Frage an Hellmut Königshaus von rudolf b. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
sehr geehrter herr königshaus,
welche auswirkungen wird die krise des globalisierten kapitalismus und die damit verbundenen globalen unruhen mittelfristig auf deutschland haben?ich hätte gerne ihre meinung dazu.
mit freundlichen grüßen
rudolf busch
Sehr geehrter Herr Busch,
Sie stellen mir eine einfache Frage zu einem komplizierten Thema. Ich will deshalb etwas ausführlicher antworten.
Dass es eine Wirtschaftskrise mit globalen Auswirkungen, insbesondere im Energie- und Nahrungsmittelbereich, gibt, ist offenkundig. Die Erhöhung der Energiepreise droht die Weltwirtschaft in eine tiefe Rezession zu drücken. Und in den Entwicklungsländern, wo viele Menschen schon bisher mehr als die Hälfte ihres verfügbaren Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben mussten, ist die katastrophale Teuerung, teilweise mehr als eine Verdoppelung, nicht mehr zu verkraften. Wenn sich daraus weltweite Unruhen entwickeln sollten, dann kann Deutschland als eine der führenden Exportnationen ohne nennenswerte eigene Rohstoffe davon nicht unberührt bleiben. Deshalb müssen wir uns dieser Aufgabe mit großem Ernst stellen. Die Krisen auf dem Energie- und dem Nahrungsmittelmarkt haben mehrere Ursachen, aber sie stehen alle in einem engen Zusammenhang.
Einer der Hauptgründe für die Preissteigerungen im Energiesektor ist der beständig steigende Bedarf der Schwellenländer, dem keine entsprechende Steigerung der Fördermengen gegenüber steht. Daneben haben gerade diese Länder eine beklagenswert niedrige Energieeffizienz. Daraus haben die Industrienationen den "Ausweg" beschritten, anstelle fossiler Energieträger wie Öl und Gas vermehrt auf Biokraftstoffe zu setzen. Das heißt, anstatt auf den Tisch kommen die Nahrungsmittel wie Getreide und Mais in die Autotanks. Auf diese Zweckentfremdung sind nach einer Studie der Weltbank mehr als 75 % der Preissteigerungen für Nahrungsmittel zurückzuführen. Die höheren Energie- und Düngemittelpreise, die ebenfalls auf die Steigerung der Nachfrage und die Umstellung der Essgewohnheiten in den Schwellenländern wie China zurückgeführt werden, machen demgegenüber nach Feststellungen der Weltbank weitere 15 % aus. Es handelt sich also um eine Krise, die uns in den entwickelten Ländern weh tut, aber wir erlauben uns, sie auf Kosten der Hungernden dieser Erde zu lösen, noch dazu mit dem guten Gefühl, vermeintlich etwas Gutes für das Weltklima zu tun. Dabei geht die Ausweitung der Nachfrage beispielsweise nach Zuckerrohr oder Palmöl für die Energieerzeugung zu Lasten der Regenwälder, schadet also auch dauerhaft dem Weltklima und der Biodiversität. Der langfristige Ausweg kann daher nur in der Nutzung erneuerbarer Energien aus nicht pflanzlicher Herkunft gesehen werden.
Wollen wir also die Vielfalt bei Flora und Fauna bewahren, das Weltklima schützen, die unglückselige Konkurrenz von Treibstoffen zu Nahrungsmitteln beenden und damit weltweite Unruhen vermeiden, dann müssen wir diesen Teufelskreis durchbrechen. Die europäischen Beimischungsverpflichtungen für Kraftstoffe müssen sofort zurückgenommen werden, die USA müssen aufhören, in großem Umfang Ethanol aus brasilianischer Produktion einzusetzen.
Daneben gibt es weitere Ursachen für die weltweite Wirtschaftskrise, die wir beobachten müssen. Der Anteil der Weltbevölkerung in den sich entwickelnden Ländern und den Schwellenländern nimmt zu, im gleichen Maße steigt der Einfluss von Politikversagen und Protektionismus in diesen Ländern auf die gesamte Weltwirtschaft. Anders als die Globalisierungsgegner behaupten ist nicht Marktversagen der Grund für die Massenarmut in den Entwicklungsländern, sondern sie ist vielmehr auf schlechte Regierungsführung, wirtschaftliche Isolation, fehlende rechtsstaatliche Strukturen, mangelhafte Bildung, Nepotismus und Kleptokratie der herrschenden Eliten in vielen Entwicklungsländern zurückzuführen.
Wir können die Globalisierung nicht zurückdrehen, wir müssen vielmehr richtig mit ihr umgehen. Sie bietet mehr Chancen als Risiken, Chancen, die es zu nutzen gilt: zur weltweiten Durchsetzung von Menschenrechten und persönlicher Freiheit und marktwirtschaftlicher Strukturen. Alle empirischen Erfahrungen belegen, dass die "Globalisierungsdividende" gerade der Entwicklungsländer hoch ist, höher als in den Ländern des Nordens. Leider kommt aber diese "Dividende" nicht in allen Ländern bei der breiten Masse der Bevölkerung an. Diese Verteilungsungerechtigkeit in den Entwicklungsländern müssen wir ebenfalls bekämpfen. Wenn wir gemeinsam mit den anderen Industrieländern an diesen drei Ursachen ansetzen: Beendigung des Mißbrauchs von Nahrungsmitteln zur Energienutzung, Steigerung der Energieeffizienz und größere Verteilungsgerechtigkeit in den Schwellen- und Entwicklungsländern, dann werden wir globale Unruhen vermeiden können. Und damit auch die negativen Auswirkungen auf Deutschland.
Mit freundlichen Grüßen
Hellmut Königshaus