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Herbert Reul
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Frage von Claus M. •

Frage an Herbert Reul von Claus M. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Abgeordneter,

mich würde interessieren, ob die Beiträge, mit denen die deutschen Steuerzahler die Atomenergie seit Inkrafttreten des EURATOM-Vertrages 1957 subventioniert haben, genauer beziffert werden können, in der Summe und pro Jahr.

Österreich, das ja den Austritt aus EURATOM anstrebt, gibt an, dass es (obwohl Nicht-AKW-Land) jährlich 40 Millionen Euro einzahlen muss.

Zudem würde mich interessieren, wie hoch der Etat von EURATOM insgesamt pro Jahr ist, und welchen Anteil er am EU-Budget ausmacht.

Für genauere Zahlen wäre ich dankbar!

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Mayr,

ich ahne, worauf Sie mit ihren Fragen abzielen. Daher möchte ich Sie vorab an die Aufgabe von Euratom erinnern, die in Art. 2 des Vertrages genau festgelegt ist:

Zur Erfüllung ihrer Aufgabe hat die Gemeinschaft nach Maßgabe des Vertrags
a. die Forschung zu entwickeln und die Verbreitung der technischen Kenntnisse sicherzustellen;

b. einheitliche Sicherheitsnormen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung und der Arbeitskräfte aufzustellen und für ihre Anwendung zu sorgen;

c. die Investitionen zu erleichtern und, insbesondere durch Förderung der Initiative der Unternehmen, die Schaffung der wesentlichen Anlagen sicherzustellen, die für die Entwicklung der Kernenergie in der Gemeinschaft notwendig sind;

d. für regelmäßige und gerechte Versorgung aller Benutzer der Gemeinschaft mit Erzen und Kernbrennstoffen Sorge zu tragen;

e. durch geeignete Überwachung zu gewährleisten, daß die Kernstoffe nicht anderen als den vorgesehenen Zwecken zugeführt werden;

f. das ihr zuerkannte Eigentumsrecht an besonderen spaltbaren Stoffen auszuüben;

g. ausgedehnte Absatzmärkte und den Zugang zu den besten technischen Mitteln sicherzustellen, und zwar durch die Schaffung eines gemeinsamen Marktes für die besonderen auf dem Kerngebiet verwendeten Stoffe und Ausrüstungen, durch den freien Kapitalverkehr für Investitionen auf dem Kerngebiet und durch die Freiheit der Beschäftigung für die Fachkräfte innerhalb der Gemeinschaft;

h. zu den anderen Ländern und den zwischenstaatlichen Einrichtungen alle Verbindungen herzustellen, die geeignet sind, den Fortschritt bei der friedlichen Verwendung der Kernenergie zu fördern.

Diese Ziele werden in den weiteren Artikeln des Vertrages weiter ausgeführt und konkretisiert. Nicht alle wurden im Laufe der Jahrzehnte erreicht. Schuld daran waren nicht zuletzt nationale Eitelkeiten, nicht zuletzt der Wille Frankreichs nach mehr Selbstständigkeit bei der Kernenergie.

Die Kommission hat 2007 den Sinn der Euratom-Gemeinschaft hinterfragt und ist zu einem positiven Ergebnis gekommen: Vor allem auf dem Gebiet der Forschung, des Gesundheitsschutzes und der Überwachung der friedlichen Nutzung der Kernbrennstoffe sowie im Bereich der internationalen Beziehungen habe sich die Gemeinschaft keineswegs überholt. Allerdings wünscht sich das Europäische Parlament mehr Mitspracherechte auch bei Euratom. Dies betrifft allerdings nur die Strukturen, stellt den Vertrag insgesamt aber nicht in Frage. Dies tun übrigens auch nicht meine österreichischen Kollegen, die sehr wohl den Mehrwert von Euratom bei der Sicherheit sehen. Lediglich die Grünen sind anderer Auffassung, aber die haben zuletzt in Straßburg ja auch gegen den Ruf nach höheren Sicherheitsstandards für Kernkraftwerke in der EU und nach einer raschen Durchführung der Stresstests gestimmt.

Das genaue Budget ist schwer zu beziffern, da der Euratom-Haushalt seit 1968 in den Gesamthaushaltsplan integriert ist und die Euratom-Gemeinschaft auch nicht über getrennte Institutionen verfügt. Den größten Anteil am Euratom-Haushalt macht allerdings das Forschungsrahmenprogramm aus. Hier waren beispielsweise von 2002 bis 2006 insgesamt 1,35 Mrd. Euro für Forschung im Bereich der Kernenergie bestimmt, im aktuellen Forschungsrahmenprogramm (2007-2012) sind es 2,75 Mrd. Euro. Diese deutliche Erhöhung ist vor allem auf den Baubeginn von ITER zurückzuführen. Die Fusionsforschung erhält mit 1,947 Mrd. Euro somit den Löwenanteil - der Betrag gilt allerdings für einen Zeitraum von fünf Jahren, sodass sich im Schnitt 550 Mio. Euro pro Jahr ergeben.

Der von den Grünen oder Friends of the Earth oft angestellte Vergleich dieses Betrages mit den "nur" 840 Mio. Euro für erneuerbare Energien und Energieeffizienz hinkt gewaltig, da er die Förderung in den 27 Mitgliedstaaten in keiner Weise berücksichtigt. Allein das BMU hat einen Etat von über 120 Mio. Euro für Forschungsförderung im Bereich der erneuerbaren Energien. Für ein Jahr. Multiplizieren Sie diesen Betrag mit fünf kommen Sie allein schon auf 600 Mio. Euro zusätzlicher Förderung aus Deutschland - also auf über 1,4 Mrd. Euro zusammen mit den EU-Geldern.

Hinzu kommt in Deutschland noch die massive Förderung durch feste Einspeisevergütungen und Kompensationszahlungen - die zuletzt bei über 10 Mrd. Euro lagen. Hinzu kommen die anderen Mitgliedstaaten: Frankreich beispielsweise subventioniert den Ausbau erneuerbarer Energien durch einen deutlich reduzierten Mehrwertsteuersatz von nur 5,5% für entsprechende Investitionen und hat das Forschungsbudget für nachhaltige Energien jüngst auf eine Mrd. Euro für einen Zeitraum von vier Jahren erhöht - zusätzlich zu einem 400 Mio. Euro schweren Fonds für Demonstrationsanlagen. Einen ähnlichen Fonds über 500 Mio. Euro hat Österreich übrigens eingerichtet. Rechnen Sie all diese nationalen Förderungen für erneuerbare Energien zusammen, kommen Sie somit auf deutlich höhere Beträge. Der Unterschied besteht darin, dass es sich beim ITER-Projekt um ein internationales Forschungsprojekt handelt, bei dem die EU und nicht die Mitgliedstaaten Partner ist. Demgegenüber gibt es bei der Forschungsförderung für erneuerbare Energien kaum eine entsprechende Koordinierung und Konzentration auf EU-Ebene.

Was den Anteil konkreten Haushalt 2011 betrifft, so können Sie ihn unter folgendem Link herunterladen: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2011:068:0001:0550:DE:PDF Das Dokument hat einen Umfang von über 1.800 Seiten. Auf S. 10 sehen Sie, dass der Haushalt für 2011 insgesamt 126,5 Mrd. Euro umfasst. Die 550 Mio. Euro für die Kern- und Fusionsforschung entsprechen somit einem Anteil von 0,43%.

Zum Euratom-Haushalt gehören auch Mittel für die Stilllegung von Kernkraftwerken aus neuen Mitgliedstaaten, die nicht den EU-Standards entsprechen und auch nicht nachrüstbar sind. Dies gilt namentlich für das KKW Kosloduj in Bulgarien, Bohunice in der Slowakei und Ignalina in Litauen. Hintergrund ist hier, dass sich die Mitgliedstaaten bei ihrem Beitritt verpflichtet hatten, diese Kraftwerke stillzulegen, aber über die Dauer des Betriebs damals - anders als etwa in Deutschland - keine entsprechenden Rücklagen für die Stilllegung angelegt wurden. Auch an dieser Finanzierung haben übrigens alle Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament ein großes Interesse. Ich empfehle Ihnen in diesem Zusammenhang die Lektüre der jüngsten Resolution des Europäischen Parlaments zu diesem Thema:

http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P7-TA-2011-0123+0+DOC+XML+V0//DE&language=DE

Die Resolution zeigt zugleich, dass das Parlament immer gewillt ist, die Mittelverwendung der Europäischen Kommission einer kritischen Prüfung zu unterwerfen, dass aber der Sinn dieser Ausgaben nicht hinterfragt wird.

Für eine Aufstellung über den Haushalt für Euratom-Aktivitäten empfehle ich Ihnen, sich direkt an die entsprechende Generaldirektion innerhalb der Europäischen Kommission zu wenden. Diese dürfte noch am ehesten in der Lage sein, Ihnen konkrete Werte zumindest für die letzten Jahre zu nennen.

Mit freundlichen Grüßen,
Herbert Reul MdEP

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