Frage an Helga Kühn-Mengel von Anita H. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Kühn- Mengel,
die Fragen von Frau Lutz vom 04.05 sind mir ihrer Erwiderung vom 04. 06. nicht im Mindesten beantwortet worden. Da genau diese Fragen eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Bürgern umtreiben, bitte ich sie konkret auf die einzelnen Punkte einzugehen Also: Nach § 31 Abs. 1 Satz 2 RSAV wurde die Borreliose nicht unter die zu berücksichtigenden Erkrankungen des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs aufgenommen.
Warum ist das so und was hat diese Enscheidung mit dem explizit mit dem RKI zu tun? Wie wird diese Entscheidung begründet?
Sie haben recht, dass Prävention in Sachen Borreliose einer der wichtigsten Punkte ist und hier alles Nötige an Aufklärung geleistet werden muß. Das entbindet den Staat aber nicht von der Verpflichtung den derzeit schon Betroffenen eine adäquate kostenlose Behandlung zukommen zu lassen. Das ist definitiv momentan nicht der Fall! Sie als Patientenbeauftragte sollten rechtzeitig das Aussmaß dessen erkennen können, was hier auf uns zukommt. Die Zugehörigkeit der Borrelien zu der Gruppe der Spirochäten, also der gleichen Familie wie die Erreger de Syphillis, müßte doch eigentlich Grund genug sein, diese leider heute noch so unberechenbare Krankheit ernster zu nehmen. Niemand würde auf die Idee kommen, einem an Syphillis erkrankten die Behandlung zu verweigern oder ihn nur zu behandeln, wenn er sich das finanziell auch leisten kann.
Warum besteht in den meisten alten Ländern keine Meldepflicht für Borreliose und bei den meisten neuen doch? Die Erklärung der nicht zu befürchtenden Übertragung von Mensch zu Mensch kann es ja nicht sein, da das ja für alle Länder nicht zutrifft. Gleichzeitig ist FSME überall meldepflichtig und erfüllt die Kriterien der menschlichen Übertragung auch nicht. ( Es ist trotzdem gut, dass Meldepflicht für FSME besteht) Ihre Antwort auf Frau Lutz Anfrage geht auf diesen Punkt überhaupt nicht ein! In der Hoffnung auf Veröffentlichung der Frage und eine konkrete Antwort
MfG
Anita Hohendorf
Sehr geehrte Frau Hohendorf,
vielen Dank für Ihre Frage vom 04.Juni 2009, mit der Sie mich um präziesere Auskünfte zu verschiedenen Themen bitten, die für Borreliose-Erkrankte interessant sind.
Gerne möchte ich Ihnen zunächst einige Informationen zum morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich geben.
Der Begriff Morbidität leitet sich von „morbidus“ ab, dem lateinischen Wort für „krank“. Der morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich regelt, wie viel Geld die Krankenkassen aus dem Gesundheitsfonds zur Deckung der Leistungsausgaben ihrer Versicherten erhalten.
Die Höhe der Zuweisungen variiert. Für Versicherte mit schwerwiegenden und chronischen Krankheiten mit hohem Versorgungsbedarf gibt es mehr als zum Beispiel für gesunde Versicherte.
Die mehr als 200 Krankenkassen haben eine ungleiche Versichertenstruktur: Einige haben viele gut verdienende und gesunde Versicherte, andere viele kranke Menschen und Beitragszahler mit niedrigem Einkommen. Den Ausgleich von Risiken zwischen den Krankenkassen gibt es seit 1994. Er ist in einem wettbewerblich organisierten System von Krankenkassen mit freiem Kassenwahlrecht der Versicherten zwingend erforderlich.
Der bisherige Risikostrukturausgleich hat jedoch die Unterschiede bei den Beitragseinnahmen der Kassen und dem jeweiligen Versorgungsbedarf von gesunden und kranken Versicherten nur unzureichend berücksichtigt. Mit der Einführung des Gesundheitsfonds und des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs hat sich das geändert. Das Geld aus dem Fonds wird fair entsprechend dem jeweiligen Versorgungsbedarf der Kasse verteilt.
Der wissenschaftliche Beirat beim Bundesversicherungsamt hat nach den gesetzlich vorgegebenen Kriterien einen Entscheidungsalgorithmus getroffen, auf dessen Grundlage 80 Diagnosen ausgewählt wurden, für die die Kassen nun einen gesonderten Morbiditätszuschlag über den Gesundheitsfonds zugewiesen bekommen.
Grundsätzlich ändert sich nichts, wenn die Erkrankung eines Versicherten nicht zu den 80 ausgewählten Erkrankungen gehört. Die Krankheiten spielen nur eine Rolle, um die Verteilung der Mittel aus dem Gesundheitsfonds vorzunehmen. Die Leistungsansprüche der Versicherten sind hiervon vollkommen unberührt. Da jede Krankenkasse für jeden Versicherten die an das Alter und Geschlecht angepasste Grundpauschale erhält, ist hierfür auch die notwendige Finanzausstattung vorhanden.
Zu Ihrer Anmerkung, dass Patientinnen und Patienten mit Borreliose nicht ausreichend behandelt werden, möchte ich Ihnen gerne Folgendes erläutern:
Gemäß dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte grundsätzlich einen Anspruch auf medizinisch notwendige Leistungen. Der Anspruch umfasst die Versorgung nach den Regeln der ärztlichen Kunst auf der Grundlage des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse im Umfang einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung. In der Anwendung der zur Behandlung geeigneten Therapie ist der Arzt grundsätzlich frei. Er hat sich hierbei jedoch an das im § 12 Abs. 1 SGB V niedergelegte Wirtschaftlichkeitsgebot zu halten.
Die Versicherten erhalten in der Regel die von ihnen benötigten Leistungen als Sach- oder Dienstleistungen, da in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) das Sachleistungsprinzip verankert ist. Hierzu schließen die Krankenkassen und ihre Verbände Verträge mit den Leistungserbringern, d.h. den Ärztinnen und Ärzten, Krankenhäusern, Apotheken und weiteren Leistungserbringern. Die Krankenkassen stellen die Leistungen zur Verfügung und rechnen die Kosten unmittelbar mit den Leistungserbringern ab. Die Versicherten sind dadurch von der Aufgabe entlastet, die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Behandlung zu beurteilen und die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnung zu prüfen.
Die ärztliche Behandlung gesetzlich Versicherter findet grundsätzlich durch Vertragsärzte, oder durch zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigte Ärzte und ermächtigte ärztlich geleitete Einrichtungen statt. Der Versicherte hat das Recht auf freie Arztwahl, d.h. er kann jede Ärztin bzw. jeden Arzt in Anspruch nehmen, die bzw. der zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen oder ermächtigt ist (sog. Vertragsärzte). Ärzte, die nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen (Privatärzte), kann der gesetzlich Versicherte nur in Ausnahmefällen in Anspruch nehmen. Dies hat seinen Grund darin, dass Privatärzte nicht an die für die vertragsärztliche Versorgung geltenden gesetzlichen und vertraglichen Regelungen gebunden sind.
Der Gesetzgeber gibt der gesetzlichen Krankenversicherung die Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung der medizinischen Versorgung vor. Die Einzelheiten werden jedoch von der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen festgelegt.
Wichtigstes Organ der gemeinsamen Selbstverwaltung ist der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA). Er besteht in seiner jetzigen Konstellation aus drei unparteiischen Mitgliedern sowie jeweils neun Vertretern der Leistungserbringer sowie der Leistungsträger (Vertragsärzteschaft, gesetzliche Krankenkassen und Krankenhäuser). Außerdem nehmen Patientenvertreter an den Sitzungen teil, sie haben jedoch kein Stimmrecht. Um die maßgeblichen Interessen von Patienten, chronisch Kranken und behinderten Menschen in diesem Gremium zu stärken, haben deren Organisationen auf Bundesebene seit Anfang 2004 ein Mitberatungs- und Antragsrecht im G-BA. Ich selbst bin am Verfahren nicht beteiligt.
Zu Ihrer Frage zur Meldepflicht möchte ich Ihnen Folgendes mitteilen:
Das Infektionsschutzgesetz (IfSG) regelt, welche Krankheiten bei Verdacht, Erkrankung oder Tod und welche labordiagnostischen Nachweise von Erregern meldepflichtig sind. Weiterhin legt das Gesetz fest, welche Angaben von den Meldepflichtigen gemacht werden und welche dieser Angaben vom Gesundheitsamt weiter übermittelt werden.
Das Infektionsschutzgesetz (IfSG) legt fest, dass die generell vorgesehene Meldepflicht
in den Stadtstaaten bzw. den Bundesländern per Landesverordnung ausgeweitet werden kann. Von dieser Möglichkeit haben Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen Gebrauch gemacht.
Hier also ist die durch Borrelia burgdorferi hervorgerufene Erkrankung meldepflichtig. Eine generelle Meldepflicht wird zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht für notwendig erachtet.
Ich hoffe, ich konnte mit diesen Informationen weiterhelfen und wünsche Ihnen für die Zukunft alles Gute.