Frage an Heiderose Gläß von Frank I.
Sehr geehrte Frau Gläß,
mit Bettina Simon ist im März diesen Jahres eine in unserer Region sehr bekannte und beliebte Politikerin aus der Partei “Die LINKE” ausgetreten. Als Gründe dafür nannte Frau Simon “die sich in der Partei immer weiter ausbreitende Funktionärs- und Vorstandsselbstherrlichkeit und die sie begleitende Diffamierung der Kritiker dieser Verhältnisse”. Wie stehen Sie dazu, dass in Ihrer Partei interne Kritiker diffamiert und an den Rand gedrängt werden? Wie positionieren Sie sich in dieser Auseinandersetzung?
Bei der Kommunalwahl im Juni diesen Jahres erreichte die Partei “Die LINKE” in ihrer Hochburg Löbau ein Ergebnis von nur noch 22,6 Prozent gegenüber 31 Prozent im Jahre 2004. Von damals fast 5.500 Stimmen erhielten sie diesmal nur noch ca. 3.700 und haben damit fast ein Drittel ihrer Wähler/Innen verloren. Wie erklären Sie sich diese enormen Verluste? Glauben Sie, dass die o. a. internen Streitigkeiten dafür hauptverantwortlich sind? Oder wenden sich die Leute am Ende doch von Ihrer Partei ab, weil sie Ihre großen Propagandisten Gysi und Lafontaine inzwischen durchschaut haben und erkennen müssen, dass “Die LINKE” dort, wo sie bereits Regierungsverantwortung trägt, die gleiche Politik macht, wie die anderen Parteien auch und keine ihrer Versprechungen einhalten kann?
Sehr geehrter Herr Israel,
herzlichen Dank für Ihre Fragen und Ihr damit zum Ausdruck gebrachtes Interesse an der Entwicklung unserer Partei.
Die von Frau Simon kommunizierten Gründe für Ihren Parteiaustritt kann ich nicht nachvollziehen. Als Teilnehmerin an allen wichtigen Wahlen der Vorstände in Sachsen und in unserer Region, die in den letzten Jahren stattgefunden haben, stelle ich zunächst fest, dass alle Leitungen in demokratischer Verfahrensweise und streng nach den in der Partei durch Mehrheitsbeschlüsse in Kraft gesetzten Regularien gewählt wurden. Von daher ist nach meiner Auffassung diesen Gremien auch die entsprechende Entscheidungskompetenz zuzubilligen. Innerparteiliche Auseinandersetzungen und Kritik haben bei uns einen so hohen Stellenwert und gehören in einem solchen Maße zu unserem Selbstverständnis, wie ich das – zumindest als Außenstehende – bei keiner anderen Bundestagspartei erkennen kann.
Natürlich stößt innerparteiliche Auseinandersetzung dort an Grenzen, wo Profil und grundsätzliche Programmatik der Partei unkenntlich gemacht werden, was ja zu bekannten Konsequenzen wie der Spaltung der Stadtratsfraktion Dresden in der letzten Legislaturperiode geführt hat. Solchen Entwicklungen entgegenzuwirken, darin sehe ich nachgerade eine Aufgabe der gewählten Leitungen und ihre Verantwortung unseren Wählern gegenüber, die ein Recht haben, zu wissen, für welche Positionen die Partei steht, der sie ihre Stimme geben.
Was das schlechte Abschneiden unserer Partei bei der Kommunalwahl in Löbau betrifft, so teile ich Ihre offenkundige Betroffenheit. Worin die Ursache besteht, wird mit Bestimmtheit niemand genau sagen können. Auch ich maße mir das nicht an. Sicherlich hat Frau Simon mit ihrem Austritt und dessen anschließender Begründung in der Öffentlichkeit, der Partei, deren langjähriges Mitglied sie war, nicht genützt. Schnelle Erklärungsversuche helfen hier m. E. aber nicht weiter, zumal dieses Ergebnis nichts Löbau-Spezifisches ist, sondern nur Ausdruck eines bedauerlichen landesweiten Trends (z. B. auch bei den Stadtratswahlen in Görlitz oder auch in Hoyerswerda).
Mit Ihrer Formulierung, die Wähler „hätten unsere großen Propagandisten durchschaut“ kann ich nicht sehr viel anfangen. Wir lassen uns sehr gern vom Wähler „durchschauen“ und würden die Realitätsbezogenheit und Ehrlichkeit unserer Politikangebote ebenso gern unter Beweis stellen. Vielleicht wird uns dazu ja nach den kommenden Wahlen Gelegenheit gegeben.
Die LINKE regiert derzeit auf Landesebene nur in Berlin mit (als kleinerer Koalitionspartner). Was die Berliner Landesregierung tut (oder besser tun muss) ist in weiten Teilen alles Andere als die Wunschvorstellung der LINKEN. Es ist aber von Notwendigkeiten diktiert, die vor allem aus dem desaströsen finanziellen Erbe der Vorgängerregierungen resultieren und den ohnehin begrenzten politischen Handlungsspielraum einer Landesregierung weiter gravierend einschränken. Zum Anderen ist es nun einmal so, dass ein Koalitionspartner, zumal der kleinere, Kompromisse eingehen muss, auch schmerzliche. Unter diesen Voraussetzungen ist bei genauerem Hinsehen die Bilanz der Berliner Senatorinnen/Senatoren der LINKEN durchaus beachtlich. (Mehr Informationen finden Sie sicher unter: http://www.linksfraktion-berlin.de ) Das DIE LINKE als Partner in einer Regierung nicht am anderen Partner vorbei und nicht gegen Bundesgesetze regieren kann, ist allerdings eine Realität, über die auch Gysi und Lafontaine nie hinwegtäuschen wollten. Und das es nicht nur auf sozialem Gebiet und bei Projekten zur Arbeitsplatzbeschaffung einmaliges in der Zeit mit Regierungsbeteiligung in Mecklenburg und Berlin gab ist eine Realität auch wenn dass nicht täglich in allen Medien zu verfolgen ist.
Ich hoffe, Sie bleiben weiter an unseren Politikangeboten interessiert und begrüße Sie gern auch an einem unserem Info-Stände in Löbau.
Mit freundlichem Gruß
Ihre
Heiderose Gläß