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Hermann Gröhe
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Frage von Stefan K. •

Frage an Hermann Gröhe von Stefan K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Gröhe,

wieso haben Sie der Vorratsdatenspeicherung zugestimmt? Sind Sie sich der Tragweite bewusst, dass nun JEDER Bürger als potenziell verdächtig gilt? Wie soll ein Staat funktionieren wenn jeder jedem misstraut? Ist das Ihre Vorstellung von einem gut funktionierenden Staat?

Und das alles unter dem Vorwand der Terrorabwehr... das ist doch Unsinn.

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Krawetzke,

haben Sie vielen Dank für Ihre Zuschrift, in der Sie sich nach meinen Gründen für die Zustimmung zur Vorrasdatenspeicherung erkundigen und Ihrer Besorgnis zum Thema Vorratsdatenspeicherung Ausdruck verleihen. Mir ist bewusst, dass viele Bürger hinsichtlich der Gesetzesänderung – auch aufgrund verzerrender öffentlicher Darstellung – verunsichert sind. Dass viele dies auch zum Anlass nehmen, ihrer Sorge um die Bürgerfreiheiten gegenüber den Abgeordneten Ausdruck zu verleihen, freut mich sehr, da sich daran auch ein Aspekt des Funktionierens unserer Demokratie zeigt. Vor Panikmache allerdings möchte ich doch warnen!

Lassen Sie mich daher die Hintergründe zur Vorratsdatenspeicherung darlegen und damit auch meine Beweggründe bei der Abstimmung erläutern:

Die Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung gehen auf eine EU-Richtlinie zurück, bei der es sich um einen Kompromiss der EU-Mitgliedstaaten gehandelt hat und bei dem es der Bundesregierung letztlich gelungen ist, die zunächst intendierten Regelungen wesentlich abzuschwächen. So gelang es der Bundesregierung z.B. durchzusetzen, dass keine Gesprächsinhalte gespeichert werden, dass die Speicherungsfrist auf 6 Monate beschränkt wird und eine Datenabfrage nur bei Verdacht erheblicher oder mittels Telekommunikation begangener Straftaten erfolgen darf.

Bereits nach der gegenwärtigen Rechtslage ist es Telekommunikationsunternehmen erlaubt, Verbindungsdaten (Verkehrsdaten) zu Abrechnungszwecken zu speichern – Gesprächsinhalte durften nicht und dürfen auch in Zukunft nicht gespeichert werden. Neu ist, dass bei der Mobilfunktelefonie auch der Standort bei Beginn der Verbindung gespeichert wird und dass bei der Kommunikaton über das Internet ebenso bestimmte Verkehrsdaten gespeichert werden müssen. Gespeichert werden diese Daten bei den Telekommunikationsunternehmen, nicht beim Staat. Nach der Strafprozessordnung müssen Telekommunikationsunternehmen auch heute schon den Strafverfolgungsbehörden Auskunft erteilen, wenn es um die Verfolgung schwerer Straftaten oder solcher Straftaten, die mittels Telekommunikation begangen wurden, geht (§§ 100g u. h StPO). Wie bisher auch schon können Polizei und Staatsanwaltschaft nach der Neuregelung grundsätzlich nur dann auf die Daten zugreifen, wenn dies in einem Ermittlungsverfahren zur Aufklärung einer konkreten Straftat zuvor durch einen richterlichen Beschluss erlaubt wurde. In diesem Beschluss legt der Richter genau fest, welche Daten das Unternehmen aus seinem Bestand herausfiltern und den Strafverfolgungsbehörden übermitteln muss. Die Anordnung der Erteilung einer Auskunft ist also an strenge rechtsstaatliche Voraussetzungen (u. a. konkreter, durch bestimmte Tatsachen begründeter Verdacht, keine anderweitige Möglichkeit der Aufklärung, Richtervorbehalt) geknüpft. Dieses Instrument der Verbindungsdatenabfrage hat sich in der Vergangenheit als unverzichtbar bei der Bekämpfung und Aufdeckung schwerer Kriminalität erwiesen. Mit der stetigen Zunahme von Flatratetarifen, bei denen eine Speicherung von Verbindungsdaten zu Abrechnungszwecken durch die Telekommunikationsunternehmen nicht mehr erforderlich ist, drohte es mehr und mehr, seine Wirksamkeit zu verlieren. Die Möglichkeit, allein durch Nutzung solcher Flatratetarife, Strafverfolgungsmaßnahmen zu erschweren oder zu vereiteln, dürfte insbesondere der organisierten Kriminalität nicht verborgen geblieben sein. Bereits deshalb war es erforderlich, eine entsprechende Speicherungsverpflichtung der Telekommunikationsunternehmen, unabhängig davon, ob diese Daten zu Abrechnungszwecken benötigt werden, gesetzlich festzulegen. Ich möchte aber nochmals betonen, dass die bisherigen Schutzvorkehrungen dabei uneingeschränkt beibehalten worden sind und die Veränderungen zum Status Quo letztlich nicht so gravierend sind, wie teilweise dargestellt.

Was den von Ihnen erhobenen Vorwurf, jeder Bürger gelte aufgrund der nun erfolgten Regelung der Vorratsdatenspeicherung im Rahmen des Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung als potenziell verdächtig und die damit einhergehende Intention, mit der Vorratsdatenspeicherung würden Bürgerfreiheiten beschnitten und damit rechtsstaatliche Grundsätze außer Kraft gesetzt, angeht, so ist dies gerade nicht der Fall. Selbstverständlich hat niemand, weder die Bundesregierung, noch die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, noch die Große Koalition ein Interesse daran, rechtsstaatliche Grundsätze außer Kraft zu setzen und damit die Demokratie zu gefährden und die Freiheit der Bürger zu beschneiden. Wie bereits oben erwähnt, gab es jedoch in der Strafprozessordnung schon bisher Befugnisse zur Strafverfolgung, die Eingriffe in Freiheitsrechte mit sich bringen. Angesichts der veränderten Gefahrenlage in Deutschland ist es meiner Meinung nach vernünftig und notwendig, die vorhandenen Maßnahmemöglichkeiten zu prüfen und an die veränderte Gefahrenlage anzupassen. Selbstverständlich geschieht dies jedoch auf rechtsstaatlicher Grundlage unter Berücksichtigung des hohen Gutes der Grundrechte der Bürger. Richtig ist allerdings, dass sich die Rechtspolitik im Bereich der Telekommunikationsüberwachung in einem Spannungsfeld bewegt. Dem Grundrechtsschutz der Bürger steht die ebenfalls verfassungsrechtlich gebotene Pflicht des Staates zu einer effektiven Strafverfolgung gegenüber. Das Bundesverfassungsgericht hat immer wieder das öffentliche Interesse an einer möglichst vollständigen Wahrheitsermittlung im Strafverfahren betont und die wirksame Aufklärung gerade schwerer Straftaten als einen wesentlichen Auftrag des staatlichen Gemeinwesens hervorgehoben, weil ein solches Gemeinwesen anders gar nicht funktionieren kann. Grundrechtsschutz der Bürger und Strafverfolgungsinteresse des Staates müssen deshalb in einen vernünftigen Ausgleich gebracht werden. Die Vorratsdatenspeicherung ist meiner Meinung nach ein für die Strafverfolgung notwendiges Ermittlungsinstrument, das für die wirksame Aufklärung gerade schwerer Straftaten unabdingbar und letztlich notwendig ist, damit der Staat seinen Schutzauftrag gegenüber den Bürgern erfüllen kann.

Ich hoffe, dass Sie anhand dieser Ausführungen ersehen können, dass es keinesfalls darum geht, Bürgerinnen und Bürger „auszuspähen“ oder Misstrauen zu schüren, sondern dass im Gesetzgebungsverfahren bei der Umsetzung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung gerade alles dazu getan wurde, dass gerade keine unnötigen Eingriffe in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger erfolgen.

Ich hoffe, dass ich Ihnen hiermit die Hintergründe etwas erläutern konnte, die auch für meine Abstimmung ausschlaggebend waren.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr Hermann Gröhe

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