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Hermann Gröhe
CDU
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Frage von Martin G. •

Frage an Hermann Gröhe von Martin G. bezüglich Verbraucherschutz

Abstimmung über das neue Versicherungsvertragsgesetz.

Sehr geehrter Herr Gröhe, ich bin zutiefst enttäuscht von der CDU/FDP, die dieser Änderung des VVG zugestimmt haben, auch wenn es in der Nacht und Nebelaktion nur einige Abgeordnete waren. Für mich bedeutet dies, dass ich 37 Jahre jeden Monat für meine Lebensversicherung eingezahlt habe, damit man im Alter versorgt ist, nun aber aufgrund der Änderung ca. 10% weniger Prämie ausbezahlt bekommen soll. Dies ist eine Rechtsbeugung des Vertragsrechtes und des Vertrauenschutzes, die ich so nicht hinnehmen kann. War hier ihre Partei wieder mal nur den Forderungen der Lobbyisten unterlegen? Wissenschaftler haben festgestellt, dass keine von den namhaften Versicherern in den nächsten 18 Jahren Schwierigkeiten bekommen wird, selbst wenn sich das wirtschaftliche Umfeld nicht negativ verändert.

Ihre Meinung hierzu würde mich interessieren.

Danke im Voraus.
MfG Martin Gräfe

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Gräfe,

vielen Dank für Ihre Frage vom 20. November 2012 zur Neuregelung der Beteiligung von Versicherten an den Bewertungsreserven bei Lebensversicherungen.

Dazu hat der diesjährige Parteitag der CDU Deutschlands folgenden Beschluss gefasst: „Die Bundesregierung und die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag werden aufgefordert, die am 08. 11. 2012 vom Bundestag beschlossene Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes betreffend die Beteiligung der Versicherten an den Bewertungsreserven der Lebensversicherungsgesellschaften rückgängig zu machen.“

Gerne will ich Ihnen aber erläutern, wie es zu diesem Gesetz kam, um eventuellen Missverständnissen zu begegnen.

Der Grund für die Neuregelung ist die anhaltende Niedrigzinsphase. Die Umlaufrendite der deutschen Staatsanleihen bewegte sich im letzten Jahr zwischen 0,92 Prozent und 1,93 Prozent. Dagegen stehen die von den Lebensversicherern gegebenen Garantien im Schnitt von 3,3 Prozent pro Jahr. Mit dem Gesetz soll sichergestellt werden, dass die deutschen Lebensversicherer trotz dieses Unterschieds langfristig die von Ihnen gegebenen Garantien gegenüber den Versicherten erfüllen können.

Das von den Versicherten eingezahlte Geld legt das Versicherungsunternehmen zum Beispiel in sicheren Bundesanleihen an. Bewertungsreserven entstehen, wenn der Preis für eine solche Bundesanleihe im Bestand des Versicherungsunternehmens am Markt über den Preis steigt, zu dem das Versicherungsunternehmen diese Anleihe ursprünglich erworben hat. Bei festverzinslichen Wertpapieren wie Bundesanleihen entstehen Bewertungsreserven insbesondere in Marktsituationen wie der augenblicklichen Niedrigzinsphase. Der Grund dafür ist, dass einige Wertpapiere vor langer Zeit mit einem wesentlich höheren Zinssatz ausgegeben wurden.

Beispiel: Eine Bundesanleihe mit einem Nominalwert von 100 wurde im Jahre 1986 mit einem Zinssatz von 6 Prozent ausgegeben. Gegenwärtig wird die Anleihe zu einem Kurs von 120 gehandelt. Der Kursgewinn in Höhe von 20 - also der Differenz zwischen dem Nominalwert von 100 und dem gegenwärtigen Kurs von 120 - ist keine dauernde Wertsteigerung. Denn bei Fälligkeit der Anleihe im Jahr 2016 wird das Versicherungsunternehmen lediglich den Nominalwert von 100 zurückerhalten. Die Anleihe ist derzeit nur deshalb so wertvoll geworden, weil sie noch vier weitere Jahre Zinsen von 6 Prozent einbringt, wohingegen aktuell gehandelte Anleihen nur etwa zu 1 Prozent verzinst werden.

In der Niedrigzinsphase ergibt sich insoweit folgendes Problem: Die in der Vergangenheit ausgegebenen höher festverzinslichen Wertpapiere verzeichnen heute einen deutlich höheren Kurs. Daraus ergibt sich eine Differenz zwischen dem Nominalwert und dem Kurs, die sogenannte Bewertungsreserve. Bei bestehender Gesetzeslage müssten die Versicherungsunternehmen unverhältnismäßig hohe Ausschüttungen auf die aktuellen Lebensversicherungen leisten. Dadurch würden sich die Gesamtreserven der Versichertengemeinschaft heute übermäßig stark reduzieren, da die Versicherungsunternehmen die Hälfte der Ausschüttung aus dem Kapitalbestand nehmen müssten, der eigentlich für alle Versicherten da ist. Dies würde wiederum dazu führen, dass der Kapitalbestand, der eigentlich für die große verbleibende Versichertengemeinschaft beim Versicherungsunternehmen vorgesehenen ist, aufgezehrt wird und zukünftig nur geringere Erträge erwirtschaften kann. Das wäre gegenüber den verbleibenden und neuen Versicherten ungerecht und kein nachhaltiges Versicherungsmodell.

Betonen möchte ich dabei:

1.) Versicherten wird durch die geplante Änderung nichts weggenommen, was ihnen bei Vertragsabschluss versprochen worden ist. Versicherte werden erst seit 2008 überhaupt an den Bewertungsreserven beteiligt, und zwar zu 50 Prozent. Im Übrigen ist es gar nicht möglich, ein Versprechen über Bewertungsreserven abzugeben, da diese erst am Ende der Laufzeit feststehen und im Zeitablauf stark schwanken. Aus diesem Grund ist es Versicherungsunternehmen auch verboten, mit der Höhe der Bewertungsreserven zu werben.

2.) Den Versicherungsunternehmen selbst kommt aus der Neuregelung kein einziger Euro zugute. Die Neuregelung erleichtert ihnen lediglich den Risikoausgleich für die Versichertengemeinschaft und eine stabilere Gesamtverzinsung der Versicherungsverträge über die Zeit. Nach wie vor gilt bei Lebensversicherungsverträgen die so genannte 90/10-Regelung. Nach dieser Regelung müssen die garantierten Anteile der Erträge eines Lebensversicherungsvertrages 90 Prozent der Erträge aus Kapitalanlagen betragen.

Die CDU ist daher aus den genannten Gründen von der Notwendigkeit einer Neuregelung der Beteiligung der Versicherten an den Bewertungsreserven grundsätzlich überzeugt. Andererseits verstehen wir auch die Verärgerung und Enttäuschung der Versicherten, deren Verträge in den nächsten Monaten fällig werden. Vor allem aber wollen wir verhindern, dass es im Rahmen der Neuregelung zu einseitigen übergebührlichen Belastungen einzelner Versicherter kommt. Denn auch das wäre ungerecht. Deswegen hat der CDU-Parteitag den oben zitierten Beschluss gefasst.

Daher wird z. Zt. eine erneute Bewertung der Auswirkungen des Gesetzentwurfs vorgenommen. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat bereits angekündigt, eine Korrektur der verabschiedeten Regelungen vorzunehmen, falls sich bei dieser Neubewertung herausstellen sollte, dass die negativen Auswirkungen für Versicherte mit in Kürze auslaufenden Verträgen in der Gesamtschau unverhältnismäßig hoch sind. Der Bundesrat hat am 14. Dezember 2012 hierzu den Vermittlungsausschuss angerufen, um Einzelfragen der geplanten Neuregelung vertieft zu diskutieren. Der Vermittlungsausschuss tagt voraussichtlich Ende Januar, ein genauer Termin steht aber noch nicht fest. Sicher ist allerdings, dass das Gesetz nicht, wie geplant, zum 21. Dezember in Kraft treten wird.

Mit freundlichen Grüßen
Hermann Gröhe

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