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Herbert Schui
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Frage von Andreas K. •

Frage an Herbert Schui von Andreas K. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Schui,

ich möchte nochmals auf eine Frage vom 29.04.2009 zurück kommen, die ich Ihrem Kollegen Hr. Gysi gestellt habe.

Darin habe ich die Geldschöpfung thematisiert.
Ich möchte mich kurz fassen. Es gibt die Idee von Prof. Bernd Senf, die Geldschöpfung in die Hände einer Art "4. Gewalt" zu legen. Also neben der Exekutiven, Legislativen und Judikativen, die sog. "Monetativen".
Grundprinzip soll es sein, dass das Geld nicht mehr als Schuld sondern als Wert auf die Welt kommen soll. Momentan ist es ja so, dass die Zentralbanken das Geld kreieren und dafür Zinsen verlangen.
Wäre die Geldschöpfung von Staat und privaten Banken jedoch unabhängig, würde das Geld als WERT auf die Welt kommen. Zinsfrei.

Die Monetative würde nach strengen regeln und Vorgaben das Geld schöpfen und damit die Geldmenge regulieren, sodass es zu keiner Inflation (jeden Falls zu keiner allzu großen) kommen kann.

Außerdem wäre eine Umlaufgebühr wie es bereits bei Regionalwährungen der Fall ist, auch für die Wirtschaft belebend:
http://www.kleinezeitung.at/steiermark/knittelfeld/knittelfeld/1902920/index.do

Aber das nur am Rande. Wenn ich entscheiden muss welche Partei ich wähle, dann ist dieses Thema für mich sehr wichtig. Es steht im Grunde genommen über allen anderen Themen.

Leider habe ich nirgendwo eine eindeutige Position der Partei DIE LINKE zu diesem wichtigem Thema finden können. Wie steht Ihre Partei dazu?

Und noch am Rande eine Frage die damit in gewisser Weise zusammen hängt ist, wieso Ihre Partei gegen die Schuldenbremse
http://www.abgeordnetenwatch.de/schuldenbremse-636-178.html
gestimmt hat. Ich bin natürlich auch dagegen, da ich, wie man sieht, eher für eine Reform des Geldsystems bin. Aber was sind die Gründe Ihrer Partei dazu?

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Kolloch,

Sie sprechen in Ihrer Frage drei Themen an, die Unabhängigkeit der Geldbehörde, die Frage des Zinses bzw. das Konzept eines Negativzinses (Schrumpfgeld) sowie die so genannte Schuldenbremse.

Die Europäische Zentralbank verlangt Unabhängigkeit. Gleichzeitig folgt sie einer falschen Theorie, dem Monetarismus. Nach dieser Theorie ist Preisstabilität einfach eine Frage der Geldversorgung, Inflation ein rein monetäres Phänomen. Diese Theorie ist falsch. Es gibt keine stabile Beziehung zwischen Geldversorgung und Preisentwicklung. Entscheidend für die Preisentwicklung ist einerseits die gesamtwirtschaftliche Nachfrage, andererseits die Preissetzungsmacht der Unternehmen aufgrund von wirtschaftlicher Konzentration. Eine höhere Geldversorgung führt nicht automatisch zu höheren Preisen, nämlich dann nicht, wenn sie nicht zu höherer Nachfrage führt. Das lässt sich gegenwärtig gut beobachten. Es steigt zwar die Geldmenge, gleichzeitig sinkt jedoch die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes. Das Ergebnis ist nicht Inflation, sondern ein drastischer Rückgang der Inflation.

Um was sich bei Monetarismus politisch handelt, hat Sir Alan Budd sehr klar dargestellt. (Budd war Beamter im englischen Finanzministerium in den 70er Jahren, und einer der radikalsten Vertreter des Monetarismus in den 80er Jahren, der Regierungszeit Thatchers.) Ziel des Monetarismus war und ist, die Stellung der Beschäftigten systematisch zu schwächen. Viele in der damaligen Regierung, so Budd, „haben nie daran geglaubt, dass man mit Monetarismus die Inflation bekämpfen kann. Allerdings erkannten sie, dass [der Monetarismus] sehr hilfreich dabei sein kann, die Arbeitslosigkeit zu erhöhen. Und die Erhöhung der Arbeitslosigkeit war mehr als wünschenswert, um die Arbeiterklasse insgesamt zu schwächen. […] Hier wurde – in marxistischer Terminologie ausgedrückt – eine Krise des Kapitalismus herbeigeführt, die die industrielle Reservearmee wiederherstellte, und die es den Kapitalisten fortan erlaubte, hohe Profite zu realisieren.“ (The New Statesman. 13. Januar 2003, S. 21)

Auf der Grundlage der monetaristischen Theorie ermächtigt sich demnach eine Zentralbank, nachdem sie von politischen Instanzen beauftragt ist, „Preisstabilität zu gewährleisten“, dazu, gegen steigende Löhne mit einer Politik des teuren Geldes vorzugehen. Der höhere Zins verlangsamt das Wirtschafswachstum; er führt zu Arbeitslosigkeit. Arbeitslosigkeit wiederum erschwert den Gewerkschaften erfolgreiche Tarifauseinandersetzungen. Für die Fiskalpolitik der europäischen Nationalstaates gilt Ähnliches: Soweit sie Haushaltsdefizite zur Verbesserung der Konjunktur anstreben, kann die EZB sie mit steigenden Zinsen bedrohen. In der aktuellen Wirtschaftskrise erhöhte die EZB noch den Leitzins, als die US-Zentralbank und die Bank of England bereits zu dramatischen Zinssenkungen übergegangen waren. Erst als das historische Ausmaß der Krise deutlich wurde und der internationale Druck zunahm, ging die EZB zaghaft zur Niedrigzinspolitik über. (Mehr dazu finden Sie in meiner Antwort an Frau Richter vom 10.02.2009 bei Abgeordnetenwatch)

Geldpolitik auf Grundlage einer falschen Theorie kann Massenarbeitslosigkeit verursachen. Deshalb muss die Geldpolitik Gegenstand demokratischer Debatte, Entscheidung und Kontrolle sein.

Zur Frage des Zinses bzw. des Negativzinses. Die Finanzkrise ist eine Folge der Renditeanforderungen des angewachsenen Finanzkapitals. Eine der Folgen der Finanzkrise wiederum sind die hohen Zinsforderungen der Banken. Es gibt also gute Gründe, den Zins kritisch zu sehen. Dabei muss man bedenken: 1. Solange internationale Kapitalverkehrsfreiheit besteht, führt ein Negativzins oder auch die Abschaffung der Verzinsung zu erheblichen Kapitalabflüssen. 2. Der Zins ist in einer kapitalistischen Wirtschaft ein Allokationsinstrument. Er steuert, welche Projekte finanziert werden und welche nicht, nämlich solche, die nicht wenigstens den Zins erwirtschaften. Möchte man auf dieses Allokationsinstrument verzichten, so muss man über andere verfügen. Die Abschaffung des Zinses setzt also sowohl Kapitalverkehrskontrollen als auch eine politische Investitionssteuerung voraus.

Schließlich zur Schuldenbremse. In einer tiefen Wirtschaftskrise muss der Staat schuldenfinanziert Nachfrage schaffen. Wenn die Schuldenbremse dabei stört, verschärft das die Krise und erhöht die Massenarbeitslosigkeit. Langfristig muss die Nachfrage dadurch stabilisiert werden, dass die krasse Ungleichverteilung von Reichtum und Einkommen korrigiert wird. Das schafft zusätzliche Nachfrage, weil die Bezieherinnen und Bezieher von niedrigen und mittleren Einkommen einen kleineren Anteil ihres Einkommens sparen und einen größeren Anteil davon ausgeben. Auch die öffentlichen Ausgaben müssen dauerhaft erhöht werden, erstens weil wir gute Krankenhäuser, Schulen und Verkehrswege brauchen, zweitens um Nachfrage zu schaffen. Diese zusätzlichen Ausgaben können langfristig durch höhere Steuern auf Gewinne und große Einkommen und Vermögen finanziert werden. Sie müssen also nicht die Staatsverschuldung erhöhen. Für die lange Frist ist eine hohe Staatsverschuldung nicht nötig, ja sie sollte sogar vermieden werden. Dennoch ist die Schuldenbremse abzulehnen. Denn es ist abzusehen, dass nicht die Gewinnsteuern erhöht, sondern die Sozialausgaben radikal gekürzt werden sollen. Schließlich ist die Schuldenbremse für die Länder abzulehnen. Diese haben nämlich kaum Möglichkeiten, selbst die Steuern auf hohe Einkommen und Vermögen zu erhöhen. Sie können dann vom Bund zum Sozialabbau gezwungen werden. Dem kann DIE LINKE nicht zustimmen.

Mit freundlichen Grüßen
Herbert Schui