öffentliche Güter und Dienstleistungen in Zukunft allen BürgerInnen unabhängig von ihrer sozialen und ökonomischen Lage zugänglich sind. Die frühkindliche Bildung in den ersten Lebensjahren bis hin zum Vorschuljahr muss quantitativ und qualitativ verbessert werden, Krippen und Kitas wollen wir zu Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsseinrichtungen ausbauen. Eltern soll ein Rechtsanspruch auf Tagesplätze für Kinder ab dem ersten Lebensjahr zustehen.

Mit freundlichen Grüßen

Holger Mrosek