Frage an Heinz Schmitt von Johannes R. bezüglich Staat und Verwaltung
Sehr geehrter Herr Schmitt,
als Student beschäftigt mich die Föderalismusreform, die den Ländern mehr Möglichkeiten gibt, eigenständig über ihre Bildungspolitik zu entscheiden. Damit erreichen wir immer mehr den Zustand, dass jedes Land sein eigenes Süppchen kocht und es überhaupt kein einheitliches Bildungssystem mehr gibt. Selbst bei den wichtigen Themen Hochschulzulassung und Hochschulabschlüsse haben die Länder die Möglichkeit von den Vorgaben des Bundes abzuweichen.
Es ist schon jetzt so, dass ein Lehramtsstudent, der in Rheinland-Pfalz sein Staatsexamen gemacht hat, nach seinem Referendariat nicht in Baden-Württemberg arbeiten darf. Wie kann es sein, dass man auf der einen Seite des Rheins arbeiten darf, aber auf der anderen erst eine Stelle bekommt, wenn man mehrere Jahre Berufserfahrung nachweisen kann?
Jedes Land kann selbst über Studiengebühren entscheiden, so dass in Wiesbaden gezahlt werden muss und in Mainz nicht, zwischen der FH Wiesbaden und der Universität Mainz liegen 10 km Distanz und ein paar hundert Euro Studiengebühren.
Nicht nur unsere Hochschulen sind völlig uneinheitlich, auch die Gymnasien scheinen in jedem Land anders oder werden zumindest anders bewertet. Ein Abitur aus Bayern ist offensichtlich mehr Wert, als ein Abitur aus Bremen, schließlich wird bei der Bewerbung an einigen Hochschule ein Bonus / Malus auf den Abiturschnitt vergeben, je nachdem aus welchem Bundesland der Bewerber kommt.
Anstatt mit der Föderalismusreform gegen diese Probleme zu arbeiten, bekommen die Länder noch mehr Freiheiten in der Bildungspolitik.
Ich verstehe nicht, warum die Politik mehr anstatt weniger Kompetenz in diesen Punkten an die Länder abgibt. Für mich scheint das alles unerklärlich, allerdings haben Sie für die Föderalismusreform gestimmt und können mir hoffentlich weiterhelfen.
Mit freundlichen Grüßen
Johannes Roth
Sehr geehrter Herr Roth,
vielen Dank für Ihre Anfrage zur Bildungspolitik, insbesondere auch zum Thema „Studiengebühren“.
Mit den unterschiedlichen Regelungen im Bildungssystem der einzelnen Bundesländer sprechen Sie ein bekanntes Problem an.
Die unterschiedliche Gesetzgebung erklärt sich durch die so genannte „Kulturhoheit der Länder“. Danach sind die Bundesländer für das Bildungswesen zuständig. Dieser Grundsatz wurde durch Urteile des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) stets bestätigt. Deshalb blieb dieser Punkt bei der Förderalismusreform weitestgehend ausgeklammert.
Trotz dieser bestehenden Kompetenzverteilung hat der Bund in bestimmten Fällen versucht, durch eine eigene Gesetzgebung bundeseinheitliche Regelungen für besondere bildungspolitische Fragen zu schaffen, wie z.B die Regeln für Studiengebühren. Die rot-grüne Regierung unter Kanzler Gerhard Schröder wollte Studiengebühren durch das Hochschulrahmengesetz verbieten. Die unionsgeführten Länder klagten dagegen, weil sie ihre Gesetzgebungskompetenz durch den Bund verletzt sahen. Im Januar 2005 entschied das BVerfG zugunsten der Länder. Dieses Urteil führte zu der diffusen Situation bei den Studiengebühren, wie wir sie heute haben. Die SPD-geführten Länder, so auch das Bundesland Rheinland-Pfalz, lehnen aus Gründen der Chancengleichheit Studiengebühren ab dem ersten Semester generell ab. Gleichzeitig müssen die Studentinnen und Studenten in den unionsregierten Bundesländern Studiengebühren zahlen.
Als Abgeordneter des Bundestages finde ich diese Situation bedauerlich. Da der Bund aber nach der Rechtsprechung des BVerfG in diesem Bereich kaum Handlungsmöglichkeiten hat, sind vor allem die entsprechenden Gremien und Organe der Länder, insbesondere die Kultusministerkonferenz (KMK), dazu aufgefordert, bei der Bildung ein Mindestmaß an Vergleichbarkeit zwischen den Bundesländern herzustellen.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen die Hintergründe für die Schwierigkeiten bei der Schaffung einer einheitlichen Bildungspolitik in Deutschland etwas näher bringen.
Auch wenn ich Ihnen mit meiner Antwort einen bestehenden, von Ihnen zu Recht kritisierten Zustand leider bestätigen muss, so wünsche ich Ihnen dennoch einen erfolgreichen Fortgang Ihres Studiums und auch persönlich alles Gute.
Mit freundlichen Grüßen
Heinz Schmitt, MdB