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Hermann Gröhe
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Frage von Hartmut R. •

Frage an Hermann Gröhe von Hartmut R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Hermann Gröhe,
Die Christival-Affäre schlägt hohe Wellen. Einige Evangelikale Trägerorganisationen werfen Kritikern „Zensur“ und einen „Angriff auf die Meinungsfreiheit“ vor.

http://news.google.de/news?hl=de&tab=wn&ned=de&q=christival&ie=UTF-8

Die Bundesregierung hat sich klar gegen Veränderungsmaßnahmen für Homosexuelle ausgesprochen, da die Betroffen durch die erheblichen Nebenwirkung und enttäuschten Heilversprechen geschädigt werden können.

Wie stehen Sie persönlich zu Heilungsangeboten bzw. „Veränderungs“-Angebote für Homosexuelle durch evangelikale Organisationen?

Da Sie Justiziar ihrer Fraktion sind, möchte ich Sie wegen anderen Aspekten der Affäre fragen. Ich weiß, dass es in Deutschland keine wirkliche Trennung von Kirche und Staat gibt. Die großen Kirchen übernehmen viele soziale Aufgaben zum Wohle der Allgemeinheit und werden deswegen auch richtigerweise staatlich unterstützt.

Ich habe bedenken, wenn missionarische Aktivitäten sendungsbewusster Religionsangehöriger gefördert werden. Kann es nicht zu Konflikten, wenn die Menschen anderer Religionen von staatlich geförderten missionarischen Aktivitäten abgeworben werden?

Ein Beispiel aus dem mit 250.000 € Steuergeldern geförderten Christival:
„404 Missionarische und Diakonische Aktionen in Bremen
Seminarbeschreibung:
Bremen soll einen Segen vom Christival haben. Deshalb wollen wir beim "Gruß in die Stadt" als missionarische Aktion alle Haushalte in Bremen besuchen. …“

Besonders spannend werden diese aufgeworfenen Fragen, wenn aus einer Mischung aus Religionsfreiheit, staatlicher Neutralität und Gleichbehandlungsgrundsätzen heraus plötzlich andere Religionen fordern sollten, dass man ihre Zusammenkünfte, Treffen, Kongresse,... mit mindestens gleichen Mitteln unterstützt und dies notfalls bis vors höchste deutsche Gericht oder noch weiter tragen.

Gibt es keine Verordnungen mit klaren Kriterien für die Vergabe an religiös-weltanschauliche Veranstaltungen?

Mit freundlichen Grüßen

Hartmut Rus

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Rus,

haben Sie Dank für Ihre Mail vom 23. Februar 2008 und bitte Verständnis dafür, dass ich erst heute dazu komme, Ihnen zu antworten.

Zu Ihren Fragen:

Im Hinblick auf therapeutische Angebote für Homosexuelle, die ihr Verhalten oder die ihm zugrunde liegende sexuelle Orientierung verändern wollen, verfüge ich weder über ausreichende Kenntnisse über derartige Angebote noch über ein ausreichendes Fachwissen, um diese bewerten zu können. Verschiedenen Medien, aber auch einer Antwort der Bundesregierung auf eine entsprechende "Kleine Anfrage" der Fraktion "Bündnis90/Die GRÜNEN" entnehme ich, dass die ganz überwiegende Mehrzahl der entsprechenden Fachwissenschaftlicher die Möglichkeit einer derartigen Veränderung der sexuellen Orientierung verneinen. Zugleich muss ich zur Kenntnis nehmen, dass Homosexuelle, bzw. Personen, die sich als ehemalige Homosexuelle bezeichnen, davon berichten, eine derartige Veränderung ihrer sexuellen Orientierung erfahren zu haben, ohne dass ich diese Berichte beurteilen kann.

In dieser Situation halte ich es für wichtig, den unterschiedlichen Positionen und Erfahrungen mit Respekt zu begegnen. Für mich ist darüber hinaus jedenfalls klar, dass mir Positionen fremd sind, die Homosexualität als behandlungsbedürftige Krankheit ansehen. Jede Diskriminierung homosexueller Menschen lehne ich entschieden ab.

Im Übrigen sehe ich in der Auseinandersetzung über das vorgenannte Thema keine "Christival-Affäre". Das "Christival" steht für einen überaus aktiven, theologisch eher evangelikal ausgerichteten Teil evangelischer Jugendarbeit in Deutschland. Daher begrüße ich es, dass Bundesministerin Ursula von der Leyen die Schirmherrschaft über diese Veranstaltung übernommen hat.

Ihre zweite Frage richtet sich darauf, ob der Staat missionarisch ausgerichtete Aktivitäten von Religionsgemeinschaften unterstützen darf und welche Kriterien es für eine entsprechende staatliche Förderung gibt.

Die Förderung der Kinder- und Jugendhilfe auf Bundesebene erfolgt auf der Grundlage des § 83 des 8. Buches Sozialgesetzbuch – Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII). Das jugendpolitische Förderinstrument ist hierbei der Kinder- und Jugendplan des Bundes, durch den die Tätigkeit der Kinder- und Jugendhilfe angeregt und gefördert werden soll. Die Richtlinien für den Kinder- und Jugendplan des Bundes vom 19.12.2000 legen die Grundlagen für eine Förderung fest.

Im Hinblick auf die Förderung von Maßnahmen konfessioneller oder anderer weltanschaulich ausgerichteter Träger ist allerdings zu bedenken, dass sich deren Aktivitäten im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe von Aktivitäten, die auf die Einladung zur Mitarbeit auf der Grundlage der jeweils tragenden Überzeugung gerichtet sind, nicht genau trennen lassen. Diesem Umstand wird dadurch Rechnung getragen, dass es sich in aller Regel nur um eine Teilförderung durch den Bund handeln wird. Auch der Bundeszuschuss für das "Christival" deckt aller Voraussicht nach (genaue Zahlen kenne ich natürlich nicht) die Kosten bei weitem nicht. Eine derartige Förderung halte ich für unbedenklich, wenn sich der Staat nicht zum "Schiedsrichter" über "richtige" oder "falsche" Weltanschauungen aufschwingt, er vielmehr die unterschiedlichsten Aktivitäten von Jugendverbänden und damit die in diesem Bereich existierende Pluralität unterstützt. Natürlich lassen sich Aktivitäten der Kinder- und Jugendhilfe von evangelischer und katholischer Jugend kaum von deren Bemühen trennen, in dieser Weise auch einladend auf die jeweils eigene Glaubensüberzeugung aufmerksam zu machen. Doch auch jugendpolitische Aktivitäten der Gewerkschaftsjugend oder der "Sozialistischen Jugend Die Falken" zielen immer auch darauf, für die sie tragenden Überzeugungen Menschen zu gewinnen. Schließlich werden über den "Ring politischer Jugend" auch miteinander konkurrierende politische Jugendorganisationen unterstützt. Vielfach wird in unserem Land über die Orientierungslosigkeit unter jungen Leuten geklagt. Es ist daher zu begrüßen, wenn Angebote der Kinder- und Jugendhilfe auch Angebote zur Orientierung sind, wenn Wertfragen nicht nur gestellt, sondern vor dem Hintergrund des jeweils eigenen weltanschaulichen Profils beantwortet werden. Dass dies im Rahmen unserer Rechtsordnung und in Toleranz vor anderen Auffassungen geschehen muss, versteht sich dabei von selbst.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr

Hermann Gröhe

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