Frage an Heidemarie Wieczorek-Zeul von Christian H. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Ministerin,
Sie sind Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. In welcher Hinsicht haben wir den ärmeren Ländern in der SPD geführten Legislaturperiode stärker unter die Arme geholfen und wieviel ist von unseren Steuergelder in diesen Topf geflossen? Nicht das Sie jetzt denken, dass ich gegen Entwicklungshilfe bin. Im gegenteil ich finde Sie sehr gut, solange nicht die Hälfte der Gelder irgendwo versickert. Oder aber wir solche Länder unterstützen, die diktatorisch aufgestellt sind.
Vielen Dank schon einmal im voraus für Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Handt
Sehr geehrter Herr Handt,
im Etat des Entwicklungsministeriums stehen 2005 rund 3,8 Mrd. Euro zur Verfügung. Ein großer Teil dieser Mittel wird für den Kampf gegen die Armut in Afrika eingesetzt. Die Verwendung der Mittel wird genauestens überprüft. Wo Regierungen korrupt sind oder die Menschenrechte verletzt werden, leisten wir keine Entwicklungshilfe. Denn für uns ist entscheidend, dass die Mittel da ankommen, wo sie am dringendsten gebraucht werden: Bei den Ärmsten der Armen. Wir haben in den vergangenen sieben Jahren die deutsche Entwicklungszusammenarbeit grundlegend modernisiert und auf die Höhe der Zeit gebracht. Dazu gehört auch, dass wir uns heute wesentlich stärker als dies früher der Fall war, mit anderen Gebern absprechen und uns in den internationalen Entwicklungsorganisationen engagieren. Damit verhindern wir auch, dass viele Geberländer kleinteilig aneinander vorbei arbeiten und wertvolle Mittel verschwenden - in dieser Frage sind wir einen guten Schritt vorangekommen.
Lassen Sie mich nur mit einigen Stichworten sagen, wo unsere Schwerpunkte liegen. Ausführliche Informationen - auch zu unserer Bilanz - finden Sie unter www.bmz.de
Wir haben uns mit allem Nachdruck für einen gerechten Welthandel eingesetzt. Denn die Entwicklungsländer wollen keine Almosen, sondern faire Handelsbeziehungen. Die EU hat, auch dank unseres Engagements, ihre Baumwollsubventionen bereits stark gesenkt. Dadurch können 12 Millionen Menschen in Westafrika ein eigenes Einkommen im Baumwollsektor erarbeiten. Nun müssen die USA nachziehen.
Zweitens haben wir die Entschuldung der ärmsten Entwicklungsländer international auf die Tagesordnung gesetzt. Mit zwei großen, internationalen Entschuldungsinitiativen werden die Entwicklungsländer um mehr als 100 Mrd. US-Dollar entlastet. Diese Entschuldungsinitiativen sind fest an die Armutsbekämpfung geknüpft. Ein Entwicklungsland kann demnach nur dann entschuldet werden, wenn es die freiwerdenden Mittel für den Kampf gegen die Armut einsetzt und die Ausgaben für Bildung und Gesundheit steigert. Dass dieses Prinzip funktioniert, zeigt sich zum Beispiel in Mosambik, wo heute eine Million Kinder mehr zur Schule gehen als vor der Entschuldung.
Drittens haben wir den Kampf gegen HIV/AIDS zu einem Schwerpunkt unserer Entwicklungszusammenarbeit gemacht. Jahr für Jahr sterben drei Millionen Menschen an AIDS, die meisten von ihnen in den Entwicklungsländern. Deshalb stellen wir heute für den Kampf gegen AIDS pro Jahr 300 Mio. Euro zur Verfügung. 1998 waren es gerade einmal 20 Mio. Euro.
Viertens haben wir Erneuerbare Energien und eine größere Energieeffizienz zu einem wichtigen Arbeitsbereich der Entwicklungspolitik gemacht. Die von unserem Ministerium und dem Umweltministerium 2004 gemeinsam ausgerichtete Internationale Konferenz renewables2004 hat einen wichtigen Beitrag zur globalen Energiewende geleistet. Bis zum Jahr 2015 sollen eine Milliarde Menschen den Zugang zu moderner, sauberer Energie aus erneuerbaren Quellen erhalten.
Fünftens haben wir, zusammen mit anderen Regierungen, innerhalb der Weltbank auf Reformen gedrängt und diese auch durchgesetzt. Die Strukturanpassungsprogramme der Vergangenheit wurden überwunden. Die Weltbank wurde in ihrer Geschäftspolitik auf die Kernarbeitsnormen der ILO verpflichtet (keine Zwangsarbeit, keine ausbeuterische Kinderarbeit, freie Gewerkschaften).
Sechstens haben wir immer dann schnell und effektiv geholfen, wenn die Menschen in Katastrophensituationen unsere Hilfe brauchten. Das galt zum Beispiel nach dem Tsunami am Indischen Ozean und das gilt jetzt bei der Bewältigung der Hungersnot in Niger.
Diese Punkte mögen Ihnen einen ersten Überblick über unsere Arbeit geben. Wichtige Reformen (z.B. beim Welthandel) kosten relativ wenig Geld und haben dennoch eine große Wirkung. Andere Maßnahmen, wie z.B. die Hilfe bei Katastrophen, kosten zwangsläufig Geld.
Nachdem die Leistungen für die Entwicklungszusammenarbeit zwischen 1982 und 1998 (gemessen am Bruttonationaleinkommen) massiv abgebaut worden waren, haben wir die Trendwende eingeleitet. Im Rahmen der Europäischen Union haben wir uns verpflichtet, den Anteil der Entwicklungsausgaben am Bruttonationaleinkommen bis 2015 auf 0,7 Prozent zu steigern.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre
Heidemarie Wieczorek-Zeul