Frage an Hermann Gröhe von Gertrud B. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Gröhe,
Ich denke an die Zeit zurück wo unsere Bundeskanzlerin noch Familien Ministerin gewesen ist. Wenn ich Frau Merkels Ansichten von damals mit Heute vergleiche, enttäuscht mich das sehr.
Meine Fragen an Sie
Warum verändern sich Politiker in ihrer Haltung, sobald Sie am Hebel der Macht sitzen?
Wie wichtig ist Ihnen, das Vertrauen der Wähler u. Wählerinnen nicht zu enttäuschen?
Wie stehen Sie dazu, das die kleineren Parteien ( zb.Linke ) immer mehr Zuhöhrer finden?
Welche konkrete Pläne werden Sie mit ihrer Partei in dieser Wahlperiode umsetzen, um den Mittelstand wieder auf zu fangen?
mit großen Interesse erwarte ich Ihre Antwort
Gertrud Boußeljot
Sehr geehrte Frau Boußeljot,
vielen Dank für Ihre Nachricht vom 29. Januar 2009. Ich bedauere sehr, dass ich erst heute darauf zurückkommen kann und bitte dafür um Ihr Verständnis. Gerne nehme ich zu Ihren Fragen und Anmerkungen Stellung.
Ihre Enttäuschung über die familienpolitischen Ansichten und Aktivitäten unserer Bundeskanzlerin, Frau Dr. Angela Merkel, vermag ich nicht zu teilen. Im Gegenteil: Während ihr Vorgänger Schröder Familienpolitik noch als bedeutungsloses „Gedöns“ abtat, steht die Familienpolitik im Zentrum der Regierungspolitik der von Angela Merkel geführten Bundesregierung. Mit Frau Dr. Ursula von der Leyen wurde eine überaus erfolgreiche Familienministerin berufen, die u. a. die Einführung des Elterngeldes, die Erhöhung des Kindergeldes, deutliche Verbesserungen beim Kinderzuschlag für einkommensschwache Familien und erhebliche Verbesserungen in der Kinderbetreuung auf den Weg brachte. Auch die im Rahmen des „Paktes für Beschäftigung und Stabilität“ vorgesehenen milliardenschweren Investitionen in das Bildungswesen sind ein deutliches Zeichen für eine Politik, der die junge Generation am Herzen liegt. Zudem kommt der beschlossene Kinderbonus schnell und unbürokratisch den Familien zugute. Darüber hinaus fördern wir mit der flächendeckenden Gründung von Mehrgenerationenhäusern und weiteren Programmen ein gutes Miteinander der Generationen.
Deutlich zeigt sich darin, dass die einstige Familienministerin Angela Merkel mit ihrer Wahl zur Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland keineswegs ihre Überzeugung eingebüßt hat, dass Familienpolitik in das Zentrum gerade christlich-demokratischer Politik gehört.
Auch in weiteren Bereichen – und damit komme ich zu Ihrer ersten Frage – zeigt Angela Merkel, dass Politikerinnen und Politiker keineswegs ihre Haltung immer dann ändern, wenn sie – wie Sie schreiben – am Hebel der Macht sitzen. So setzte sich Angela Merkel zu ihrer Zeit als Oppositionsführerin mit sehr deutlichen Worten für die Menschenrechte in vielen Teilen der Welt ein, kritisierte die damalige rot-grüne Bundesregierung deutlich im Hinblick auf ihre Leisetreterei vor allem gegenüber großen Staaten, die die Menschenrechte verletzen. Als Bundeskanzlerin spricht Angela Merkel in Sachen Menschenrechte Klartext, ob es nun um die Volksrepublik China (sie sprach mit dem Dalai Lama als Oppositionsführerin und als Bundeskanzlerin!), Russland (sie empfing bei ihrer ersten Russlandreise als Bundeskanzlerin russische Menschenrechtsorganisationen in der deutschen Botschaft in Moskau) oder die USA (deutliche Kritik an Guantanamo) geht. Vor der Wahl bekannte sie sich zur Notwendigkeit unpopulärer Maßnahmen wie der Mehrwertsteuererhöhung zur Sanierung unserer Staatsfinanzierung, die nach der Bundestagswahl umgesetzt wurden.
Auch mir persönlich – und damit komme ich zu Ihrer nächsten Frage – ist es sehr wichtig, das Vertrauen meiner Wählerinnen und Wähler nicht zu enttäuschen. Gerade im Rahmen meiner Wahlkreisarbeit begegne ich immer wieder jenen aktiven Bürgerinnen und Bürgern, die beispielsweise im Sozialbereich, in der Wirtschaft, den Kirchen und Vereinen etc. arbeiten, und die, sehr zu Recht, mein Tun an dem zuvor von mir Gesagten messen.
Soweit Sie in Ihrer dritten Frage die kleineren Parteien ansprechen, müssen deren zum Teil recht guten Werte in den Umfragen für die Volksparteien in der Tat ein Ansporn sein, die eigenen (Stamm-) Wählerinnen und Wähler durch überzeugende Arbeit immer wieder neu zu gewinnen, aber auch weitere Wählerinnen und Wähler zu überzeugen. Linkspopulistische Konzepte, wie sie die Linkspartei vertritt, wären gerade in Zeiten der Wirtschafts- und Finanzkrise ein verhängnisvoller Irrweg. Hier ist eine deutliche inhaltliche Auseinandersetzung erforderlich.
Ihre letzte Frage zielt auf den Mittelstand. Durch die Unternehmenssteuerreform, deutliche Fortschritte beim Bürokratieabbau, die Senkung der Lohnnebenkosten durch die Absenkung des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung und durch die Veränderungen bei der Erbschaftsteuer, die in den allermeisten Fällen den Betriebsübergang deutlich erleichtert, haben wir die Situation des Mittelstandes nachhaltig verbessert. Die Maßnahmen zur Sicherung funktionierender Finanzmärkte sollen die Kreditversorgung nicht zuletzt des Mittelstandes absichern. Hinzu kommen die Kredit- und Bürgschaftsprogramme der Kreditanstalt für Wiederaufbau, die ausgeweitet und flexibler („kundenfreundlicher“) wurden. Denn in der Tat trifft nun die Finanz- und Wirtschaftskrise erhebliche Teile des Mittelstandes massiv. Von dem fast 14 Milliarden Euro umfassenden kommunalen Investitionsprogramm, das der Bund (10 Milliarden Euro) und die Länder auf den Weg gebracht haben, werden gerade das örtliche Handwerk und der Mittelstand profitieren, geht es doch beispielsweise um die energetische Gebäudesanierung von Schulen und andere Verbesserungen im Bildungsbereich wie in der sozialen Infrastruktur. Im Interesse einer raschen Umsetzung der vorgesehenen Investitionen haben wir zugleich das Vergaberecht deutlich vereinfacht, wovon wiederum nicht zuletzt der Mittelstand profitiert. Schließlich haben wir für die Finanzierung von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben im Mittelstand die Mittel im Rahmen des „zentralen Innovationsprogramms Mittelstand“ um zusätzlich 450 Mio. Euro erhöht. Die einzelbetriebliche Forschungsförderung wird dabei zudem zukünftig nicht allein in den neuen Bundesländern, sondern in ganz Deutschland ermöglicht, kann also nunmehr auch innovativen mittelständischen Firmen bei uns am Niederrhein zugute kommen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Hermann Gröhe