Frage an Hermann Gröhe von Volker S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Gröhe,
Sie warnen vor der Gefahr von Rot-Rot-Grün, auch mit der Behauptung das die SPD in NRW mit den Linken eine Koalition hatte. Das ist -freundlich betrachtet- ein Irrtum. Bedauerlicherweise hat ein Gericht kürzlich geurteilt das man Wahlaussagen ja nicht ernst nehmen darf.
Wie ist Ihr Verständnis von Demokratie? Finden Sie "Fraktionszwänge" bei Abstimmungen nicht deutlich verfassungsfeindlicher als das Wahltprogramm der Linken?
MfG
Volker Schuh
Sehr geehrter Herr Schuh,
haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht vom 12. September 2013.
Hannelore Kraft ist nach der nordrhein-westfälischen Landtagswahl 2010 mit der Unterstützung der Linkspartei, die erstmalig in den nordrhein-westfälischen Landtag eingezogen war, zur Ministerpräsidentin einer rot-grünen Minderheitsregierung gewählt worden. Auf die Zusammenarbeit mit der Linkspartei waren SPD und Bündnis 90/Die Grünen auch danach immer wieder angewiesen. So wurde insbesondere der – verfassungswidrige – nordrhein-westfälische Landeshaushalt 2011 von der Linkspartei mitgetragen. Insofern hat die rot-rot-grüne Politik in Nordrhein-Westfalen in der Vergangenheit massiven Schaden angerichtet. Diese Tolerierung wurde nach der Wahl verabredet, nachdem sie Frau Kraft vor der damaligen Landtagswahl ausgeschlossen hatte. Im nordrhein-westfälischen Landtag hatte Frau Kraft die Linkspartei im März 2010 wörtlich als „weder regierungs- noch koalitionsfähig“ bezeichnet und zudem betont: „Ein so großes Land und einen so wichtigen Wirtschaftsstandort wie Nordrhein-Westfalen kann man nicht mit Tolerierung regieren.“
Was die Frage aus dem zweiten Teil Ihrer Nachricht betrifft: Es gibt in den Parlamenten der Bundesrepublik Deutschland keinen Fraktionszwang. Ich darf als Bundestagsabgeordneter auf Artikel 38 des Grundgesetzes hinweisen: „Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“
Ich halte es allerdings für zulässig bzw. im Interesse der Wählerinnen und Wähler auch für geboten, dass die in unseren Parlamenten versammelten Fraktionen bei vielen Abstimmungen die größtmögliche Geschlossenheit anstreben. Das sehen übrigens auch die gewählten Volksvertreterinnen und -vertreter aus den Reihen der Linkspartei so, wie sich im kommunal-, im landes- und im bundespolitischen Tagesgeschehen immer wieder zeigt. Zugleich besteht Einigkeit darin, dass z. B. in Fragen des Lebensschutzes, wie etwa der embryonalen Stammzellforschung, der Patientenverfügung oder der Präimplantationsdiagnostik, auf Bildung einer Fraktionsmeinung zu verzichten ist.
Abschließend darf ich Ihnen mitteilen: Ein etwaiger Fraktionszwang innerhalb des parlamentarischen Geschehens wäre aus meiner Sicht mit dem Wahlprogramm der Linkspartei oder anderer Parteien nicht zu vergleichen. Das Abstimmungsverhalten der verschiedenen Fraktionen in unseren Parlamenten sowie das Ringen um parlamentarische Mehrheiten sind Details des politischen Tagesgeschehens, während Wahlprogramme in aller Regel eine Vielzahl von grundsätzlichen und langfristigen politischen Fragen berühren. Was nun die Programmatik der Linkspartei angeht, ist der Einfluss von Gruppen wie z. B. der „Kommunistischen Plattform“ äußerst bedenklich. Insofern geht zumindest von Teilen der Linkspartei meiner Ansicht nach eine deutliche Gefährdung unserer Verfassung aus.
Mit freundlichen Grüßen
Hermann Gröhe