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Heinz-Joachim Barchmann
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Frage von Bernhard S. •

Frage an Heinz-Joachim Barchmann von Bernhard S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Barchmann,

wir Bürger und Wähler wüssten gerne wie Sie und Ihre Partei sich in Fragen der Zuwendungen an Kirchen/ kirchliche Einrichtungen und Trennung von Kirche und Staat positionieren.

Ich nehme an, es ist Ihnen bekannt, dass der christliche Anteil der Bevölkerung sinkt und aktuell bei ca. 58% liegt. Hingegen steigt der Anteil der konfessionsfreien inklusive der Andersgläubigen.

Forderungen der konfessionsfreien Bürger an den Staat und seine Vertreter:

• Transparenz der Finanzierung der Kirchen und deren Einrichtungen durch die öffentliche Hand.

• Staatsleistungen an die beiden christlichen Kirchen beenden und – wo unvermeidlich – ablösen!

• Einschränkung der staatlichen Privilegien der christlichen Kirchen statt Ausweitung auf Muslime und islamische Einrichtungen. ->
Einführen eines integrativen Pflichtfachs zur Wertevermittlung (wie in Berlin "Ethik" und in Brandenburg "LER").

• Eigene und angemessene Vertretung der Konfessionsfreien in Ethikräten, Rundfunkräten, Bundesprüfstellen, u.a.m.

• Gleichbehandlung der säkularen Organisationen (konfessionslose, Freidenker, Giordano-Bruno-Stiftung, Humanisten, etc.) in den öffentlich-rechtlichen Medien, besonders bei den Sendezeiten, da die Medien sich schließlich an alle Bürger wenden, darunter ein Großteil konfessionsfreier Bürger.

• Auch in Einrichtungen, die in kirchlicher Trägerschaft stehen, soll das allgemeine Arbeits- und Sozialrecht gelten (Betriebsverfassungsgesetz + Allg. Gleichbehandlungsgesetz) und das Sonderrecht des sogenannten 3. Weges soll abgeschafft werden.

• Die Ausgaben-Praxis der Kirchen und sozialen Einrichtungen für die erhaltenen Finanzmittel muss transparent sein und vom Staat geprüft werden.

• Förderung religiös bzw. weltanschaulich neutraler Sozial-, Kultur- und Bildungseinrichtungen.

Wie positionieren Sie sich zu dem Thema? Vertreten Sie Standpunkte, die für uns Konfessionsfreie wichtig sind?

Im Voraus danke für die Antwort und mit freundlichen Grüßen

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Schulz,

ich bin vollkommen mit Ihnen einer Meinung, wenn es darum geht, zu betonen, dass wir in einem Land leben, in dem Staat und Kirche getrennt sind, was durch die vom Grundgesetz geforderte weltanschauliche Neutralität unseres Staates gewährleistet wird.

Sie haben auch vollkommen Recht damit, wenn Sie anmerken, dass der Anteil der Bevölkerung, der einer christlichen Konfession angehört, stetig sinkt. Die Bindung an die Institution Kirche nimmt in unserem Land ab. Ein Blick in viele Kirchen am Sonntag genügt, um diese Entwicklung anschaulich vermittelt zu bekommen. Jedoch üben auch andere Großorganisationen wie Verbände, Gewerkschaften, Parteien und Vereine immer weniger Anziehungskraft auf junge Leute in unserem Land aus. Grund hierfür ist zumeist das veränderte Partizipationsverhalten der jungen Generation. Nicht mehr die jahrzehntelange Bindung mit Ritualen und Traditionen ist gefragt, sondern das punktuelle Engagement für konkrete Zielsetzungen ohne längerfristige Bindung. Dementsprechend muss eine Abkehr von der institutionellen Kirche nicht immer mit einer Abkehr von den Ideen und Zielen der Kirche übereinstimmen.
Worauf es uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ankommt, ist jedoch nicht die Mitgliedschaft in der einen oder anderen Organisation. Vielmehr geht es uns darum, dass Werte wie Gerechtigkeit, Gleichheit, Solidarität, Teilhabe und Freiheit in unserer Gesellschaft erhalten, gelebt und neu entdeckt werden. Und dabei haben die christlichen Ideale und auch die institutionalisierten Kirchen eindeutig ihren Anteil. In der Kinder- und Jugendarbeit, der Seelsorge, der Gemeindearbeit und der Fort- und Weiterbildung leisten die Kirchen vielfach wertvolle Arbeit für die Menschen.

Natürlich gibt es kritische Punkte, die wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten immer wieder ansprechen. Die Diskussionen um mangelhaft durchsetzbare Arbeitnehmerrechte im so genannten Dritten Weg zum Beispiel oder unbefriedigende Transparenz bei der Mittelverwendung durch die Kirchen. Auch die staatliche Finanzierung der Ausbildung der religiösen Lehrer sollte meiner Meinung nach auf den Prüfstand genauso wie die teilweise Benachteiligung von Ethik- gegenüber Religionsunterricht. Diese und andere Themen müssen gerade vor dem weltanschaulich neutralen Anspruch unserer Verfassung neu diskutiert werden.

Allerdings haben nicht nur die Kirchen besondere Stellungen inne, insbesondere wenn sie staatlichen Stellen helfen, Aufgaben wie die Gesundheitsversorgung oder sozialpolitische Leistungen, umzusetzen. Die Sozialverbände der Wohlfahrtspflege, die Gewerkschaften und die Träger der Selbstverwaltung sind zum Beispiel genauso in Gremien, Räten und Ausschüssen vertreten wie die christlichen Kirchen. Die, oft paritätische, Beteiligung dieser Großorganisationen an staatlichen Entscheidungsprozessen finde ich richtig und für alle Seiten produktiv. Zusammen repräsentieren sie Millionen von Beschäftigten und betreuten Menschen. Es ist daher nur folgerichtig, sie an möglichst vielen Stellen in die Entwicklungen auf allen staatlichen Ebenen mit einzubeziehen.

Für eine weiterführende Diskussion stehe ich Ihnen gerne bereit.
Mit besten Grüßen
Achim Barchmann, MdB