Frage an Hansjörg Durz von Wolfgang D. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Durz,
Welche Gründe haben Sie bewogen, gegen ein Tempolimit auf Deutschen Autobahnen zu stimmen?
Ich persönlich finde nicht einen einziges sinnvolles, vernünftiges , nachvollziehbares Argument - außer vielleicht Fraktionszwang- nicht ein Tempolimit einzuführen.
Vielen Dank.
Freundliche Grüße
Dr. W. Oblinger
Sehr geehrter Herr D. O.,
vielen Dank für Ihre Frage zur aktuellen Diskussion um ein Tempolimit auf Autobahnen.
Lassen Sie mich zunächst sagen, dass es mir nicht um Symbolpolitik, sondern um Maßnahmen geht, die tatsächlich eine signifikante Wirkung für Verkehrssicherheit und Umweltschutz erzielen. So bitte ich Sie, meine nachfolgenden Argumente zu lesen und in Ihre Überlegungen mit einzubeziehen.
Auch als amtierender Vorsitzender des Ausschusses „Digitale Agenda“ im Deutschen Bundestag stehe ich für innovative Lösungen, die unserem Anspruch an zukunftsfähige und flexible Mobilität und dem aktuellen Stand der Technik gerecht werden.
Es ist in der Verkehrswissenschaft unbestritten, dass ein pauschales Tempolimit für Verkehrssicherheit, Stauentwicklung und damit auch für Umwelt- und Klimaschutz nicht optimal ist. Darum befürworte ich ein flexibles Tempolimit mittels moderner Telematik-Systeme bzw. Wechselverkehrszeichenanlagen, gekoppelt mit einem „dynamischen Wegweiser mit integrierten Stauinformationen“, kurz dWiSTa. Versuche dazu laufen seit 2006.
Bei schlechten Wetter- und Sichtverhältnissen kann ein pauschales Tempolimit von 130 km/h noch viel zu hoch sein. Außerdem ergaben wissenschaftliche Studien, dass die eintönige Fahrweise dazu führt, dass die Aufmerksamkeit nachlässt und die Zahl der Unfälle zunimmt.
Temporär könnten die jeweiligen Landesverkehrszentralen somit auch Tempolimits von 90 km/h oder aber auch 140 oder 160 km/h freigeben. Auch Österreich testet streckenweise wieder Tempo 160 km/h auf Autobahnen. Und auch in Italien gibt es Überlegungen, das Tempolimit aufzuweichen. Insgesamt würde sich durch ein flexibles Tempolimit nach derzeitigem Forschungsstand die Verkehrssicherheit erhöhen.
Darum gehört es auch zur erschreckenden Wahrheit dazu, dass 60 Prozent aller tödlichen Unfälle auf Landstraße passieren, auf denen bereits ein Tempolimit gilt. Im direkten Vergleich werden zwölf Prozent aller Verkehrstoten und 7,5 Prozent aller Verletzten auf Autobahnen gezählt.
Ihr zweites Argument betrifft den Klimaschutz bzw. den CO2-Ausstoß. Ich stimme Ihnen zu, dass auch im Sektor Straßenverkehr, der für ca. 12 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich ist, dringender Handlungsbedarf besteht. Unabhängig von dem im Klimapaket gestärkten Bahnausbau, gilt es den allgemeinen Trend zu niedrigeren CO2-Emmissionen durch gezielte Förderung modernster Antriebstechnologien fortzusetzen und zu beschleunigen.
Ein pauschales Tempolimit würde Schätzungen zufolge den CO2-Ausstoß um maximal 0,3 Prozentpunkte verringern. Ähnlich verhält es sich auch bei den Lärmemissionen: Das Umweltbundesamt sieht einen Minderungseffekt eines 120 km/h-Tempolimits lediglich um vom menschlichen Ohr nicht mehr wahrnehmbare –0,5 dB.
Außerdem kann ein pauschales Tempolimit keinen CO2-intensiven Stop-and-go-Verkehr oder unnötige Staus verhindern. Die auf moderner IT-Technologie basierenden Verkehrsbeeinflussungsanlagen haben gegenüber einer analogen Anlage klare Vorteile: Es kann flexibel auf die Auslastung der Verkehrswege reagiert werden. Konkret kann dies beispielsweise die Anpassung der Geschwindigkeit auf das Verkehrsaufkommen oder die temporäre Nutzung der Standspur bedeuten. In der Folge wird damit nicht nur der Verkehrsfluss gefördert, sondern auch CO2 eingespart. Und übrigens auch bestehende Infrastruktur effizienter genutzt.
Zukünftig werden die Verkehrsanlagen auch mit Rettungskräften gekoppelt, sodass durch Onboard-Systeme in den Autos bereits frühzeitig auf herannahende Einsatzfahrzeuge, Verkehrshindernisse oder Fahrbahneinschränkungen hingewiesen werden kann. Auch der LKW-Verkehr kann beispielsweise durch gezielte Hinweise auf Rastplatzauslastungen besser gesteuert werden. Konkret wird dadurch nicht nur die Sicherheit erhöht, sondern auch die Arbeitsplatzbedingungen von Einsatzkräften oder im Fernverkehr verbessert.
Die beschriebene Lösung ist bereits in verschiedenen Regionen Deutschlands umgesetzt und auf unserer heimischen A8 in Vorplanung: Im März diesen Jahres erfolgte nach europaweiter Ausschreibung die Vergabe der Ingenieurleistungen zur Erstellung des Vorentwurfs. Inzwischen ist die Planung der Schilderstandorte abgeschlossen, die im August 2019 mit den beteiligten Polizeipräsidien und den Betreibern abgestimmt wurde. Die finanziellen Mittel stehen im Bundeshaushalt bereit.
Da mir die Situation auf der A8, insbesondere von unseren Rettungskräften, sehr bewusst ist, dränge ich auf eine schnellstmögliche Umsetzung.
Erlauben Sie mir abschließend noch eine persönliche Bemerkung:
Seit vielen Jahren setze ich mich massiv für den Bahnausbau, insbesondere zwischen Augsburg und Ulm ein. Durch die Verlagerung des Personen- und Güterverkehrs auf die Schiene, wird die Mobilität der Zukunft sicherer und umweltschonender.
In öffentlichen Stellungnahmen geht politischen Mitbewerbern der Bahnausbau in Deutschland nicht schnell genug. In der konkreten Praxis werden von den gleichen Gruppierungen entsprechende Initiativen zum Infrastrukturausbau aber oftmals schon bei der Projektplanung ausgebremst oder blockiert. Der Bau des Brennerbasistunnel zeigt das Ausmaß dieses Problems: Fast zwanzig verschiedene Umwelt- und Bürgerinitiativen protestierten gegen das Bauprojekt.
Zur Wahrheit gehört damit auch, dass jedes sinnvoll erscheinende Infrastrukturprojekt in der konkreten Umsetzung auch politische Widerstände erfährt.
Sehr geehrter Herr D. O. , in der Hoffnung meine Entscheidung hinreichend erläutert zu haben, verbleibe ich,
mit freundlichen Grüßen
Hansjörg Durz MdB