Frage an Heinrich Langhein von Kerstin W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Langhein,
im Hamburger Abendblatt wurde vor einigen Jahren von einer "Richterschelte" berichtet ( http://www.abendblatt.de/hamburg/article506839/Nach-Richterschelte-Langhein-gibt-Amt-auf.html ), woraufhin Ihre Fraktion Sie zu einer Niederlegung des Vorsitzes des Hamburger Verfassungsausschusses sowie zu einem Rücktritt der Mitgliedschaft im Rechtsausschuss drang.
Meine Frage:
Wie sehen Sie - heute - die Notwendigkeit der Unabhängigkeit der Judikative von der Legislative und das rechtsstaatliche Prinzip der Gewaltenteilung, auf dessen herausragende Bedeutung in einem Rechtsstaat Ihr Parteikollege und Vorgänger im Vorsitz des Verfassungsausschuesses Prof. Dr. Ulrich Karpen (Universität Hamburg) laut obigen Artikels im Hamburger Abendblatt besonders hingewiesen hatte?
Mit freundlichen Grüßen
W.
Sehr geehrte Frau W.,
das Grundgesetz und die Hamburgische Verfassung verlangt im Prinzip der Gewaltenteilung die gegenseitige Kontrolle, Hemmung und Mäßigung der Gewalten. Schutz gegenüber der Rechtsprechung bietet der Vorrang des Gesetztes. Es besteht keine Bindung an Richterrecht und Verwaltungsvorschriften. In diesem Rahmen ist die Legislative unabhängig von der Judikative und umgekehrt. Gibt es Meinungsverschiedenheiten zwischen den Gewalten oder gar Beeinrächtigungen bei der Ausübung der jeweiligen Tätigkeit, müssen die Gewalten ihre Standpunkte klären sowie unabhängig vertreten und durchsetzten können. Hierzu sind erforderlichenfalls direkte Gespräche zu führen und die Standpunkte auszutauschen. Falsche oder aus dem Zusammenhang gerissene Presseberichte und Gerüchte, die von einer Gewalt irgendwie in Umlauf gebracht werden, sind der falsche Weg; die Hintergründe, die dazu geführt haben, müssten offengelegt und aufgeklärt werden. Nur dadurch wird einem Missbrauch von Mitteln, die eine Gewalt ausgeübt hat, entgegengewirkt. Auch die Stellungnahmen eines ehemaligen Verfassungsauschussvorsitzenden sollte nur vor dem Hintergrund eines feststehenden Sachverhalts erfolgen.
Verschieden hiervon ist die Rolle eines Verteidigers, zu dessen Aufgabenkreis es gehört, dass sich die Judikative an Gesetz und Recht hält. In diesem Rahmen hat er seine Aufgaben wahrzunehmen und darf sich weder von der Judikative, der Legislative oder der Exekutive beeinflussen lassen.
Problematisch wird es, wenn Vermischungen beider Aufgabenbereiche stattfinden, die das Ziel haben, einen Abgeordneten von seinem Aufgabenbereich mit sachfremden Mitteln abzuhalten oder gar ihn zu beeinträchtigen.
Ich sehe vor diesen Hintergründen die dringende Notwendigkeit einer Unabhängigkeit der Judikative, der Legislative und auch des am Fall arbeitenden Verteidigers, dessen Aufgaben oben wiedergegen sind und der die Bürgerrechte zu verteidigen hat. Die Legislative hat u.a. die Kontrollaufgaben gegenüber der Judikative dann wahrzunehmen, wenn dort Missbräuche in der Jurisdiktionsgewalt vorkommen. So wäre es richtig gewesen, dass die Legislative z.B. im Fall Mollath alle Umstände aufklärt hätte, und dies nicht dem Betroffenen oder seinem Verteidiger aufbürdet. Anschauungsmaterial bietet diesbezüglich das jüngst von Gerhard Strate veröffentlichte Buch "Der Fall Mollath", das ich zum Lesen anempfehle. Zu dem seinerzeit u.a. von mir betreuten Fall werde ich ebenso demnächst einen wissenschaftlichen Beitrag vorlegen. Dies wiederum gehört zum Grundrecht auf freie Meinungsäußerung.
In einem Feierabendparlament, wie es Hamburg noch hat und welches ich für sehr gut halte, sollte der Abgeordnete seine Tätigkeit frei und ohne sachfremde Einflussnahme ausüben können. Hierzu gehört die sachgerechte Kontrolle der Exekutive und der Jurisdiktion. Weiteres hierzu können Sie in meinen politischen Zielen nachlesen. Ebenso ist die berufliche Tätigkeit des Feierabendparlamentariers zu gewährleisten. Beides darf nicht gegeneinander zum Nachteil der freien Abgeordnetentätigkeit ausgespielt werden.
Mit freundlichen grüßen
Langhein