Frage an Helga Kühn-Mengel von Michael S. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Kühn-Mengel,
die Zentrierung von Facharztleistungen wird von Ihrer Politik propagiert, d.h. Facharztleistungen sollen im Krankenhaus erbracht werden. Alle meine Patienten, insbesondere die nicht mobilen älteren Patienten sind darüber entsetzt, dass sie dann möglicherweise keine wohnortnahe Versorgung mehr haben werden.( Ich bin niedergelassener Pneumologe in Velbert.) Auch Fachärzte haben bei chronischen Erkrankungen eine partielle hausärztliche Funktion. Auch Fachärzte sprechen mit Patienten und beraten diese. Glauben Sie, dass angestellte Fachärzte im Krankenhaus billiger arbeiten ?
Glauben Sie wirklich, dass die Kollegen Doppeluntersuchungen ständig absichtlich aus finanziellen Gründen durchführen ?
Bei einem budgetierten System ist jeder der oberhalb des Budgets liegt, dankbar über jede Untersuchung die bereits erbracht ist, da logischerweise jede unnötige Untersuchung im budgetierten System ein Verlust an Resourcen für den Leitungserbringer bedeutet. Ich kenne keinen Kollegen der sein Budget nicht überschreitet. Glauben Sie, dass die Privatleistungen zurückgehen, wenn Kassenleistungen zu mehr als 30 % nicht bezahlt werden ? Wird die nicht zu einer Verstärkung der sogenannten Zweiklassenmedizin führen ? Stimmen Sie dem Gesundheitsreformgesetz zu ?
MFG
Dr. Michael Sachs
Sehr geehrter Herr Dr. Sachs,
keiner möchte, dass Facharztleistungen nur noch im Krankenhaus erbracht werden können. Richtig ist: Schon seit der Gesundheitsreform 2004 hatten die Krankenkassen die Möglichkeit, mit Krankenhäusern Verträge über die ambulante Behandlung von Patienten mit seltenen und schweren Erkrankungen zu schließen. Davon haben sie allerdings bislang fast keinen Gebrauch gemacht. Deshalb wird den von bestimmten schweren oder seltenen Krankheiten betroffenen Patienten der Zugang zur ambulanten Behandlung am Krankenhaus künftig erleichtert. Für die Behandlung bestimmter Krankheiten wie Krebs, Mukoviszidose oder Aids sind spezialisierte Krankenhäuser oft besser gerüstet als eine Arztpraxis. Im Rahmen der Integrierten Versorgung können Verträge mit Krankenhäusern zur ambulanten Behandlung dieser Patienten auch ohne die Einbindung eines niedergelassenen Vertragsarztes mit entsprechendem Zulassungsstatus geschlossen werden. Darüber hinaus werden ausgewählte Kliniken mit ihrem ambulanten Versorgungsangebot prinzipiell allen Versicherten zur Verfügung stehen. Welche Klinik was anbieten darf, wird in Zulassungsverfahren des jeweiligen Bundeslandes entschieden. Das Ziel ist, den Patientinnen und Patienten, die zum Beispiel an Aids, Mukoviszidose oder Krebs erkrankt sind, ständige Arztwechsel zu ersparen und die in entsprechend spezialisierten Kliniken gesammelte Kompetenz besser zu nutzen. Der zentrale Punkt ist, dass wir in Zukunft gerade bei chronischen und schweren Erkrankungen den Patientinnen und Patienten mehr Entscheidungsfreiheit gewähren können. Sie können wählen, ob sie zum Hausarzt gehen wollen, ob sie sich beim niedergelassenen Facharzt weiterbehandeln lassen oder ob sie ambulante Behandlungsmöglichkeiten in dem Krankenhaus in Anspruch nehmen. Ich glaube, damit können sich kompetente Fachzentren bilden, wie wir sie bisher nicht hatten. Auch die Selbsthilfegruppen, die eine große Rolle spielen bei diesen Krankheiten, werden gestärkt. Sie bilden sich üblicherweise eher, wenn es Patienten gibt, die voneinander wissen: "Da gibt es jemanden, der teilt das gleiche Leiden wie ich." Ich bin davon überzeugt, dass sich die Selbsthilfe besser entwickelt unter den Patientinnen und Patienten, wenn man sich häufiger begegnen kann durch die Konzentration der Behandlung an einem Ort.
Mit freundlichen Grüßen
Helga Kühn-Mengel, MdB