Frage an Hermann Küsgen von Peter S. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Küsgen,
Ihr Parteivorsitzender, der Herr Westerwelle, hat Harz4-Empfänger mit spätrömischer Dekadenz in Verbindung gebracht.
Zuallererst würde ich gerne von Ihnen wissen, was Sie von diesem Vergleich halten.
Mit spätrömischer Dekadenz verbinde ich eher korrupte und leistungsunwillige Politker, weil - so weit ich weiß - eher diese Gruppe von Leuten den Untergang des römischen Reiches verursacht haben.
Meine eigentliche Frage ist folgende:
Es wird immer mehr Druck auf Harz4-Empfänger, jeden Job - auch unterbezahlte - anzunehmen, ausgeübt.
Ansonsten werden ihnen die Leistungen gekürzt.
Das führt aber meiner Ansicht nach dazu, daß immer mehr Arbeitgeber nicht mehr dazu bereit sind, angemessene Löhne zu zahlen, weil die Arbeitsagentur ja dafür sorgt, daß es Menschen gibt ,die für weniger arbeiten müssen.
Auf diese Weise wird der Arbeitslohn nicht mehr marktwirtschaftlich ermittelt, sondern durch "künstliche" Eingriffe der Arbeitsagentur gedrückt.
Dies wird dazu führen, daß auch bei uns das Phänomen der "Working Poor" immer weiter zunehmen wird.
Ähnlich ist es mit den 1-Euro-Jobs, welche anscheinend ja auch reguläre Arbeitsplätze verdrängen ( http://www.jurablogs.com/de/studie-ein-euro-jobs-verdraengen-regulaere-beschaeftigungsverhaeltnisse ).
Vielen Dank für Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Schütt
Meine Antwort:
Sehr geehrter Herr Schütt,
Guido Westerwelle hat den Begriff "spätrömische Dekadenz" nicht in Verbindung mit Hartz IV-Empfängern angewendet, sondern sich eben auf die Art und Weise bezogen, wie in Teilen unserer politischen Elite die Debatte über unsere sozialen Sicherungssysteme geführt wird. Das genaue Zitat aus seinem Kommentar in der Welt lautet:
"Diese Sorglosigkeit im Umgang mit dem Leistungsgedanken besorgt mich zutiefst. Die Missachtung der Mitte hat System, und sie ist brandgefährlich. Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein".
Die Formulierung ist sicherlich hart und vielleicht auch überspitzt, aber meines Erachtens durchaus zutreffend.
Im Übrigen ist es nicht die Position der FDP, Hartz IV-Empfänger zur Annahme von unterbezahlten Jobs zu zwingen, sondern vielmehr Anreize zu schaffen, die eine Reintegration in den normalen Arbeitsmarkt ermöglichen. Hierzu gehören u. a. bessere Hinzuverdienstmöglichkeiten, insbesondere auch durch eine Ausweitung der Arbeitszeiten, sowie Entlastungen bei den Sozialabgaben. Die von ihnen angeführte Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland ist u. a. zurückzuführen auf ein hohes Angebot von Arbeitskräften insbesondere aus dem osteuropäischen Raum, die bereit sind, zu fast jedem Preis zu arbeiten, weil sie damit noch immer mehr verdienen als in ihren Heimatländern.
Wir werden unser Land nicht abschotten können, was wir tun können ist zum Einen illegale Beschäftigung zu bekämpfen und zum Anderen noch mehr in Bildung und Ausbildung zu investieren, um so die Chancen auf dem 1. Arbeitsmarkt zu verbessern. Dort wird oft händeringend nach qualifizierten Bewerbern für Arbeitsplätze gesucht, die sicherlich nicht dem "working poor"-Bereich zuzuordnen sind.
Mit freundlichen Grüßen
Hermann Küsgen