Frage an Hermann Gröhe von Benedikt E. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Gröhe,
Wie kann es sein, dass die Schulden durch die aktuell vorhandene Finanzkrise in Amerika jetzt doch in Deutschland durch den Staat aufgefangen werden, welches während des letzten Wirtschaftsgipfel abgestimmt wurden ist, obwohl eine Mehrheit im deutschen Bundestag sagt, dass diese Schulden eben nicht sozialisiert werden solllen? Wie kann es sein, dass jedoch trotzdem der Staat für eine Bank bürgt und im Notfall diese möglich folgende Kosten sozialisiert werden?
Ist also auf internationaler Ebene die nationalen Entscheidungen belanglos und man passt sich einfach nur den anderen Nationen so an, so dass die eigene Wirtschaft in ein "positives Licht gerückt" wird?
Ich empfinde in der aktuellen Situation die nationale Ebene nur noch als belanglos, da Deutschland im Endeffekt immer mehr in diese Krise mit reingezogen wird.
Mit freundlichen Grüßen
Benedikt Eggert
Sehr geehrter Herr Eggert,
für Ihre Frage danke ich. Zugleich bitte ich Sie um Nachsicht dafür, dass auch mich die Thematik in den vergangenen Tagen dienstlich sehr in Anspruch genommen hat, ich hierzu eine Vielzahl von Zuschriften hatte und ich Ihnen deshalb leider erst jetzt eine schriftliche bzw. elektronische Antwort zusende. Erlauben Sie mir bitte, dass ich meine Antwort in den Kontext einordne:
Sie fragen, weshalb der Deutsche Bundestag -- entgegen früherer Erwartungen -- ein Maßnahmenpaket für die Finanzmärkte "geschnürt" hat. In den USA hat ein explosives Gemisch aus langjähriger Politik des billigen Geldes in den USA und leichtsinniger, unverantwortlicher Hausfinanzierungen dort hat zu einer massenhaften Überschuldung privater Hauseigentümer geführt. Die schlechten Hypotheken wurden, in Paketen zusammengefasst, unter den Banken weiter verkauft. Die Leistungsfähigkeit der Schuldner und die Werthaltigkeit der besicherten Immobilien wurde dabei durch Bewertungsagenturen maßlos überschätzt. Leichtgläubigkeit, mangelndes Risikobewusstsein und ein übersteigertes Streben nach schnellem Gewinn haben diese Entwicklung ermöglicht und bis zum Kollaps beschleunigt.
Durch die internationale Vernetzung der Finanzinstitute waren davon Banken weltweit betroffen. Einzelne Institute, auch in Deutschland, hatten sich mit nicht werthaltigen Papieren übernommen und standen vor dem finanziellen Aus. Die Verunsicherung unter den Banken selbst wurde so groß, dass diese untereinander kein Geld mehr verliehen, was den Geldkreislauf unter den Banken zum Erliegen brachte. Damit war nicht nur das Bankwesen insgesamt gefährdet, sondern die Kreditversorgung der deutschen Wirtschaft. Dadurch drohte eine massive Gefahr für Wachstum und Arbeitsplätze.
Es wird nun aber damit nicht "d e n " Banken geholfen, nicht den Bankmanagern, sondern der deutschen Volkswirtschaft. Die Kreditversorgung ist entscheidend dafür, dass die Wirtschaft in Deutschland funktioniert. Insbesondere dem Mittelstand und den Menschen, die auf den Mittelstand angewiesen sind, wird geholfen. Denn dieser Teil der Wirtschaft ist dringend angewiesen auf Kredite. Das hat auch Folgen für die Menschen vor Ort: Eine Werft in Kiel, ein Automobilhaus in Neuss, ein Frisör in Güstrow brauchen Kredite, um arbeiten und auch um Arbeitsplätze sicherstellen zu können. Würde die Finanzindustrie zusammenbrechen, wäre all das gefährdet.
Auch Anlegerinnen und Anleger und Sparerinnen und Sparer von Finanzinstituten profitieren natürlich davon, dass die Institute stabilisiert werden.
Insgesamt müssen in dieser Krise nationale und internationale Entscheidungen abgestimmt werden. Weder die eine noch die andere Ebene sind belanglos dabei.
Angesichts der Verunsicherung und der Komplexität ist dieser Abstimmungsprozess jedoch nicht ganz einfach. Ich bin mir sicher, dass wir auch auf internationaler Ebene noch im November abgestimmte Entscheidungen bekommen werden.
Das Gesetz zur Umsetzung eines Maßnahmenpaketes zur Stabilisierung des Finanzmarktes war der erste -- nationale -- Baustein für eine neue Finanzmarktverfassung, dem als zweiter Schritt eine Veränderung der internationalen Regeln des Finanzmarktes folgen muss.
Die Empfehlungen des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht zu Eigenkapitalregeln ("Basel II") sehen neben einem verbesserten Risikomanagement der Banken eine Pflicht zur Unterlegung von Zweckgesellschaften außerhalb der Bilanzen mit Eigenkapital vor. Diese Empfehlungen wurden aber noch nicht überall (etwa in den USA) umgesetzt. Sie müssen nun vollständig umgesetzt und rasch zu einem international fest vereinbarten Ordnungsrahmen für die Finanzmärkte ausgebaut werden. Dazu gehören:
* eine Stärkung der Rolle des Internationalen Währungsfonds bei der Überwachung von Finanzinstituten, denn global operierende Banken brauchen global kooperierende Aufsichtsbehörden
* eine Verbesserung der Arbeit der Rating-Agenturen durch verbindliche Standards -- etwa durch eine internationale Stelle, die die Einhaltung des Verhaltenskodexes für Rating-Agenturen überwacht
* mehr Absicherung von Risikoprodukten der Finanzwirtschaft durch Risikounterlegung und
* mehr Transparenz bei den gehandelten Produkten der Finanzwirtschaft
Hierfür wird sich die Bundeskanzlerin bei den anstehenden internationalen Treffen einsetzen.
Ich hoffe, dass ich Ihnen mit dieser Stellungnahme habe weiterhelfen können.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Hermann Gröhe